Oper als Gesamtkunstwerk

Von Uwe Friedrich · 25.11.2012
Hervorragende Sänger und überbordende Fantasie machen die "Zauberflöte" zu einem gelungenen Einstand des Australiers Barrie Kosky als neuem Intendanten der Komischen Oper. So originell erzählt hat man das noch nicht gesehen.
Die Zauberflöte ist eine kleine Frau mit Libellenflügeln. Anmutig umschwebt sie den Prinzen Tamino bei seiner Arie und lässt endlose Notengirlanden um ihn schwirren. Vorher wurde er von einem riesigen roten Drachen durch einen endlosen Wald verfolgt und landete schließlich unzerkaut und unverdaut im Magen des Monsters.

Schon in den ersten Minuten verblüfft die überbordende Fantasie der britischen Gruppe "1927" das Publikum in der Komischen Oper, denn hier werden nicht bloß Filmsequenzen projiziert, sondern die Sänger auf der Bühne interagieren unglaublich präzise mit den Figuren auf der Leinwand. Monostatos hält seine Trickfilmhunde an der langen Leine, Papageno stolpert mit Buster-Keaton-hafter Melancholie durch die Handlung und die Königin der Nacht wird zur Furcht einflößenden Riesenspinne.

So gelingt dem Regisseur Barrie Kosky eine witzige, unterhaltsame und auch verblüffend anrührende "Zauberflöte", denn er weicht den Problemen dieses merkwürdigen Stücks nicht aus. Die Frauenfeindlichkeit kommt ebenso vor wie die doch sehr zweifelhafte Zurichtung von Tamino und Pamina für das Funktionieren in einer bürgerlichen Welt mittels der eigenartigen Prüfungen einer Altherrengesellschaft. Aber der Spaß kommt eben auch nicht zu kurz, ganz schamlos bekennen sich Kosky und "1927" zur Herkunft der "Zauberflöte" aus dem Vorstadtvolkstheater.

Das funktioniert auch deshalb so überwältigend gut, weil der neue Generalmusikdirektor Henrik Nanasy sich als absoluter Glücksfall erweist. Er nimmt die Musik ernst, lässt das Orchester detailreich spielen, flott und an den ruhigen Momenten mit langem Atem sowie genau dosierter Trauer. Immer präzise, immer synchron mit den Filmprojektionen. Dazu kann der Tenor Peter Sonn als Tamino richtig gut singen, rührt seine Pamina Maureen McKay nicht nur in der großen Arie "Ach ich fühl's" zu Tränen, und Dominik Köningers Papageno besticht mit charmanter Lässigkeit.

Oper als Gesamtkunstwerk. So originell erzählt hat man das garantiert noch nie gesehen und so gut musiziert nur selten gehört. Nach dem sensationellen "Orpheus" in der insgesamt gelungenen Monteverdi-Trilogie und einer wagemutigen, wenn auch nicht völlig überzeugenden Uraufführung auf hohem Niveau gelingt dem Intendanten Barrie Kosky ein Einstand nach Maß im neuen Amt.

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Eindrucksvolle Stummfilm-Arie
Henrik Nánási und Barrie Kosky deuten Mozarts "Die Zauberflöte" an der Komischen Oper Berlin


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Die Zauberflöte an der Komischen Oper
Maureen McKay als Pamina in "Die Zauberflöte" an der Komischen Oper Berlin.
Maureen McKay als Pamina© picture alliance / dpa / Maurizio Gam
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