Opernsängerin und Gamerin Devin Kemp
Sopranistin Devin Kemp bei der Gesangsbegleitung eines Onlinespiels. © Devin Kemp / Screenshot "devindiscovers"
Arien zwischen Monsterkämpfen
05:23 Minuten
Wenn die Opernhäuser geschlossen sind, dann bringe ich die Oper eben zu den Menschen, hat sich Devin Kemp gedacht. Die studierte Opernsängerin singt seit der Pandemie online Arien, und zwar in der Videospiele-Community.
Ein Jüngling mit spitzen Ohren und grüner Zipfelmütze kämpft gegen drei schwarze Monster. Gesteuert wird der Held von Devin Kemp. Die 31-jährige US-Amerikanerin sitzt mit makellos frisierten Haaren in einem Gamerstuhl vor einem Greenscreen in ihrem Berliner WG-Zimmer. Die Menschen, die Kemp von überall auf der Welt beim Spielen zuschauen, sehen hinter ihr die Fabelwelt des Videospiels "Twilight Princess".
Nutzer zahlen für Gesang
Zigtausende streamen Videospiele. Aber bei Kemp kommt noch etwas dazu: Sie singt "Porgi amor", die Arie aus Mozarts "Le nozze di Figaro". Während sie das Lamento der betrogenen Gräfin interpretiert, reitet hinter Kemp der Held des Videospiels durch eine karge Landschaft. Eigentlich wollte Kemp auf deutschen Opernbühnen singen. 2019 hatte sie ein vielversprechendes Vorsingen bei einer Agentur:
"Sie haben gesagt: 'Wir würden Sie gerne noch einmal hören. Würden Sie uns noch mal im Frühling vorsingen?' Im Frühling 2020 kam Corona und damit der Lockdown. Da habe ich mich gefragt: Was mache ich jetzt bloß?"
Sie spielte wie schon zuvor Videospiele, übertrug das nun aber live ins Internet, um dafür Geld von den Nutzern zu erhalten. Gleich bei ihrem ersten Stream erfuhren ihre Follower, dass sie studierte Opernsängerin ist. Sie forderten sie auf, etwas zu singen. Seitdem kombiniert Kemp Videospiel mit Operngesang.
Fragen beantworten im Livechat
Ein Foto des Nutzers Fraser Ross wird eingeblendet. Er hat Devin 300 Sterne gespendet, die drei Dollar wert sind. Und sie tanzt in ihrem Gamerstuhl zur Erkennungsmusik des Nutzers. Zu solchen spontanen Zahlungen kommt noch das regelmäßige Geld von Abonnenten. Insgesamt kann Kemp davon leben.
Die Sängerin genießt es, wenn die Blicke auf sie gerichtet sind. Wenn schon nicht in der Oper, dann eben in der virtuellen Gamerwelt. Geduldig beantwortet sie jede Frage im Livechat, erklärt das Videospiel, Atemtechnik und Mozarts Musik.
Eine der Spenderinnen ist Nicola O'Brien, die Kemps Streams aus Irland folgt. Sie selbst hatte vorher keinen Bezug zur Oper. Nun zahlt sie regelmäßig für Kemps Arien. Doch warum kauft sie nicht stattdessen CDs mit Opernmusik?
"Das hat mit dem persönlichen Kontakt zu tun", erläutert O'Brien. "Mit ihrem Stream ermöglicht Devin mir den Kontakt mit ihr und anderen Menschen. Das ist besonders in dieser Zeit der Pandemie wichtig und schön. Wenn Devin singt, haut es mich um. Das live zu erleben, ist etwas anderes, als Opernmusik zu kaufen, die schon vorher aufgenommen wurde."
Schwierigkeiten nach Covid-Erkrankung
Inspiriert von Kemp will O'Brien nun unbedingt auch mal eine Oper besuchen. Die Sängerin hofft wiederum, bald auf einer Opernbühne zu stehen. Im Herbst 2020 bekam Kemp Covid-19, war mit Atemproblemen im Krankenhaus. Nun fürchtet sie, Long Covid zu haben:
"Seit der Zeit vor Covid habe ich keine komplette Oper mehr gesungen. Mir ist aufgefallen, dass selbst in den Liedern, die ich normalerweise wie im Schlaf beherrsche, ich nicht mehr in der Lage bin, die kompletten Phrasen so zu meistern wie vorher."
Wenn es doch noch mit einem Engagement an einem Opernhaus klappt, will Kemp allerdings weiter in der Videospieleszene Arien singen:
"Die elitäre Welt der Oper ist eine geschlossene Gesellschaft, die Menschen abschrecken kann. Wenn ich da eine Brücke schlagen könnte, indem ich Menschen, die von sich aus niemals eine Oper sehen würden, genau dazu ermutige, könnte das richtig cool werden."