Dealer in weißen Kitteln
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In den USA sterben täglich rund 130 Opioid-Süchtige. Statistisch ist die Schmerzmittel-Sucht die häufigste Ursache für vorzeitige Todesfälle. Schuld daran sind Ärzte, die von der Pharmaindustrie geködert, allzu leichtfertig Rezepte verschreiben.
Alles begann mit einer Migräne. Claire Patterson aus dem Süden des Bundesstaates Mississippi war 19 Jahre alt, als sie wegen der Beschwerden zum Arzt ging. Die Praxis kam ihr seltsam vor. Manche Patienten warteten bis zu vier Stunden bis sie an der Reihe waren. Keiner protestierte, die meisten wollten eigentlich nur ein Rezept – wie Claire.
"Ich bekam 90 Tabletten für einen Monat. 90 Percocet für Migräne sind unfassbar viel. Wenn man Schmerzen hat, soll man eine Tablette nehmen, aber das Rezept sah drei pro Tag vor. So war mir das Medikament verschrieben worden. Es war unerhört."
Percocet besteht aus Paracetamol und Oxycodon. Oxycodon ist ein Opioid, das nur bei sehr starken Schmerzen gegeben werden sollte. Es enthält Schlafmohn und hat ein hohes Suchtpotenzial. Dass der Arzt Claires Behandlung mit einem Opioid-haltigen Mittel startete, widerspricht der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation. In einem 3-Stufen-Modell sollen laut WHO zuerst Schmerzmittel ohne Opioide versucht werden, dann schwache bis mäßig starke opioide Medikamente und schließlich stark wirksame. Keine der vorherigen Stufen sollte übersprungen werden.
"Diese Mittel werden übertrieben oft und keineswegs nur bei Schmerzen eingenommen oder viel zu lange. Ein Patient mit einer Knieoperation hat Schmerzen, dann bekommt er ein Opioid. Aber nicht lange. Wenn man Opioide nur sehr kurz einsetzt, nicht länger als unbedingt nötig, ist die Gefahr, abhängig zu werden, nicht so groß. Bei Kopfschmerzen ist ein Opioid gar nicht angezeigt." Dies sagt Dr. Kallol Saha. Er arbeitet als Medizinischer Direktor am Therapiezentrum Turning Point in Southampton/ Tennessee. Claire Patterson ist seine Patientin. Die heute 25-Jährige hat zwei Kinder. Sie wirkt aufgeräumt und ist bereit, ihre Geschichte detailliert zu erzählen.
In diesem Jahr starben jeden Tag rund 130 Opioid-Süchtige
Als wir im Erdgeschoss durch den Gang an den Gruppenräumen vorbeigehen, legt sie beide Hände auf die schmalen Hüften und berichtet stolz, dass sie in den letzten Wochen etwas zugenommen hat, denn durch die jahrelange Tablettenabhängigkeit hätte sie viel zu viel Gewicht verloren. Claire Patterson, die sich für das Interview sorgfältig zurechtgemacht hat, mit frisch gewaschenem Haar und aufwändigem Make-up, hat eine über fünf Jahre lange Odyssee hinter sich, die sie fast umbrachte.
Nirgendwo werden in den USA so viele Opioid-Rezepte ausgestellt wie in Tennessee. Auf 100 Personen 94 Rezepte, 30 mehr als im Durchschnitt. In diesem ländlich geprägten Bundesstaat, durch den der Mississippi fließt und in dem nicht einmal sieben Millionen Menschen leben, gab es 2017 1300 Drogentote. So viele wie in ganz Deutschland, mit einer Bevölkerung von über 80 Millionen Einwohnern.
Die USA haben seit dem Jahr 2000 durch die Opioid-Krise so viele Menschen verloren wie für das Land im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Das Weiße Haus schrieb in einer Pressemeldung, dass in diesem Jahr jeden Tag rund 130 Opioid-Süchtige gestorben sind, in der Statistik für vorzeitige Todesfälle ist dies die häufigste Ursache.
"Wenn ich die Pillen nahm, ging es mir großartig"
Claire Patterson hat ihre Kopfschmerzen von damals noch nicht einmal als besonders heftig in Erinnerung. Dennoch hielt sie sich an die Dosis wie vorgeschrieben, drei Tabletten pro Tag. Sie erzählt: "Wenn ich die Pillen nahm, ging es mir großartig. Ich hätte sie gern früher gehabt. Mir ging es noch nie in meinem ganzen Leben so gut wie mit diesem Medikament. Ich hatte keinerlei Schmerzen mehr und bekam viel mehr Dinge geregelt. Ich hatte sogar das Gefühl, eine bessere Mutter zu sein. Ich war energiegeladen. Am Anfang war das richtig toll."
Nachdem die Packung aufgebraucht war, wachte sie eines Morgens auf und fühlte sich miserabel. "Ich war müde", sagt sie, "mir war übel, ich hatte Magenschmerzen und war unsagbar ängstlich. Heute weiß ich, dass das Entzugserscheinungen waren. Aber damals wandte ich mich wieder an diesen Arzt und bekam ein neues Rezept. Dann stellte ich fest, dass ich, um das gleiche herrliche Gefühl zu bekommen, immer mehr Tabletten brauchte."
Als sie merkte, was mit ihr geschehen war, stand ihr Arzt plötzlich nicht mehr zur Verfügung. Sie ging zum nächsten, zum übernächsten, immer auf der Jagd nach einem weiteren Rezept. "Ich kaufte zusätzlich Pillen von der Straße", erzählt sie. "Denn so viele, wie ich inzwischen brauchte, hätte mir kein Doktor verschrieben. Doch diese Tabletten vom Schwarzmarkt hatten ganz andere Wirkstoffe. Sie gefielen mir sogar noch besser."
Freunde, die Marihuana rauchten, kannten Straßenhändler, die alles an Drogen verkauften, was auf dem Markt kursierte. Auch Opioid haltige Tabletten, 30 Dollar pro Pille. Die junge Mutter brauchte zehn am Tag, also 300 Dollar. Bekam sie sie nicht, litt sie; weitaus schrecklicher als bei einem Migräne-Anfall. "Ich fühlte mich unbeschreiblich elend. Ich habe eine hohe Schmerztoleranz, aber das war nicht auszuhalten", sagt sie. "Der Magen war kaputt und reagierte auf jede erdenkliche Weise, das gesamte Verdauungssystem war über Monate heruntergefahren worden und machte sich jetzt bemerkbar. Ich zitterte und fror, mir brach kalter Schweiß aus, kurz darauf schwitzte ich unsäglich. Aber das allerschlimmste war die extreme Angst. Ich dachte bislang, dass Leute mit Panik-Attacken ein bisschen theatralisch sind, aber das, was ich erlebte, war das furchtbarste Gefühl der Welt. Und dann nimmst du eine einzige Tablette und das alles ist sofort weg."
Quälende Entzugserscheinungen
Claire Pattersons kleiner Sohn bekam nicht mit, wie schlecht es ihr oft ging. Schließlich vertraute sie sich ihrer Mutter an. Die informierte Claires Mann. Dass sie so offen mit ihrer Sucht umging, lag an ihrer Zuversicht, dass sie sie besiegen würde. Und einmal, in ihrer zweiten Schwangerschaft, gelang es ihr sogar. Sie reduzierte vorsichtig die Zahl der Schmerztabletten, denn sie wollte auf keinen Fall, dass ihr Kind schon süchtig zur Welt kommt und sein Leben mit quälenden Entzugserscheinungen beginnt, sagt sie. "Es sind die gleichen wie bei Erwachsenen: Angst, Magenprobleme. Die Babys können nicht schlafen, sind sehr irritiert und wie ich in Videos gesehen habe, weinen sie die ganze Zeit."
Nach der Entbindung, die ein Kaiserschnitt war, begann der Kreislauf von neuem. Schwarzhändler betrogen sie, verkauften ihr anstelle von dem semisynthetischen Oxycodon Fentanyl. Doch Fentanyl ist ein rein synthetisches Opioid und in der Wirkung mindestens hundertmal stärker. Die Folgen sind verheerend.
Vom Fentanyl bis zum Heroin war es für Claire Patterson dann nur noch ein kleiner Schritt. Claire, die beim Sprechen oft lebhaft gestikuliert, hält plötzlich inne, wickelt eine lange blonde Haarsträhne um ihren Zeigefinger. Sie erzählt: "Der Weg zu Heroin war kurz. Denn wenn du für die gleiche Wirkung, die zehn Pillen erzeugen, Heroin nimmst, zahlst du nur 40 Dollar statt 300!"
Die Abhängigkeit blieb, das berauschende Glücksgefühl aber stellte sich nicht mehr ein. Beim nächsten Entzug, den sie selbst probierte, dachte sie eine Woche lang, sie würde sterben. Einen Monat später litt sie noch immer unter Angst-Attacken und konnte nicht schlafen. Sie war hypernervös, bewegte unablässig ihre Arme und Beine, bekam Krämpfe. Bei einem besonders heftigen Anfall verletzte sie ihre Wirbelsäule schwer, bei einem Sturz schlug sie sich vier Zähne aus.
Opioid-Krise in der Mitte der amerikanischen Gesellschaft
Anders als in den 1980er-Jahren, in denen Crack eine tödliche Droge vor allem armer Menschen war, spielt sich die Opioid-Krise in der Mitte der amerikanischen Gesellschaft ab, sagt Willie Wells, der als Psychotherapeut in der Suchtklinik Turning Point arbeitet. "Ich habe Ärzte behandelt, Anwälte, Politiker und Obdachlose. Abhängigkeit hat nichts mit deinem Einkommen zu tun, deiner Rasse oder Ethnie. Abhängigkeit kommt überall vor."
Bei Willie Wells und anderen Psychotherapeuten lernt Claire Patterson, ihre Gefühle wieder zu verstehen und zu benennen, ihre Stimmungen auszubalancieren, um ihren Alltag künftig ohne Drogen meistern zu können. Fast 30 unterschiedliche Kurse werden den Patienten pro Woche angeboten.
Dass die Opioid-Krise immer größere Ausmaße erreicht, merken sie in der Suchtklinik an der zunehmenden Zahl der Patienten. Im Kampf gegen den Opioid-Missbrauch hat Präsident Trump den sogenannten Stopp Act unterschrieben.
Brian Sullivan, früher Journalist, heute Pressesprecher des Therapiezentrums Turning Point, hält dieses Gesetz für richtig und wichtig. Denn es stoppt den illegalen Import des im Ausland hergestellten Fentanyls, das als Billigdroge den US-Markt geradezu überflutet. China gilt als einer der Hauptproduzenten. Brian Sullivan sagt: "Das Gesetz erlaubt der Staatlichen Post, Pakete zu durchleuchten. Im Darknet, in dem schwer zugänglichen Teil des Internets, kaufen Leute ja alles, Drogen, Waffen, sogar Kinder. Die Drogen kommen oft per Post ins Land. Vor kurzem wurden bei einer gemeinsamen Aktion der Vereinigten Staaten und China neun Lieferanten gestoppt, die eine so große Menge Fentanyl in die USA bringen wollten, dass man damit Millionen Menschen hätte umbringen können. Schon eine sehr kleine Menge Fentanyl reicht, um jemanden zu töten."
Fentanyl ist für die Abhängigen eine Alternative zu den Opioiden der offiziellen Pharmafirmen, weil Fentanyl nur einen Bruchteil kostet. Allerdings macht es in Windeseile abhängig. Das Suchtpotential der von den Ärzten verschriebenen Opioide ist zwar viel geringer, aber doch deutlich höher als die Pharmaindustrie angegeben hat. Die Hersteller hätten vor ihren Medikamenten sehr viel eindringlicher warnen müssen, sagen Patienten, die die Firmen verklagt haben. Über 1000 Verfahren sind anhängig. Erste Vergleiche wurden geschlossen, die laut Beobachtern viel zu industriefreundlich ausgefallen seien. "Viele Arzneimittel-Hersteller finden, dass sie zu hart bestraft wurden", sagt Sullivan. "Ein Gericht hat eine Firma vor kurzem zu 502 Millionen Dollar verurteilt. Aber sie hatten Einnahmen von 82 Milliarden Dollar. Das muss man mal ins Verhältnis setzen."
Brian Sullivan kritisiert wie viele Insider außerdem die aggressive Marketingstrategie der Pharmafirmen: "Wir haben auch unethische Verkaufspraktiken beobachtet, massives Lobbyarbeit im Kongress zum Beispiel. Die Pharmaindustrie gab in den letzten Jahren mehr Geld als die Waffenlobby aus."
Grenze der Belastbarkeit von Krankenhäusern überschritten
Viele Ärzte haben sich mit Reisen oder teuren Essen ködern lassen, Opioide großzügig zu verordnen, die Kollegen treffe deshalb auch ein Teil der Schuld, findet Dr. Kallol Saha, der Medizinische Direktor von Turning Point.
Vor kurzem klagten auch Krankenhäusern und Kommunen, weil die Grenze ihrer Belastbarkeit längst überschritten sei. Zu den 28 Einrichtungen gehören auch die Saint Francis Kliniken von Memphis im Bundesstaat Tennessee. Wegen des laufenden Verfahrens war kein Vertreter zu einem Interview bereit, aber zu folgender schriftlichen Stellungnahme: "Unsere Krankenhäuser sind zusammen mit vielen anderen an vorderster Front bei der Behandlung der Patienten in dieser Krise und erleiden auf Grund dessen bedeutende finanzielle Verluste. Diese Ausgaben haben sich nachteilig auf andere Gesundheitsprogramme für unsere Patienten ausgewirkt."
In den USA werden die meisten Kliniken privat betrieben. Sie dürfen Notfälle nicht abweisen, auch wenn die Personen, die mit einer Überdosis kommen, keine Krankenversicherung oder Geld haben. Die Betreiber bleiben dann oft auf diesen Kosten sitzen. Auch etliche Landkreise trifft die Opioid-Krise hart, erklärt Brian Sullivan: "Unsere Strafverfolgungsbehörden, Rettungsdienste, Feuerwehren, also diejenigen, die zuerst auf Personen treffen, die eine Überdosis genommen haben, sind sehr häufig überarbeitet und unterfinanziert."
Das Weiße Haus hat die Bekämpfung der Opioid-Krise zur Chefsache erklärt. Das Hilfsprogramm sieht vor, mehr Naloxon zur Verfügung zu stellen. Naloxon ist ein Gegengift, das Patienten mit einer Überdosis als Nasenspray verabreicht wird und Menschenleben retten kann. Die bereitgestellte Menge stieg seit 2017 um das 500 fache. Dr. Saha hält das Spray für einen Segen: "Das ist ein sehr gutes Mittel, vor allem, weil man es inzwischen viel öfter mit Opioid-Patienten zu tun hat. Ich vergleiche das mit den Defibrillatoren. Wenn heute jemand mit Herzproblemen am Boden liegt, greifen wir viel häufiger zum Defibrillator, weil er zur Verfügung steht. Heute kann es das Opioid sein, das jemanden in Lebensgefahr bringt. Und da ist Naloxon wie in dem anderen Fall der Defibrillator das Mittel, das den Tod verhindern kann."
Abhängige bringen sich mit Überdosis in Lebensgefahr
Kritiker wenden ein, dass damit noch kein Drogenmissbrauch verhindert werde. Brian Sullivan gibt außerdem zu bedenken, dass das Mittel Opioid-Abhängige vielleicht sogar in zu großer Sicherheit wiege. Einige verließen sich immer öfter auf die Rettungsdienste, die damit routinemäßig ausgestattet sind. Brian Sullivan sagt: "Zu manchen Patienten kommen sie fünf oder sechs Mal am Tag, weil die sich gleich mehrfach mit einer Überdosis in Lebensgefahr bringen. Aber niemand kann die Person zu einer Behandlung zwingen, denn die ist freiwillig."
Im Bundesstaat Ohio wird jetzt bei jedem Opioid-Rezept automatisch auch Naloxon verschrieben. Die seit zehn Jahren andauernde Schmerzmittel-Krise hat ein kollektives Nachdenken über den Umgang mit Medikamenten und die Verschreibungspraxis eingeläutet. Jetzt gelten vielerorts strengere Regeln und Kontrollen, die Zahl der Opioid-Rezepte soll innerhalb von zwei Jahren, seit Trumps Amtsantritt, um ein Drittel gesunken sein. Ein Erfolg, den der US-Präsident sich selbst zuschreibt.
In Tennessee sind 2017 100 Menschen weniger am Opioid-Missbrauch gestorben als noch ein Jahr zuvor, da waren es 740.
Dr. Saha, der nicht nur in der Entzugsklinik, sondern parallel immer noch als Notarzt arbeitet, möchte aber auch die Patienten nicht völlig freisprechen: "Ich starte immer mit Ibuprofen und ähnlichen Mitteln. Aber es gibt Patienten, die sofort protestieren und ganz bestimmte Mittel verlangen. Dann beginnt ein Kampf. Für Kopfschmerzen darf man kein Opioid verschreiben, auf keinen Fall. Aber es gibt Patienten, die das nicht einsehen und dann verärgert sind. Aber ich bleibe dabei."
Brian Sullivan erklärt eine verbreitete Haltung unter seinen Landsleuten beim Umgang mit Schmerzen. Er sagt: "Wenn der Patient auch nur den geringsten Schmerz spürt und er kein Opioid bekommt, um den Schmerz auszuschalten, heißt es sofort, der Arzt würde seinen Patienten vernachlässigen."
Vor die Wahl gestellt: Gefängnis oder Therapie
Experten fordern einen ganzheitlichen Ansatz beim Schmerzmanagement. Der erste lautet: Vorbeugen, zum Beispiel bei Operationen – wenn möglich – minimalinvasiv vorzugehen. Die Opioid-Abhängigkeit hat sich bei Claire Patterson zur Heroinsucht ausgewachsen, die sie fast umgebracht hätte. Ihren Tiefpunkt erreichte die junge Frau, als die Polizei sie beim Fahren unter Drogeneinfluss erwischte und ins Gefängnis warf.
Sie erzählt: "Meine Familie holte mich nicht raus. Zehn Tage blieb ich in Haft und war sehr, sehr krank. In einem amerikanischen Gefängnis bekommt man keine Medikamente, keine Behandlung, nichts. Sie lassen dich sterben, jedenfalls dachte ich das. Ich wurde zu einem Jahr Bewährung verurteilt, in dem man ständig auf Drogen getestet wird. Drei Mal fanden sie was, ich schaffte es einfach nicht, clean zu bleiben. Deswegen wurde ich vor die Wahl gestellt: Gefängnis oder Therapie. Mein Vater, der die Behandlung vorher abgelehnt hat, weil ich schon einmal eine abgebrochen hatte, stimmte Gott sei Dank der Therapie zu, dafür bin ich sehr dankbar."
Zu 90 Tagen Therapie hatte das Gericht sie verurteilt. 74 hat sie bereits in der Klinik verbracht. Seit zweieinhalb Monaten ist Claire clean. Noch 25 Tage lang kann sie sich auf ein Leben ohne Drogen vorbereiten, dann wird sie auch erstmals ihre kleinen Kinder wiedersehen. Ihre Krankenversicherung kommt nur für den ersten Monat auf, der allein 30.000 Dollar kostet. Die anderen beiden Monate will ihre Familie übernehmen.
Für weniger gutsituierte Patienten findet Turning Point oft Sponsoren. Keinem, versichert Brian Sullivan, solle aus finanziellen Gründen Hilfe verwehrt bleiben. Laut Präsident Trump stellt der Staat auch für die Behandlung mehr Mittel zur Verfügung. Der Pressesprecher der Therapieeinrichtung, hofft auch auf Geld von der Pharmaindustrie: "Die vielen Prozesse im Land gegen Pharmafirmen haben weniger mit Vergeltung oder Strafe zu tun, sondern damit, dass in dieser Krise den Kommunen die Mittel ausgehen."
Claire Patterson, die einem Leben ohne Opioide so nahe ist wie seit über fünf Jahren nicht, überlegt noch, ob sie gegen den Arzt klagt, der ihr das falsche Migräne-Mittel verschrieben hat. Sie zögert: "Schließlich war ich es, die die Tabletten genommen hat. Als er sah, dass ich von ihnen abhängig geworden war, hat er andere Mittel vorgeschlagen. Aber da wollte ich schon nur noch die."
Aber für sie steht fest: Dieser Arzt war ihr erster Dealer. Ein Dealer im weißen Kittel.