Oper

Wagner in klein

Benedikt von Peter
Benedikt von Peter © dpa / picture alliance / Claudia Esch-Kenkel
Gespräch mit Bernhard Doppler |
Die pompösen Meistersinger von Nürnberg im kleinen Bremer Theater - geht das überhaupt? Die wuchtige Opernkomödie wirkt so zwar wie ein Kammerspiel, doch solange die Musik die Hauptrolle spielt, bleibt das Stück eindrucksvoll.
Die großen Werke des Musiktheaters immer wieder – experimentierend – auf den Prüfstand zu stellen, ist wohl eine der Kernaufgaben des hoch subventionierten deutschen Stadtbetriebs: Richard Wagners glanzvolle pompöse Festoper "Die Meistersinger von Nürnberg" im doch relativ kleinen Theater am Goetheplatz in Bremen ist für den musikalischen Leiter Markus Poschner und den Regisseur und gleichzeitig Operndirektor Benedikt von Peter tatsächlich Experimentierfeld.
Die Bühne ein Gerüst, ganz hinten in der oberen Etage das Orchester, darunter Gänge für die Spieler. Doch das Hauptgeschehen spielt sich auf einem quadratischen Brett über dem Orchestergraben ab. Die Sänger sind manchmal so körperlich nahe, dass Wagners monumentale Komödie fast wie ein intimes Kammerspiel erscheint. Lediglich mit einer Tür – und einem Schemel ist diese Vorderbühne ausgestattet (Bühne Katrin Wittig). Ein Schemel für einen Schuster? Oder für ein Kind? Denn schon während der Ouvertüre kauert hier Eva als Kind, ein Spielzeugritterfigur, und ein abgegriffenes Bilderbuch "Der fremde Ritter" liegen neben ihr.
Vom Kunstwahn besessen
Benedikt von Peter interessiert Wagners Oper aus Evas Sicht. Eva, fast noch ein Kind, erträumt sich ihre Welt einen Ritter, Walther von Stolzing, der auch schon bald in billiger weißer Plastikrüstung aus einem Spielwarengeschäft erscheint; wie überhaupt die Meistersinger-Welt in Bremen als eine etwas trashige Spielzeugwelt, darunter auch ein niedliches Plüschhäschen, erscheint. (Kostüme: Geraldine Arnold). Wie in vielen Opern (Barbier von Sevilla, Don Pasquale...) geht es ja auch in Wagners Opernkomödie um einen älteren Herrn, der am liebsten sein Mündel heiraten will, aber aus Altersgründen dann doch verzichtet. Nur triumphiert bei Wagner nicht das Mädchen, Hans Sachs hat aus ihm eine Muse seines Kunstideals gemacht.
Im dritten Akt singt Eva kaum noch, sie ist Preisgeld für ältere schmierige Handwerksmeister, denen sie als künftige Ehefrau hätte verkauft werden sollen. Das ist eine etwas boshafte, doch durchaus einleuchtende Lesart. Benedikt von Peter verschärft sie allerdings unnötig, indem er zu eindeutig Evas Situation mit der klaustrophischen Situation von Natascha Kampusch assoziiert. (Ein Monat später wird in einer Bremer Inszenierung von Jelineks Faust in & out wohl die Beziehung Faust und Gretchen mit Josef Fritzl und seiner Tochter kurzgeschlossen werden). Hans Sachs also ein von Wahn, vor allem krankhaftem Kunstwahn besessener Mann. Bei seinem großen Schlussmonolog haben ihn alle verlassen. Die Bühne ist leer.
Innere Monologe und Selbstgespräche
Ein solch sehr weitreichendes Regie-Konzept funktioniert freilich nur deshalb, weil die Musik im Mittelpunkt dieser Versuchsanordnung steht. Und in der Tat weiß Markus Poschner auch schon durch die räumliche Anordnung des Orchesters neue raffinierte Schattierungen Wagners Musik zu entlocken, sicherlich gefallen am meisten die melancholisch leisen Töne. Wie innere Monologe wirken die Selbstgespräche und Erzählungen der Figuren!
Es ist kein Staraufgebot und keine Opernroutine - meist sind es sogar Rollendebuts: Claudio Otelli ein gefährlich-selbstmitleidiger, trauriger, aber doch auch gewaltigtätiger Sachs, Erika Roos als ständig auf der Bühne anwesendes pubertäres Mädchen, und der gerne lächelnde Ritter mit der Kinderrüstung Christ Lasyck, ein lässiger Stolzing. Dass die Sänger sich die riesigen Rolle erarbeitet haben, ist in Bremen dabei durchaus eindrucksvoll mitzuerleben. Sixtus Beckmesser ist ungewohnt mit einem lyrischen Tenor (Christian-Andreas Engelhardt), und gerade auch die Nebenrollen imponieren: Hyojong Kim als Lehrjunge David und Ulrike Mayer als Magdalena.