Impfen, anpacken, zusammenhalten
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Zwei Millionen Geimpfte am Tag – das sind Zahlen, von denen Europäer nur träumen können. Mit sehr viel Geld und Pragmatismus arbeiten die USA am Ausweg aus der Pandemie. Das motiviert die Menschen, schafft Vertrauen und hebt die Stimmung.
Nach dem Corona-Chaos während der ersten Welle zeigen sich die USA beim Organisieren und Verabreichen der Impfungen als vorbildlich. "Bis Ende Mai sind alle Bürgerinnen und Bürger geimpft", verspricht Präsident Joe Biden und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Plan auch eingehalten wird.
Impfen im Supermarkt
"Geimpft wird überall", versichert USA-Korrespondent Marcus Pindur, "und zwar an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr." Sportstadien, Drive-Throughs, aber vor allem auch Apotheken in größeren Supermärkten sind wichtige Stützpunkte bei der Verteilung des Impfstoffs in ländlichen Gebieten.
Dass hierzulande ernsthaft noch bis gestern darüber diskutiert wurde, ob Hausärzte impfen dürfen, stößt auf Unverständnis. "Solche Gedanken sind hier völlig fremd", erklärt Marcus Pindur, "ich hole mir jedes Jahr meine Grippeimpfung in der Apotheke ab."
Finanziell wird die Pandemiebekämpfung mit atemberaubenden Summen flankiert. "Das Gesetz, das am Samstag durch den Senat gegangen ist, umfasst 1,9 Billionen Dollar. Das ist das fünffache eines deutschen Bundeshaushaltes im Jahr", so Pindur.
Damit werden auch Bildungseinrichtungen und Arbeitslose unterstützt. Das geschieht auf Pump, denn man hofft auf die Erholung der Wirtschaft nach der Pandemie, so wie dies auch nach der Finanzkrise geschah. Für Präsident Joe Biden ist die Pandemiebekämpfung Chefsache, weil seine Präsidentschaft daran gemessen werden wird.
"New York kommt aus dieser Krise heraus, ganz sicher"
Die positiven Signale und das gelingende Impfen heben die Stimmung im Land enorm. Optimismus macht sich breit, man ist stolz auf das Erreichte.
In New York City, wo die Uhren schneller gehen als anderswo, krempeln die Menschen die Ärmel hoch, entwickeln Pläne und Perspektiven, berichtet Korrespondentin Antje Passenheim: "Shelby Veazey zum Beispiel. Die 30-Jährige war vor der Pandemie Nachhaltigkeitsberaterin für Hotels. Dann brach alles zusammen. Die Häuser machten zu. Shelby verlor ihre Aufträge. Sie dachte um, kaufte sich einen Van und zog ihr neues Geschäft auf."
Heute holt Shelby Sperrmüll von Veranden und Hauseingängen und arbeitet die Möbel wieder auf – erfolgreich: "Die Leute lieben Schreibtische. Vielleicht liegt es an dem Homeoffice-Ding. Aber Schreibtische sind superbeliebt. Ich will so viele Menschen wie möglich einstellen – mit unterschiedlichen Fähigkeiten, um die Möbel zu restaurieren. Schreiner, Schneider. Ich hoffe, etwas zu bewegen."
Richard Drew, der als Pressefotograf schon viele Krisen in New York bebildert hat, sogar Augenzeuge beim Einsturz der Zwillingstürme am 11. September 2001 war, ist sich sicher: "Natürlich kommt New York aus dieser Krise raus. Wir kommen aus all unseren Krisen raus. Weil wir eine Stadt mit vielen Kulturen und starken Leuten sind."
Das Positive sehen und zusammenhalten
Vincent Lin, Kind chinesischer Einwanderer, hat in New York investiert, als andere geflüchtet sind. Stolz steht er hinter der Bar seines brandneuen Restaurants in Midtown Manhattan. "Meine Leidenschaft sind nicht Restaurants, sondern Business", sagt er. "Ich will Risiken eingehen."
Das tut der Betriebswirt. Über 1300 Lokale haben im vergangenen Jahr am Big Apple für immer geschlossen. Für Vincent kein Grund zu verzagen, im Gegenteil: "Sehen wir es positiv: Wenn andere Restaurants schließen, haben wir weniger Konkurrenz und bekommen bessere Mietbedingungen, weil so viel leer steht."
Der Modedesigner Omar Salam, dessen Geschäft eingebrochen war, glaubt, dass durch die Pandemie viele Menschen erst den Wert von Dingen erkannt haben, die sie früher für selbstverständlich hielten. Er setzt jetzt auf Farbe.
"Nach Grau wirken Farben besonders", sagt er. "Ich glaube, dass wir aus dieser Zeit sehr gestärkt hervorgehen. Und wir wissen, wie wichtig es ist, dass wir für einander sorgen."
New York hält zusammen. Das Miteinander funktioniert in dieser Krise, so wie es auch in all den anderen Krisen war, die die Stadt durchgestanden hat. Man ist zuversichtlich: Bald wird die Maschine wieder starten.