Oper in deutschen Ländern

"Der Idiot" ist Mieczysław Weinbergs letzte Oper, entstanden 1986/1987, und wurde bisher nur in einer reduzierten Version aufgeführt. Weinbergs Oper verdichtet Dostojewskijs gleichnamigen "polyphonen" Roman zu einer sprunghaften Folge von Bildern auf einer Simultanbühne, die auch epische Kommentare einschließen.
Der junge Fürst Myschkin kehrt nach einem langjährigen Klinikaufenthalt in der Schweiz mittellos nach Sankt Petersburg zurück und trifft im Zug auf den reichen Rogoshin, der von einer dunklen Leidenschaft für Nastassja, eine "gefallene" Frau, getrieben ist. Der haltlose, durch seine Krankheit realitätsferne und naiv an das Gute im Menschen glaubende Fürst, der als eine Art russischer Don Quichotte gezeichnet ist, verfällt Nastassja ebenfalls, aber auf andere Art: Er will sie retten. Zwischen ihr und der jungen Aglaja wird er selbst Teil eines Geflechts von materiellen und sexuellen Abhängigkeiten, von Verletzungen, Besessenheit und Beziehungsunfähigkeit, das schließlich mit Rogoshins Mord an Nastassja endet. Myschkin erstarrt in den Armen des Mörders in einem Zustand zwischen Wahn und Zärtlichkeit.
Der polnisch-jüdische Komponist Weinberg (1919-1996), der durch den Nationalsozialismus seine Familie verlor, nach Russland floh und dort später wiederum der stalinistischen Verfolgung ausgesetzt war, gehörte bis vor kurzem zu den zu Unrecht vergessenen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er hat ein beachtliches Gesamtwerk hinterlassen und gilt seit einer beeindruckenden Renaissance in den letzten Jahren heute neben Schostakowitsch und Prokofjew als einer der wichtigsten Komponisten der Sowjetunion.
„Entscheidenden Anteil daran, dass diese Oper überhaupt und so erfolgreich auf die Bühne gebracht wurde, hat der Dirigent Thomas Sanderling. Er ist schon seit Jahren ein Verfechter Weinbergs. Dessen musiktheatralische Qualitäten werden vor allem dank Sanderlings genialer Leitung offenkundig. Inspiriert von der ausdrucksstarken, großteils herben Tonsprache Dmitrij Schostakowitschs unterfüttert Weinberg seine Partitur mit einer klugen Leitmotivtechnik und einer ausgefeilten Instrumentierung, um so im Orchesterklang eine Spiegelung der psychologischen Verläufe zu erzielen.
Das Orchester des Nationaltheaters realisiert das auf beeindruckend hohem Niveau und trotz Dauer und Anspruch ohne Substanzverlust. Dasselbe gilt für das Bühnenpersonal. Neben der Titelfigur sind es vor allem Ludmila Slepneva als metallisch timbrierte Nastassja und die lyrische Sopranistin Anne-Theresa Møller als ihre Gegenspielerin Aglaja, die aus einem exzellent singenden und spielenden Ensemble herausragen.“ (Stuttgarter Zeitung, 15. Mai 2013)
Oper in deutschen Ländern
Nationaltheater Mannheim
Aufzeichnung vom 12.01.2014

Mieczysław Weinberg
"Der Idiot"

Fürst Leo Nikolajewitsch Myschkin - Juhan Tralla
Nastassja Filippowna - Ludmila Slepneva
Parfion Rogoschin - Steven Scheschareg
Lebedjew - Lars Möller
Iwan Fjodorowitsch Jepantschin - Bartosz Urbanowicz
Jelisaweta Prokofjewna - Elzbieta Ardam
Aglaja - Anne-Theresa Möller
Alexandra - Tamara Banjesevic
Adelaida - Diana Matthess
Ganja - Uwe Eikötter
Warwara - Tatjana Rjasanova
Afanassij Iwanowitsch Tozkij - Bryan Boyce
Chor und Orchester des Nationaltheaters Mannheim
Musikalische Leitung: Thomas Sanderling

ca. 21:00 Uhr Pause mit Nachrichten