Opern wie ein Teil des normalen Lebens
Als Opernkomponist war er ein Spätberufener, doch Leos Janacek ist heute nach Puccini und Richard Strauss der meistgespielte "Tondichter" des 20. Jahrhunderts. Michael Füting hat dem vielschichtigen Leben des tschechischen Feministen und Nationalisten eine leidenschaftliche Biografie gewidmet.
"Jenufa ist eine der schönsten Opern, die je geschrieben wurden. Wer sie gehört hat, wird sie nicht vergessen. Wer sie erlebt hat, wird die Welt anders begreifen. Sie nimmt Anteil an den handelnden Personen, ohne eine von ihnen zu verurteilen. Sie kann aus tiefstem Herzen vergeben. Musik, die so viel Liebe in sich trägt, ist äußerst selten. Sie sollte jeden Tag gespielt werden."
Die hymnischen Worte stammen vom Dirigenten Ingo Metzmacher. Michael Füting hat sie an den Anfang seines Kapitels über Janaceks erste Oper gestellt und zitiert im weiteren Verlauf sogar Metzmachers Inhaltsangabe des Werks, weil Musiker - laut Füting - die Inhalte einer Oper viel angemessener erzählen können.
Füting selbst nähert sich dem Komponisten als Theatermann und langjähriger Dramaturg, vor allem aber als Janacek-Fan seit frühester Jugend. Anschaulich erzählt er, wie er Anfang der 60er-Jahre eine Klassenreise nach Berlin nutzt, um im Ostteil der Stadt "Das schlaue Füchslein" in der Inszenierung von Walter Felsenstein an der Komischen Oper zu erleben. Dessen legendäre Produktion verhalf dem Werk zu seinem Durchbruch auf deutschen Bühnen und machte es zum Inbegriff des modernen Musiktheaters schlechthin. Heute ist der mährische Komponist nach Puccini und Richard Strauss der meistgespielte Opernkomponist des 20. Jahrhunderts.
Und doch gilt seine kleinteilige, an großen Melodienbögen arme Bühnenmusik - im Gegensatz etwa zu den beliebteren kammermusikalischen Stücken - als schwierig und spröde. Die tschechische Sprache macht die Rezeption nicht leichter. All dies sollte nicht abschrecken, lautet die leidenschaftliche Botschaft dieses Buchs, so vielschichtig sind die Facetten rund um Leben und Werk des Opern-Komponisten:
"Seine ganz und gar originelle Auffassung von Musik, sein über Musik hinausgehendes Interesse am Menschen, seine Philosophie, sein Mut, seine Beharrlichkeit, seine Liebe, sein merkwürdiges Leben. Und so dachte ich: Das Janacek-Buch, auf das Du wartest, musst Du dir selbst schreiben."
Ein durchweg unkonventioneller Ton zeichnet diese Biographie aus – (so nonkonformistisch wie ihr Protagonist?): Sie ist subjektiv, leidenschaftlich und pragmatisch in der Auswahl ihrer Quellen, dabei aber klar strukturiert. Die sechs großen Opern werden jeweils unter einer bestimmten Fragestellung vorgestellt (Katja Kabanova: "Wie man aus einem Theaterstück eine Oper macht"). Vorangestellt ist das zentrale Kapitel "Musik und Sprache", in dem per Eilflug die Theatergeschichte seit Monteverdi skizziert wird. Dessen Musikdramen mit gleichberechtigtem Nebeneinander von Wort und Musik stehen Janacek weitaus näher als das arien-zentrierte Belcanto späterer Jahrhunderte.
Auf Notenbeispiele und wissenschaftliche Exkurse verzichtet Füting. Das Interesse gilt nicht der Musikanalyse, sondern dem singulären Phänomen Janacek, dem Feministen, Nationalisten, spätberufenen Opernkomponisten, der unterschiedlichste Stoffe für seine Werke wählte – von Dostojewskij bis hin zu einer gezeichneten Geschichte aus der Zeitung. Vor allem aber entwickelte er die traditionelle Musik seiner mährischen Heimatregion zur Keimzelle seines Werks, orientierte sich rigoros an der Melodie und dem Tonfall gesprochener Sprache. Das macht seine Musik so wahrhaftig – wie einen Teil des realen Lebens. Während der zehnjährigen Arbeit an der "Jenufa" notierte der Komponist:
"Ich lauschte der Rede der Vorübergehenden, ich las in ihrem Gesichtsausdruck, meine Augen verfolgten jede Regung , ich beobachtete die Umgebung der Sprechenden, die Gesellschaft, die Zeit, das Licht und die Dunkelheit, die Kälte und die Wärme. Den Widerschein all dessen fand ich in dem notierten Sprechmotiv. Wie viele Sprechmotiv-Variationen ein und denselben Wortes es gab! (…) Ich vernahm darin die Trauer und den Freudenschimmer, die Entschlossenheit und den Zweifel – ich fühlte im Sprechmotiv die Rätsel der Seele. Jemand schwatzte mir vor, nur der reine Ton bedeute etwas in der Musik. Und ich sage, dass es gar nichts bedeutet, solange er nicht im Leben, im Blut, in der Umwelt steckt (…)"
Die hymnischen Worte stammen vom Dirigenten Ingo Metzmacher. Michael Füting hat sie an den Anfang seines Kapitels über Janaceks erste Oper gestellt und zitiert im weiteren Verlauf sogar Metzmachers Inhaltsangabe des Werks, weil Musiker - laut Füting - die Inhalte einer Oper viel angemessener erzählen können.
Füting selbst nähert sich dem Komponisten als Theatermann und langjähriger Dramaturg, vor allem aber als Janacek-Fan seit frühester Jugend. Anschaulich erzählt er, wie er Anfang der 60er-Jahre eine Klassenreise nach Berlin nutzt, um im Ostteil der Stadt "Das schlaue Füchslein" in der Inszenierung von Walter Felsenstein an der Komischen Oper zu erleben. Dessen legendäre Produktion verhalf dem Werk zu seinem Durchbruch auf deutschen Bühnen und machte es zum Inbegriff des modernen Musiktheaters schlechthin. Heute ist der mährische Komponist nach Puccini und Richard Strauss der meistgespielte Opernkomponist des 20. Jahrhunderts.
Und doch gilt seine kleinteilige, an großen Melodienbögen arme Bühnenmusik - im Gegensatz etwa zu den beliebteren kammermusikalischen Stücken - als schwierig und spröde. Die tschechische Sprache macht die Rezeption nicht leichter. All dies sollte nicht abschrecken, lautet die leidenschaftliche Botschaft dieses Buchs, so vielschichtig sind die Facetten rund um Leben und Werk des Opern-Komponisten:
"Seine ganz und gar originelle Auffassung von Musik, sein über Musik hinausgehendes Interesse am Menschen, seine Philosophie, sein Mut, seine Beharrlichkeit, seine Liebe, sein merkwürdiges Leben. Und so dachte ich: Das Janacek-Buch, auf das Du wartest, musst Du dir selbst schreiben."
Ein durchweg unkonventioneller Ton zeichnet diese Biographie aus – (so nonkonformistisch wie ihr Protagonist?): Sie ist subjektiv, leidenschaftlich und pragmatisch in der Auswahl ihrer Quellen, dabei aber klar strukturiert. Die sechs großen Opern werden jeweils unter einer bestimmten Fragestellung vorgestellt (Katja Kabanova: "Wie man aus einem Theaterstück eine Oper macht"). Vorangestellt ist das zentrale Kapitel "Musik und Sprache", in dem per Eilflug die Theatergeschichte seit Monteverdi skizziert wird. Dessen Musikdramen mit gleichberechtigtem Nebeneinander von Wort und Musik stehen Janacek weitaus näher als das arien-zentrierte Belcanto späterer Jahrhunderte.
Auf Notenbeispiele und wissenschaftliche Exkurse verzichtet Füting. Das Interesse gilt nicht der Musikanalyse, sondern dem singulären Phänomen Janacek, dem Feministen, Nationalisten, spätberufenen Opernkomponisten, der unterschiedlichste Stoffe für seine Werke wählte – von Dostojewskij bis hin zu einer gezeichneten Geschichte aus der Zeitung. Vor allem aber entwickelte er die traditionelle Musik seiner mährischen Heimatregion zur Keimzelle seines Werks, orientierte sich rigoros an der Melodie und dem Tonfall gesprochener Sprache. Das macht seine Musik so wahrhaftig – wie einen Teil des realen Lebens. Während der zehnjährigen Arbeit an der "Jenufa" notierte der Komponist:
"Ich lauschte der Rede der Vorübergehenden, ich las in ihrem Gesichtsausdruck, meine Augen verfolgten jede Regung , ich beobachtete die Umgebung der Sprechenden, die Gesellschaft, die Zeit, das Licht und die Dunkelheit, die Kälte und die Wärme. Den Widerschein all dessen fand ich in dem notierten Sprechmotiv. Wie viele Sprechmotiv-Variationen ein und denselben Wortes es gab! (…) Ich vernahm darin die Trauer und den Freudenschimmer, die Entschlossenheit und den Zweifel – ich fühlte im Sprechmotiv die Rätsel der Seele. Jemand schwatzte mir vor, nur der reine Ton bedeute etwas in der Musik. Und ich sage, dass es gar nichts bedeutet, solange er nicht im Leben, im Blut, in der Umwelt steckt (…)"
Michael Füting: Leos Janacek. Das Operngenie. Eine kleine Biographie
Transit Verlag, Berlin 2013,
128 Seiten, 16, 80 Euro
Transit Verlag, Berlin 2013,
128 Seiten, 16, 80 Euro