Opfer der eigenen Selbstüberschätzung

Von Michael Horst |
Wagners Oper über den machthungrigen, römischen Aufsteiger Cola di Rienzi bietet durchaus politischen Stoff. Doch der Brasilianer Hugo de Ana interpretiert die Figur aus dem 14. Jahrhundert als tragischen Helden und verzichtet auf Bezüge zu "Rienzi"-Bewunderern wie Hitler und Mussolini.
"Seid mir gegrüßt, ihr Römer all,
Ha, welch ein Anblick beut sich mir dar!
Der Friede hoch! Lang lebe Rom!"


"Süffig" ist eine gute Umschreibung für die Operninszenierungen des Argentiniers Hugo de Ana. Und darin macht auch seine neue "Rienzi"-Produktion an der römischen Oper keine Ausnahme. Mit brillantem Gespür für visuelle Wirkungen stellt er bei Richard Wagners Rom-Oper ein einzelnes Requisit – wie eine Reiterstatue oder den Fuß der Trajanssäule – in den Mittelpunkt der Bühne und leuchtet es perfekt aus. Die Kampfszenen hat er allerdings genauso gestrichen wie die Tanzeinlagen, so dass insgesamt eine erträgliche Aufführung von knapp vier Stunden Länge zu Buche steht.

In Wagners "großer tragischer Oper", 1842 uraufgeführt, wird die Geschichte des charismatischen Emporkömmlings Cola di Rienzo geschildert, der die Kämpfe zwischen verfeindeten Adelsfamilien nutzt, um sich selbst an die Spitze zu setzen – nur so könne der Glanz des antiken Rom erneuert werden. Zuerst versteht er es, mit flammenden Reden das Volk auf seine Seite zu ziehen, dann überzieht er jedoch in seiner Machtgier mehr und mehr den Bogen, und zum Schluss wird er ein Opfer seiner Selbstüberschätzung.

Da hätte man durchaus Parallelen zwischen Rienzi und dem Aufstieg und Fall des Duce Benito Mussolini ziehen können, der am Ende seines Lebens auch von Partisanen erschossen und öffentlich zur Schau gestellt wurde. Aber politisch will Hugo de Ana nicht werden, er bevorzugt die romantische Interpretation, den Blick auf den romantischen Mythos vom antiken Helden, der schon in Edward Bulwer-Lyttons Romanvorlage erblühte und bis zu den Diktatoren und "Rienzi"-Bewunderern Hitler und Mussolini weiterwirkte.

Allerdings muss man berücksichtigen, dass die römische Oper – dem Wagner-Jahr sei Dank – erstmals überhaupt in Italien die deutsche Originalfassung auf die Bühne gebracht hat. 1969 in Rom beziehungsweise 1964 in Mailand wurde stets noch italienisch gesungen, in der poetischen Übersetzung des Verdi-Librettisten Arrigo Boito.

Aus dem fast durchgehend deutschsprachigen Ensemble stach der Österreicher Andreas Schager vor; er stürzte sich mit vollem Elan in die flammenden Ansprachen des Volkstribuns, hatte aber auch noch Kraft und schöne Linie für Rienzis berühmtes Gebet im fünften Akt. Angela Denoke - in der Hosenrolle des Adriano Colonna - und Manuela Uhl - als Rienzis Schwester Irene - standen ihm intensiv und beherzt singend zur Seite. Stefan Soltesz, Generalmusikdirektor in Essen, konnte seine lange Erfahrung mit Wagner vorteilhaft für den großen Spannungsbogen des langen Abends einsetzen.

Den Römern dürfte es besonders gefallen haben, dass hier nicht nur ihre Stadt zum Schauplatz einer Oper wurde, sondern auch noch die eigene Geschichte, mit einer Figur die tatsächlich existiert hat, verhandelt wird. Immer wieder werden sie direkt, als Bürger der Stadt, mit ihrer Geschichte und ihrer glänzenden Zukunft, angesprochen. Insofern überraschte es nicht, dass der Applaus am Ende üppig ausfiel.