Kritischer Brief macht Regierung in Peking nervös
Der chinesische Staatspräsident und Chef der Kommunistischen Partei, Xi Jinping, scheint nicht nur bei Dissidenten, sondern auch in den eigenen Reihen umstritten zu sein. Dies legt ein Internet-Posting nahe, das in China weite Kreise zog.
In China sind offenbar mehrere Menschen im Zusammenhang mit einem offenen, regierungskritschen Brief festgenommen worden: Der Brief war Anfang März auf der Internetseite "Wujie News" aufgetaucht und von "treuen kommunistischen Parteimitgliedern" unterzeichnet worden.
Auf der Website war das Posting etwa acht Stunden lang zu lesen und wurde in dieser Zeit fleißig kopiert und herumgereicht.
Offener Brief war ungewöhnlich lange sichtbar
Dass der Text so lange online stand, sei ungewöhnlich in einem Land, in dem selbst leicht kritische Postings in Sekundenschnelle gelöscht würden, meint der Journalist Shi Ming im Deutschlandradio Kultur.
Die Vorwürfe im Bereich der Innenpolitik beinhalteten etwa die Beratungsresitenz von Parteichef Xi Jinping, der sich nicht einmal mehr von seinen Weggenossen etwas sagen lasse. Es gehe um Willkür beim Anti-Korruptionskampf oder dass Menschen einfach spurlos verschwinden und rechtsstaatliche Regeln in China missachtet werden, erläutert Ming.
In der Außenpolitik würden vor allem Chinas Repressionen gegen Hongkong und seine Aktivitäten im südchinesischen Meer thematisiert. Besorgnis errege bei den Verfassern zudem, dass China keinen einzigen befreundeten Staat in Ostasien mehr habe.
Möglicherweise sind enttäuschte Kommunisten Verfasser
Ming vermutete daher, dass die Verfasser auf hohen Regierungsebenen anzusiedeln seien:
"Insofern ist es schon glaubwürdig, dass da nicht die Dissidenten direkt, sondern die enttäuschten Kommunisten dahinter stecken, also Mitglieder der Kommunistischen Partei, die mit der Politik der eigenen Partei nicht einverstanden sind. Und das macht die Lage besonders kritisch, weil eben diese Kommunisten offenbar auch Protektoren sehr hoch in oberen Etagen, beispielsweise im Politbüro, haben könnten."
Die aktuellen Verhaftungen wertete Ming als Panik-Aktionen einer Regierung, die sich nicht mehr so sicher in ihrem Sattel fühle.