Operation auf Probe

Von Susanne Nessler · 23.03.2010
Auf dem Monitor im Operationssaal zittert die EKG-Kurve, der Blutdruck des Patienten sinkt rapide, und die Herz-Lungen-Maschine piept. Was Herzchirurgen im wahren Leben Schweißperlen auf die Stirn treibt, ist dank moderner Computertechnik am Deutschen Herzzentrum in Berlin eine täuschend echte Übung.
Am Operationstisch steht Herzchirurg Rufus Baretti und klemmt die Hauptschlagader oberhalb des Herzens ab. Das Herz bleibt stehen, jetzt hängt das Leben des Patienten von der Herzlungen-Maschinen ab und von Robert Frederich. Der Kardiotechniker in der Ausbildung dreht vorsichtig an einem Regler.

Im Team herrscht höchste Aufmerksamkeit. Bei einer echten Operation wären Fehler jetzt unerwünscht. Doch heute wird geübt. Im neuen Simulations-OP der Akademie für Kardiotechnik am Deutschen Herzzentrum in Berlin.

"Wir haben hier simuliert, dass wir einen Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung operieren. Und den operieren wir in diesem Fall mit Herzlungenmaschine. Die Vene für den Bypass ist vorher schon entnommen worden und wir haben jetzt diese Phase geübt, wo das Herz stillsteht und man die Bypässe am Herz anlegt."

Beim zweiten Versuch hat der auszubildende Kardiotechniker es geschafft. Der Blutdruck bleibt stabil. Rufus Baretti kann den Bypass anlegen. Die Herzoperation glückt. Robert Frederich ist erleichtert.

"Wir als Kardiotechniker, wir können das Herz nachempfinden, wir können die Ausscheidungen manipulieren und die Lunge ersetzen. Das ist sehr realitätsnah, also ich empfinde da keinen Unterschied zur Klinik."

Der Chirurg legt das OP-Besteck zur Seite. Blick zu seinem Kollegen hinter der Glasscheibe im Nebenraum. Dort sitzt Frank Merkle ebenfalls Arzt, er steuert das Simulationsprogramms. Am Computer gibt er vor, wie es dem Patienten geht und ob alle Geräte einwandfrei funktionieren.

"Man kann einmal technische Fehler simulieren, das kann passieren, man kann aber die physiologische Patientenantwort simulieren, das heißt, sie geben ein Medikament und dieses Medikament hat eine bestimmte Auswirkung. Das können sie hinterlegen, sie können sagen, der Patient soll so und so darauf reagieren."

Das computergesteuerte Audio-/Video-System erlaubt unter realen OP-Bedingungen zu arbeiten. Alles ist echt, die Ärzte, die Assistenten, die Auszubildenden, die technischen Geräte. Nur der Patient nicht – sagt Christian Gauklitz, der ist nicht echt.

"Der einzige Unterschied ist, dass wir jetzt hier noch ein anatomisches Modell haben, dessen Organe aus Plastik sind und das Herz sich nicht bewegt, also nicht schlägt. Der Professor hat uns gesagt, das es einen Dummy geben wird dessen Herz sich bewegt und schlägt."

Der Professor ist Roland Hetzer von Herzzentrum der Charité. Der Leiter der Herzchirurgie hat die Simulations OP in die Ausbildungsräume der Kardiotechnik gestellt. Für deutsche Kliniken ist das Neuland. Bislang gibt es in Europa nur wenige Krankenhäuser, die ähnliche Übungs-OPs anbieten.

Das Besondere an dem Projekt sind die Original-Geräte. Ihr Einsatz macht die Computersimulation erst real. Und demnächst soll eine Patienten-Puppe mit pochendem Herzen, das Szenario noch perfekter machen.

"Ein solches System erlaubt es schon im Vorfeld, ein hohes Maß an Sicherheit und Routine für den Patienten zu erlangen. Das ist ja der Sinn der Sache.

Und mit diesem Simulator lassen sich alle normalen und kritischen Situationen im Umgang mit der Herz-Lungen-Maschine simulieren. Und der Student kann lernen wie er mit diesem Situationen umgeht."

Regelmäßig üben für den Ernstfall, das Prinzip stammt aus der Luftfahrt. Und so wie für Piloten Start und Landung die kritischen Punkte sind, sind es für die Herzchirurgen, das An- und Abkoppeln an die Herzlungenmaschine.

Eine Kamera zeichnet auf, wie das OP-Team auf die Notfallübung reagiert. Sind die Kommandos des Chirurgen angemessen, stimmt die gesamte Krisenkommunikation? Die simulierte OP kann sich das Team später auch auf Video ansehen - und daraus lernen.

"Das führt dann auch zwangsläufig zum nächsten Schritt. Ich könnte mir vorstellen, dass in 10 bis 15 Jahren es vielleicht üblich wird, dass auch erfahrene Chirurgen alle zwei Jahre eine Art Refresh-Kurs machen, um sich zu beweisen, dass sie mit schwierigen Situationen zurechtkommen."

In den USA ist das bereits die Praxis.