"Opel zu erhalten, ist im Interesse aller"
Nach Ansicht des Bezirksleiters der IG Metall Baden-Württemberg, Jörg Hofmann, sollte der Staat eingreifen, um die Arbeitsplätze beim angeschlagenen Autobauer Opel zu sichern. Staatliche Hilfen seien aber nur in Einzelfällen "für Überbrückungszeiten und für Restrukturierungsmodelle" sinnvoll, sagte Hofmann.
Jörg Degenhardt: Autobauer in der Krise – die Rettung von General Motors vor dem endgültigen Kollaps könnte in den kommenden drei Jahren bis zu 30 Milliarden Dollar an staatlichen Hilfsgeldern verschlingen. In einem jetzt vorliegenden Sanierungskonzept kündigt GM die Streichung von weltweit 47.000 Stellen an, eine Entscheidung über die deutsche Tochter Opel, die steht noch aus. Betroffen könnten auch die Fabriken in Bochum und Eisenach sein. Auch von Daimler kommen keine guten Nachrichten, dort hat man im letzten Jahr sechs Milliarden Euro weniger verdient. Jetzt sollen mit kurzfristigen Sparmaßnahmen die Kosten deutlich gesenkt werden, zum Beispiel müssen 20 Prozent der Auszubildenden befürchten, nicht übernommen zu werden. Die Beschäftigten, hier wie da, blicken also besorgt in die nächste Zukunft, sie fürchten um ihre Jobs, Kurzarbeit ist eh schon angesagt. Jörg Hofmann ist mein Gesprächspartner, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg. Guten Morgen, Herr Hofmann!
Jörg Hofmann: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Bleiben wir zunächst bei Opel. Die Nachrichten aus den Vereinigten Staaten lassen Interpretationsmöglichkeiten zu, das heißt, das Zittern für die Kollegen in Bochum oder in Eisenach geht also weiter.
Hofmann: Offensichtlich. Es war ja da eine hohe Unsicherheit: Wie geht es weiter mit den Jobs hier, wie sieht die Zukunft von Opel Deutschland aus, wie sie die Zukunft von GM Europa aus? Nach meinen Informationen wurde da gestern nichts entschieden. Wir brauchen aber, denke ich, hier auch jetzt dringend mal Klarheit, weil es für die Familien, für die Arbeitnehmer unzumutbar ist, in dieser Unsicherheit zu leben.
Degenhardt: Was halten Sie denn davon, wenn ein Unternehmen wie Opel mithilfe des Staates herausgelöst würde aus dem größeren Konzernverbund?
Hofmann: Ich glaube, es gibt Situationen, wo man auch ordnungspolitische Bedenken auf die Seite stellen muss und handeln, sehr pragmatisch handeln. Wenn es eine Perspektive gibt für eine deutsche oder europäische Lösung, sollte man die Wege beschreiten. Wir haben dort Verantwortung für die Arbeitsplätze bei Opel und es handelt sich ja auch um eine Traditionsmarke, wo der deutsche Automobilbau sich miteinander verbindet.
Degenhardt: Das heißt, wenn man hier staatlich hilft, müsste man zum Beispiel auch bei Schaeffler, dem Autozulieferer, staatlich helfen, richtig?
Hofmann: Ich denke, man muss immer die einzelnen Fälle betrachten, und wir machen da gern gleich ein ordnungspolitisches Co-Seminar draus. Man muss da pragmatischer handeln, wie auch unsere westeuropäischen Nachbarn in dieser Situation reagieren. Ich denke nicht, dass es eine generelle Lösung ist, dass der Staat interveniert, aber in Einzelfällen mag das – für Überbrückungszeiten und für Restrukturierungsmodelle – notwendig sein, um Arbeitsplätze nachhaltig zu halten.
Degenhardt: Aber auch in Einzelfällen: Kommt es durch staatliche Hilfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen? Ich weiß nicht, was die Chefs und Kollegen bei Daimler dazu sagen, wenn der Staat Opel so unterstützen würde.
Hofmann: Ich glaube, keiner der deutschen OEMs hat gerade eine Interesse, dass Opel nicht weiter mit am Markt vorhanden ist. Auch die internen Beziehungen zwischen den OEMs sind so eng, das Zuliefernetzwerk ist auf die Abrufe aller Hersteller angewiesen, insoweit, glaube ich, gibt es keine Befürchtung von Wettbewerbsverzerrungen an dieser Stelle. Ich denke, Opel zu erhalten, die Arbeitsplätze zu erhalten, ist im Interesse aller.
Degenhardt: Ist das Unternehmen in Ihrem Einzugsbereich, Daimler nämlich, besser aufgestellt im Kampf gegen die Krise, schon deshalb, weil es nicht von einem Mutterkonzern abhängt?
Hofmann: Das ist sicherlich ein Vorteil, den Daimler hat. Andersherum: Opel ist sehr gut aufgestellt jetzt, mit seinem Produktportfolio, wo Opel im kleineren und mittleren Segment deutlich stark vertreten ist. Insoweit – wir haben ja nicht nur die Kapitalverhältnisse zu betrachten, sondern: Welche Perspektive hat auch ein Unternehmen mit den Produkten, die auf dem Markt sind und auf den Markt kommen?
Degenhardt: Der Konzernchef von Daimler, Herr Zetsche, hat ja gestern angesichts der zu erwartenden roten Zahlen drastische Sparmaßnahmen angekündigt. Bei dem, was da geplant ist und was man schon hören kann – ich habe ja schon erwähnt, Auszubildende sollen nicht, wie geplant, übernommen werden –, inwieweit zieht da die IG Metall mit, weil es halt sein muss?
Hofmann: Wir sehen keinen Grund, hier mitzuziehen, denn die Belegschaft von Daimler hat schon deutliche Opfer gebracht im Kontext eines Beschäftigungssicherungspaktes, den wir abgeschlossen haben, der bis Ende 2011 gilt, und wir haben auch im Jahre 2008 bei Daimler ja keinen Verlust, wir haben ein positives Ergebnis, und zwar ein deutliches im Zwei-Milliarden-Bereich. Es gibt keinen Grund, bei den Arbeitnehmern zu sparen. Es ist auch ein Unding, man kann nicht am Tag vom Staat Konjunkturspritzen für die Automobilindustrie verlangen, man kann nicht Nachfrageimpulse einfordern, und dann am Abend bei den Beschäftigten einkassieren. Das ist ein Weg, den die IG Metall nicht mitmachen wird.
Degenhardt: Baut Daimler noch die richtigen Autos?
Hofmann: Daimler hat ein hervorragendes Programm, glaube ich, für das Käufersegment, das Daimler bedient, und ich denke auch, dass erkannt worden ist, dass man jetzt mit sehr hoher Konsequenz auf neue Technologie setzen muss, insbesondere, was die Emissionsfreiheit angeht.
Degenhardt: Es gibt wohl in Europa eine Überkapazität von 20 Prozent, haben schlaue Leute ausgerechnet. Egal, was jetzt in Amerika passiert: Muss sich die europäische Automobilindustrie – um mal das böse Wort zu benutzen – gesundschrumpfen, wie es manche Experten und auch Politiker vorhersagen?
Hofmann: Ich denke, dass die Automobilindustrie und die Wertschöpfungskette in Europa nach dieser Krise nicht mehr die sein wird wie vor der Krise. Es gibt Restrukturierungsnotwendigkeiten und unsere Aufgabe ist es, diese Restrukturierung so zu gestalten, dass Arbeitsplätze gesichert sind, dass Perspektiven für die Beschäftigten eröffnet werden und dass auch für die Automobilindustrie und ihre Standorte im Konkreten Lösungswege gefunden werden. Klar ist, das ist meine feste Überzeugung, so bitter die Wahrheit ist: Wir haben zu viel Produktionskapazität in Europa.
Degenhardt: Um die aktuelle Krise zu meistern, sind verschiedene Schritte geplant und von verschiedenen Schritten ist auch zu hören, auch davon, dass die Arbeitgeber vereinbarte Lohnerhöhungen wegen der schlechten Auftragslage verschieben wollen. Ich nehme an, da werden Sie als Gewerkschafter kaum mitspielen, oder können Sie sich Einzelfälle vorstellen, wo Sie da mit sich reden ließen?
Hofmann: Einzelfälle kann man sich immer vorstellen, aber sehen Sie, wir sprechen da von Kostenvolumen von 0,3 Prozent, und ein Unternehmen, das ein Kostenproblem in der Größenordnung hat, hat keins. Es wäre jetzt das falsche Signal im Moment, das, was die Konjunktur noch einigermaßen stabilisiert, ist die Kaufkraft der Haushalte und wer jetzt auf Lohnzurückhaltung drängt und unnötigerweise auf Lohnzurückhaltung drängt, gefährdet auch diesen letzten Ankerpunkt der deutschen Konjunktur. Deswegen sagen wir nein, und in Einzelfällen wird sicherlich der Betriebsrat – wenn es dort Sinn macht – das verknüpfen mit Gegenforderungen wie die Beschäftigungssicherung und die Beibehaltung der Ausbildungsplätze.
Degenhardt: Jörg Hofmann war das, der Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg. Herr Hofmann, vielen Dank für das Gespräch.
Hofmann: Danke Ihnen!
Das Interview mit Jörg Hofmann können Sie bis zum 18. Juli 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Jörg Hofmann: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Bleiben wir zunächst bei Opel. Die Nachrichten aus den Vereinigten Staaten lassen Interpretationsmöglichkeiten zu, das heißt, das Zittern für die Kollegen in Bochum oder in Eisenach geht also weiter.
Hofmann: Offensichtlich. Es war ja da eine hohe Unsicherheit: Wie geht es weiter mit den Jobs hier, wie sieht die Zukunft von Opel Deutschland aus, wie sie die Zukunft von GM Europa aus? Nach meinen Informationen wurde da gestern nichts entschieden. Wir brauchen aber, denke ich, hier auch jetzt dringend mal Klarheit, weil es für die Familien, für die Arbeitnehmer unzumutbar ist, in dieser Unsicherheit zu leben.
Degenhardt: Was halten Sie denn davon, wenn ein Unternehmen wie Opel mithilfe des Staates herausgelöst würde aus dem größeren Konzernverbund?
Hofmann: Ich glaube, es gibt Situationen, wo man auch ordnungspolitische Bedenken auf die Seite stellen muss und handeln, sehr pragmatisch handeln. Wenn es eine Perspektive gibt für eine deutsche oder europäische Lösung, sollte man die Wege beschreiten. Wir haben dort Verantwortung für die Arbeitsplätze bei Opel und es handelt sich ja auch um eine Traditionsmarke, wo der deutsche Automobilbau sich miteinander verbindet.
Degenhardt: Das heißt, wenn man hier staatlich hilft, müsste man zum Beispiel auch bei Schaeffler, dem Autozulieferer, staatlich helfen, richtig?
Hofmann: Ich denke, man muss immer die einzelnen Fälle betrachten, und wir machen da gern gleich ein ordnungspolitisches Co-Seminar draus. Man muss da pragmatischer handeln, wie auch unsere westeuropäischen Nachbarn in dieser Situation reagieren. Ich denke nicht, dass es eine generelle Lösung ist, dass der Staat interveniert, aber in Einzelfällen mag das – für Überbrückungszeiten und für Restrukturierungsmodelle – notwendig sein, um Arbeitsplätze nachhaltig zu halten.
Degenhardt: Aber auch in Einzelfällen: Kommt es durch staatliche Hilfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen? Ich weiß nicht, was die Chefs und Kollegen bei Daimler dazu sagen, wenn der Staat Opel so unterstützen würde.
Hofmann: Ich glaube, keiner der deutschen OEMs hat gerade eine Interesse, dass Opel nicht weiter mit am Markt vorhanden ist. Auch die internen Beziehungen zwischen den OEMs sind so eng, das Zuliefernetzwerk ist auf die Abrufe aller Hersteller angewiesen, insoweit, glaube ich, gibt es keine Befürchtung von Wettbewerbsverzerrungen an dieser Stelle. Ich denke, Opel zu erhalten, die Arbeitsplätze zu erhalten, ist im Interesse aller.
Degenhardt: Ist das Unternehmen in Ihrem Einzugsbereich, Daimler nämlich, besser aufgestellt im Kampf gegen die Krise, schon deshalb, weil es nicht von einem Mutterkonzern abhängt?
Hofmann: Das ist sicherlich ein Vorteil, den Daimler hat. Andersherum: Opel ist sehr gut aufgestellt jetzt, mit seinem Produktportfolio, wo Opel im kleineren und mittleren Segment deutlich stark vertreten ist. Insoweit – wir haben ja nicht nur die Kapitalverhältnisse zu betrachten, sondern: Welche Perspektive hat auch ein Unternehmen mit den Produkten, die auf dem Markt sind und auf den Markt kommen?
Degenhardt: Der Konzernchef von Daimler, Herr Zetsche, hat ja gestern angesichts der zu erwartenden roten Zahlen drastische Sparmaßnahmen angekündigt. Bei dem, was da geplant ist und was man schon hören kann – ich habe ja schon erwähnt, Auszubildende sollen nicht, wie geplant, übernommen werden –, inwieweit zieht da die IG Metall mit, weil es halt sein muss?
Hofmann: Wir sehen keinen Grund, hier mitzuziehen, denn die Belegschaft von Daimler hat schon deutliche Opfer gebracht im Kontext eines Beschäftigungssicherungspaktes, den wir abgeschlossen haben, der bis Ende 2011 gilt, und wir haben auch im Jahre 2008 bei Daimler ja keinen Verlust, wir haben ein positives Ergebnis, und zwar ein deutliches im Zwei-Milliarden-Bereich. Es gibt keinen Grund, bei den Arbeitnehmern zu sparen. Es ist auch ein Unding, man kann nicht am Tag vom Staat Konjunkturspritzen für die Automobilindustrie verlangen, man kann nicht Nachfrageimpulse einfordern, und dann am Abend bei den Beschäftigten einkassieren. Das ist ein Weg, den die IG Metall nicht mitmachen wird.
Degenhardt: Baut Daimler noch die richtigen Autos?
Hofmann: Daimler hat ein hervorragendes Programm, glaube ich, für das Käufersegment, das Daimler bedient, und ich denke auch, dass erkannt worden ist, dass man jetzt mit sehr hoher Konsequenz auf neue Technologie setzen muss, insbesondere, was die Emissionsfreiheit angeht.
Degenhardt: Es gibt wohl in Europa eine Überkapazität von 20 Prozent, haben schlaue Leute ausgerechnet. Egal, was jetzt in Amerika passiert: Muss sich die europäische Automobilindustrie – um mal das böse Wort zu benutzen – gesundschrumpfen, wie es manche Experten und auch Politiker vorhersagen?
Hofmann: Ich denke, dass die Automobilindustrie und die Wertschöpfungskette in Europa nach dieser Krise nicht mehr die sein wird wie vor der Krise. Es gibt Restrukturierungsnotwendigkeiten und unsere Aufgabe ist es, diese Restrukturierung so zu gestalten, dass Arbeitsplätze gesichert sind, dass Perspektiven für die Beschäftigten eröffnet werden und dass auch für die Automobilindustrie und ihre Standorte im Konkreten Lösungswege gefunden werden. Klar ist, das ist meine feste Überzeugung, so bitter die Wahrheit ist: Wir haben zu viel Produktionskapazität in Europa.
Degenhardt: Um die aktuelle Krise zu meistern, sind verschiedene Schritte geplant und von verschiedenen Schritten ist auch zu hören, auch davon, dass die Arbeitgeber vereinbarte Lohnerhöhungen wegen der schlechten Auftragslage verschieben wollen. Ich nehme an, da werden Sie als Gewerkschafter kaum mitspielen, oder können Sie sich Einzelfälle vorstellen, wo Sie da mit sich reden ließen?
Hofmann: Einzelfälle kann man sich immer vorstellen, aber sehen Sie, wir sprechen da von Kostenvolumen von 0,3 Prozent, und ein Unternehmen, das ein Kostenproblem in der Größenordnung hat, hat keins. Es wäre jetzt das falsche Signal im Moment, das, was die Konjunktur noch einigermaßen stabilisiert, ist die Kaufkraft der Haushalte und wer jetzt auf Lohnzurückhaltung drängt und unnötigerweise auf Lohnzurückhaltung drängt, gefährdet auch diesen letzten Ankerpunkt der deutschen Konjunktur. Deswegen sagen wir nein, und in Einzelfällen wird sicherlich der Betriebsrat – wenn es dort Sinn macht – das verknüpfen mit Gegenforderungen wie die Beschäftigungssicherung und die Beibehaltung der Ausbildungsplätze.
Degenhardt: Jörg Hofmann war das, der Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg. Herr Hofmann, vielen Dank für das Gespräch.
Hofmann: Danke Ihnen!
Das Interview mit Jörg Hofmann können Sie bis zum 18. Juli 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio