Oper in der Raumstation

Von Bernhard Doppler |
Umgeben von einem Plasmameer ist Chaos auf einer Raumstation ausgebrochen. ein Psychologe will die Vorfälle untersuchen und wird bald selbst hineingezogen. Die Umsetzung des Romans "Solaris" ist in Bregenz voller lustvoller theatralischer Energie.
Eine Raumstation bei dem Planeten Solaris, umgeben von einem Plasmameer, ist Ort der Oper. Chaos und Verwirrung sind dort ausgebrochen, nur mehr zwei Forscher machen dort nur mehr ihren Dienst. Deshalb hat sich der Psychologe Kris Kelvin hat sich auf den Weg ins All gemacht, um die Vorfälle zu untersuchen, er wird sehr bald auch in sie hineingezogen. Das Plasmameer tastet das Gehirn der Menschen ab, spiegelt deren Bewusstsein und Erinnerung und kreiert es neu: Wahnwelten, Traumata, Träume. Man wird diese "Gäste", diese "Wiederholungen" nicht los, auch wenn man sie wieder ins All zurückschießt. Sind sie Träume? Real, Realer als die Vergangenheit? Projektionen? Spiegelungen? Harey, Kris Frau, die er verlassen hatte und die den Selbstmord begangen hat. Hat er sie geliebt, liebt er jetzt die Projektion? Wer ist sie? Wer war sie?

Stanislaw Lems Roman "Solaris" - verfilmt von Andrei Tarkowski - hat sein Pedant in Kubricks "Odyssee im Weltraum 2000" mit der berühmten Weltraum-Musik von György Ligeti, auch das Science Fiction der 60er Jahre voller philosophischer Spekulationen. Trotzdem ist Glanerts Oper von großer lustvoller theatralischer Energie, ja bisweilen durchaus grotesk komisch, abgesehen schon von dem Einfall, Probleme und Traumata einfach mit einer Rakete ins All schießen zu wollen. Einer der beiden Forscher wird immer wieder von seinem "Gast", seinem Trauma also, seiner strengen Mutter getriezt, der andere, eine wissenschaftlichen Kapazität, wird einen lästigen schrillen Zwerg, ein Minderwertigkeitsgefühl wohl, nicht los.

Doch im Mittelpunkt steht die berührende Beziehung von Harey und Kris, die Wiederbelebung ihre Liebe und des Verlassens, und ihre Spiegelungen. Die unendliche Weite des All und die Enge der Raumstation ist der physische Raum, zu der Glanert Sphärenmusik komponiert hat, im zartesten pianissimo beginnend, wenn Kris die Raumstation - einen psychologisch-philosophisches Versuchslabor also - erkundet. Das Gehirn der Menschen abtastende Plasmameer sind Chöre, zuerst Laute stammelnd, schließlich Worte generierend: kein metaphysisches Raunen, sondern exakter Begriff. Das Libretto von Reinhard Palm eine kluge Adaption von Lems Roman also.

Eine eher karge, fast sakrale, die 60er-Jahre ein wenig zitierende, überwiegend weiß gehaltene Raumstation (Bühne: Christian Fenouillat), in der Signallampen leuchten, aber sich auch die Wellen des Plasmameers reflektieren - eine Inszenierung, die lustvoll die Figuren entfaltet (das Regie-Duo Moshe Leiser und Maurice Caurier) - ein Orchester, die Wiener Sinfoniker, die nur in Bregenz Oper spielen und nun unter Marcus Stenz äußerst spannungsvoll Glanerts Musik erklingen lassen, - und ein präzises Sängerensemble, tragen zum nachhaltigen Eindruck dieser Uraufführung bei. Es ist bei seinen zahlreichen Theatereffekten zu erwarten, dass das Werk nach Berlin, wo es von der Komischen Oper mitproduziert wurde, auch bald nachgespielt wird.

Hervorzuheben ist schließlich aber neben Marie Arnet die stimmliche und darstellerische Präsenz von Dietrich Henschel, die schließlich in einem einprägsamen Schlussteil fliegend sich im All bewegt und sich vom Plasma des Ozeans umfließen lässt.
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