Liebe macht sehend
Schon im Vorfeld gab es Ärger in New York: Der russische Staatskünstler Valery Gergiev leitet einen Abend mit zwei Kurzopern von Tschaikowsky und Bartók. Mit dabei die ebenfalls wegen ihrer politischen Haltung umstrittene Sängerin Anna Netrebko. Doch letztlich zählt auch an diesem Abend die Botschaft der Musik - Liebe kann Augen öffnen, doch nicht bei jedem.
Die Premiere musste ausfallen, wegen des angekündigten Eissturms, der dann aber nicht so schlimm war. Bei der ersten Vorstellung schließlich gab es Proteste vor dem Haus und am Ende auch auf der Bühne gegen die beiden russischen Protagonisten des Abends, die für ihre Pro-Putin-Haltung bekannt sind: Die Starsopranistin Anna Netrebko und der Dirigent Valery Gergiev.
Die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer werden sich auch an diesem Abend wieder auf die Musik und die Inszenierung konzentrieren, zumal in der MET ein polnischer Regisseur (Mariusz Treliński) und mit Piotr Beczala ein polnischer Starsänger aktiv sind. Polnische Künstler sind im allgemeinen unverdächtig, wenn es um eine unkritische Haltung gegenüber russischer Politik geht. Die gesamte Produktion ist ein Gemeinschaftswerk der New Yorker MET und des Warschauer Teatr Wielki.
Ein Zaubergarten und eine imaginäre Burg. Das sind die Schauplätze des Geschehens an diesem Abend in der MET. Eine eher märchenhafte Idylle und eine Horrorfilm-Welt prallen dabei aufeinander, wenn nacheinander die beiden Kurzopern "Jolantha" von Peter Tschaikowsky und "Herzog Blaubarts Burg" von Béla Bartók gegeben werden.
Die Handlung des ersten Einakters: Die junge blinde Jolantha wurde von ihrem Vater weggesperrt - aus Sorge und zum Schutz vor unliebsamen Mitmenschen. Jolantha lebt in einem paradiesischen Garten und weiß nichts von ihrer Blindheit. Als Vaudémont in diese heile Welt einbricht, erfährt Jolantha von ihrem Schicksal. Die Liebe macht Jolantha sehend.
Die Liebe kann Augen öffnen. Auch Judith - die eine von nur zwei Personen in Bartoks Einakter "Herzog Blaubarts Burg" - wird trotz ihrer blinden Verliebtheit nach ihrem Gang entlang von sieben Türen innerhalb dunkler Mauern klar sehen können. Doch erwarten sie kein Licht und auch keine Erlösung, sondern tiefe Dunkelheit und der Schmerz der Betrogenen. Dieser "Herzog Blaubart" bringt in seiner finsteren Burg unbehelligt nacheinander alle seine Ehefrauen um. Hinter der siebenten Tür wird auch Judith in seinem Harem verschwinden.
1892 wurde "Jolantha" von Peter Tschaikowsky uraufgeführt. Dieser Einakter nimmt eine Sonderstellung im Œvre des Komponisten ein. Tschaikowsky stellt hier keinen Bezug zur russischen Geschichte her, sondern verweist eher auf Frankreich. Seine Zeitgenossen reagierten mit großer Verstörung. Wieder ausgegraben wurde die lange Zeit verschollene Oper erst 2009 von den Festspielen Baden-Baden. Das prominente Liebespaar von damals, die Sopranistin Anna Netrebko und der Tenor Piotr Beczala singt auch in der MET die Hauptpartien.
Nach der Pause steht dann der erotische Psychothriller "Herzog Blaubarts Burg" auf dem Programm. 1918 entstand die gut einstündige Oper über die dunklen Seiten und tiefen Abgründe der menschlichen Seele. Das ungleiche Liebespaar in diesem Operndrama geben die sächsische Sopranistin Nadja Michael und der russische Bass Michail Petrenko.
Live aus der Metropolitan Opera New York
Peter Tschaikowsky
"Jolantha"
Lyrische Oper in einem Akt op. 69
Libretto: Modest Tschaikowsky
Jolantha - Anna Netrebko, Sopran
Godefroy de Vaudémont - Piotr Beczala, Tenor
King René - Alexej Tanovitski, Bass
Robert - Alexey Markov, Bariton
Ibn-Hakia - Elchin Azizov, Bariton
Chor und Orchester der Metropolitan Opera New York
Leitung: Valery Gergiev
Béla Bartók
"Herzog Blaubarts Burg"
Oper in einem Akt
Libretto: Béla Balázs
Judith - Nadja Michael, Sopran
Blaubart - Michail Petrenko, Bass
Chor und Orchester der Metropolitan Opera New York
Leitung: Valery Gergiev