Operation Walküre
Am 20. Juli jährt sich zum 69. Mal der Versuch von Oberst Graf von Stauffenberg und anderer Offiziere der Wehrmacht, mit einem Attentat auf Adolf Hitler die nationalsozialistische Diktatur zu stürzen. Der Plan hieß "Operation Walküre", nach einer Wagner-Oper. Und dieser Name war gut gewählt.
Hojotoho – wer kennt ihn nicht, den Schlachtruf der Wagnerschen Walküren! Als Engel des Todes sind sie die Wunschmädchen Wotans, des Schlachtenvaters. Sie rühmen sich, im Kampf erschlagene Helden zu ihrer Beute zu machen. Auf ihren Luftrössern reiten sie nach Walhall, wo die Leichen von Wotan erweckt und von den Walküren "herrlich bewirtet werden." So Richard Wagner wörtlich in seinen programmatischen Erläuterungen zu seiner Oper.
Hojotoho – das war auch das Begleitmotiv bei der Hubschrauberattacke im Film "Apocalypse now". Etwas Apokalyptisches haftet diesen verwunschenen Mädchen an. Sie sind in Wagners "Ring des Nibelungen" die Vorreiterinnen der Götterdämmerung. Ein kolossales Werk, das mitsamt dem Dramaturgen, der es schuf, bis heute auf eine zwiespältige Resonanz stößt.
War der Hauskomponist Hitlers ein Antisemit, war er keiner – nach allem, was das nun schon fortgeschrittene Wagner-Jahr gebracht hat, wird man sich vor zu eindeutigen Aussagen darüber hüten müssen. Zweifel aber bleiben.
Ganz ohne Zweifel oder Zwiespalt können wir ihm jedoch begegnen, wenn wir an den deutschen Widerstand vom 20. Juli 1944 denken. Unter dem Code-Namen "Operation Walküre" wurde der Hauskomponist Hitlers zu dessen Intimfeind verwandelt.
Schon im 1. Weltkrieg war es Usus gewesen, bestimmte Frontabschnitte mit Protagonisten aus Wagners Nibelungen-Epos zu benennen. Man denke an die Wotan-, Hunding- und Brunhilde-Stellung, oder an die Siegfried-Linie. Entsprechendes geschah im Zweiten Weltkrieg, wo gewisse Einsatzpläne unter Decknamen wie Rheingold oder Kriemhild kursierten.
Eine Operation namens Walküre, die nach gelungenem Attentat auf Hitler den Verschwörern die Schlüsselstellungen der Macht sichern sollte, war deshalb gut gewählt. Unter "Umkehrung des Ursprungsgedankens", wie der bedeutende Hitler-Biograf Joachim Fest es genannt hat, richtete sich diese Operation nicht, wie ursprünglich geplant, gegen irgendwelche Feinde im Osten oder Westen, sondern gegen den Diktator selber.
Die Operation misslang. Er überlebte, sie wurden Opfer seiner Rache. Das hindert uns nicht daran, auch am 20. Juli 2013 Wagners zu gedenken, wie schon das ganze Jahr über. An diesem Tag aber besonders der Walküren, jener Todesengel, die 1944 leider keinen Leichnam mit sich führten, sondern selbst zu Tode kamen.
Zweifelhaft ist dieses Mal nicht Wagner und sein Opernpersonal, zweifelhaft ist, ob die Verschwörer des 20. Juli schon auf Walhall angekommen sind. Wenn doch, dann wäre da kein Wotan, der sie zum Leben wiedererweckte. Wir müssen immer wieder froh darüber sein, dass ihrer von Staats wegen gedacht wird. Auch in diesem Jahr.
Aber sind sie auch in der Gesellschaft angelangt? Nach dem Krieg wurden sie weithin als Staatsfeinde betrachtet. Zwischendurch besserte sich das Bild. Eine gewisse politisch neutrale Haltung schien sich breit gemacht zu haben. Unterdessen hat sich das Bild wohl wieder gewandelt.
Heute dürfte die Ansicht auf immer größere Zustimmung stoßen, die Widerständler seien keine lupenreinen Demokraten gewesen, daher die Daumen runter. Ein Mann vom Schlage Putins genießt unter uns mehr Verehrung als sie.
Wie wär's, wenn wir beim Hören des Schlachtrufs der Walküren immer ihrer gedächten? Oder wenn wir beim Sehnsuchtsmotiv Tristans die Tristanstraße 8 am Wannsee vor Augen hätten? Dort wohnte Stauffenberg. Dort traf er sich oft mit den Verschwörern.
Ein Hoch auf Wagner am 20. Juli. Hojotoho!
Erik von Grawert-May, aus der Lausitz gebürtiger Unternehmensethiker, lebt in Berlin. Letzte Veröffentlichungen "Die Hi-Society" (2010), "Roma Amor - Preußens Arkadien" (2011).
www.grawert-may.de
Hojotoho – das war auch das Begleitmotiv bei der Hubschrauberattacke im Film "Apocalypse now". Etwas Apokalyptisches haftet diesen verwunschenen Mädchen an. Sie sind in Wagners "Ring des Nibelungen" die Vorreiterinnen der Götterdämmerung. Ein kolossales Werk, das mitsamt dem Dramaturgen, der es schuf, bis heute auf eine zwiespältige Resonanz stößt.
War der Hauskomponist Hitlers ein Antisemit, war er keiner – nach allem, was das nun schon fortgeschrittene Wagner-Jahr gebracht hat, wird man sich vor zu eindeutigen Aussagen darüber hüten müssen. Zweifel aber bleiben.
Ganz ohne Zweifel oder Zwiespalt können wir ihm jedoch begegnen, wenn wir an den deutschen Widerstand vom 20. Juli 1944 denken. Unter dem Code-Namen "Operation Walküre" wurde der Hauskomponist Hitlers zu dessen Intimfeind verwandelt.
Schon im 1. Weltkrieg war es Usus gewesen, bestimmte Frontabschnitte mit Protagonisten aus Wagners Nibelungen-Epos zu benennen. Man denke an die Wotan-, Hunding- und Brunhilde-Stellung, oder an die Siegfried-Linie. Entsprechendes geschah im Zweiten Weltkrieg, wo gewisse Einsatzpläne unter Decknamen wie Rheingold oder Kriemhild kursierten.
Eine Operation namens Walküre, die nach gelungenem Attentat auf Hitler den Verschwörern die Schlüsselstellungen der Macht sichern sollte, war deshalb gut gewählt. Unter "Umkehrung des Ursprungsgedankens", wie der bedeutende Hitler-Biograf Joachim Fest es genannt hat, richtete sich diese Operation nicht, wie ursprünglich geplant, gegen irgendwelche Feinde im Osten oder Westen, sondern gegen den Diktator selber.
Die Operation misslang. Er überlebte, sie wurden Opfer seiner Rache. Das hindert uns nicht daran, auch am 20. Juli 2013 Wagners zu gedenken, wie schon das ganze Jahr über. An diesem Tag aber besonders der Walküren, jener Todesengel, die 1944 leider keinen Leichnam mit sich führten, sondern selbst zu Tode kamen.
Zweifelhaft ist dieses Mal nicht Wagner und sein Opernpersonal, zweifelhaft ist, ob die Verschwörer des 20. Juli schon auf Walhall angekommen sind. Wenn doch, dann wäre da kein Wotan, der sie zum Leben wiedererweckte. Wir müssen immer wieder froh darüber sein, dass ihrer von Staats wegen gedacht wird. Auch in diesem Jahr.
Aber sind sie auch in der Gesellschaft angelangt? Nach dem Krieg wurden sie weithin als Staatsfeinde betrachtet. Zwischendurch besserte sich das Bild. Eine gewisse politisch neutrale Haltung schien sich breit gemacht zu haben. Unterdessen hat sich das Bild wohl wieder gewandelt.
Heute dürfte die Ansicht auf immer größere Zustimmung stoßen, die Widerständler seien keine lupenreinen Demokraten gewesen, daher die Daumen runter. Ein Mann vom Schlage Putins genießt unter uns mehr Verehrung als sie.
Wie wär's, wenn wir beim Hören des Schlachtrufs der Walküren immer ihrer gedächten? Oder wenn wir beim Sehnsuchtsmotiv Tristans die Tristanstraße 8 am Wannsee vor Augen hätten? Dort wohnte Stauffenberg. Dort traf er sich oft mit den Verschwörern.
Ein Hoch auf Wagner am 20. Juli. Hojotoho!
Erik von Grawert-May, aus der Lausitz gebürtiger Unternehmensethiker, lebt in Berlin. Letzte Veröffentlichungen "Die Hi-Society" (2010), "Roma Amor - Preußens Arkadien" (2011).
www.grawert-may.de