Optimistische Geschichten aus einer verzagten Republik

Vorgestellt von Geert Müller-Gerbes |
Endlich, so atmet man auf, endlich traut sich mal einer. Endlich schreibt einer mal auf, dass die Republik nicht ein einzig Jammertal ist, sondern im Gegenteil: Es geht wesentlich mehr Menschen wesentlich besser, als sie zugeben. Und die andere Seite der Medaille: Diejenigen, denen es wirklich schlecht geht, die jammern nicht, weil sie sich genieren.
Der das aufgeschrieben hat, ist Journalist und heißt Hajo Schumacher. Er muss irgendwann ein Erweckungserlebnis gehabt haben, denn lange Zeit war er Redakteur beim "Spiegel", dann Chef der durchaus leichtlebigen Postille Max und nun also Buchautor. Und was für einer. Klare Sprache, beherzte Recherche, direkte Aussage. Etwa, wenn er das in Deutschland übliche Gejammere beschreibt:

"Egal, ob in der Kantine, am Abendbrottisch, beim Bier, in der Aufsichtsratssitzung oder bei einem Rooibos-Tee im Feng-Shui-Loft, ob morgens am Zeitungskiosk oder beim Bäcker, ob in einer Berliner Hintergrundrunde mit Journalisten und Politikern – alles ist am Ende, alle sind schuld: die Lehrer, die Finanzminister, die Ausländer, die Manager, der Euro, die Globalisierung, der Führer und natürlich die Politik: Schröder. Stoiber. Eichel. Merkel. Westerwelle. Fischer. Gysi."

Man liest das Buch weiter, mehr und mehr fasziniert von solcher Deutlichkeit und ist fast bereit, das Buch aus der Hand zu legen, um Beifall zu klatschen, wenn man auf die folgenden Zeilen stößt:

"Über die Jahre haben die Talkshows einen ganz neuen, einträglichen Job geschaffen: Profi-Mäkler, Chefankläger, Miesmacher, Depressionserzeuger. Sie heißen Henkel und Lafontaine, Stoiber und Rogowski. Prominentester Vertreter dieses neuen Berufsstandes ist der CDU-Politiker Friedrich Merz, ausgezeichnet als "Reformer des Jahres 2004". Dieser Titel ist Beleg dafür, dass in Deutschland vor allem der ausgezeichnet wird, der laut und viel über Reformen spricht, aber nie eine in die Tat umgesetzt hat. Außer schnell kassierten Schnapsideen ("Steuerreform auf dem Bierdeckel") und juveniler Kraftmeierrhetorik hat der lange Sauerländer an Reformkraft bisher nichts blicken lassen. Wie auch, in der Opposition."

Diese Bewertung gibt Schumacher unmittelbar nach einer Auflistung der Themen, die in den letzten Monaten in den einschlägigen Talkshows behandelt wurden. Sie lesen sich wie Untergangszenarien einer Republik, die unmittelbar am Abgrund steht. Geschwätz nennt es der Autor, ein grässliches Selbstbild gar und er fragt, ob es denn wirklich keine Perspektive gebe. Wollte man den Unkenrufern in der Sattheit des Staatswesens glauben, gibt es wirklich keine.

Schumacher hat sich daraufhin auf die Suche gemacht und ist fündig geworden.

Schulen nennt er als Beispiel, in denen nicht gemeckert oder zerstört wird, sondern in denen Lernen, und zwar mit Spaß, angesagt ist. Den Main-Kinzig-Kreis nennt er, in dem sowohl die Sozialhilfe wie auch die Versorgung der Arbeitslosen funktioniert, und das lange vor Hartz IV. Den Bürgermeister von Rednitzhembach nennt er, welches ein kleines Nest in der Nähe von Nürnberg ist und eine Stadt, die keinerlei Schulden hat. Warum nicht? Weil der Bürgermeister kein Unkenrufer und Jammerer ist, sondern ein Anpacker. Oder er schildert eine Elterninitiative in Düsseldorf, die einen Kindergarten gegründet hat für eigene und fremde Kinder und die ganz schnell zum Vorzeigeobjekt für Nicht-Nörgler geworden ist.

Schumacher hat seine Nase in viele Bereiche des Alltäglichen gesteckt und Erstaunliches herausgefunden: Es geht, wenn man die Sache einfach anpackt und sich nicht beirren lässt.

Den Anstoß und die Ermutigung für sein Buch hat der Autor aus einer Erkenntnis gewonnen, die er so zusammenfasst:

"Das fortwährende Mäkeln hat kein Wachrütteln bewirkt, keinen Antrieb, sondern exakt das Gegenteil: Selbstzweifel, Mutlosigkeit und Vertrauensverlust. Deutschland lässt den Kopf hängen. Und je mehr dieses Hängen lassen beschrieben, analysiert, bestätigt oder verurteilt wird, desto tiefer sinkt der Kopf hinab."

Ein äußerst lesenswertes Buch also. Der Autor hat es mit Recht seinen Kindern gewidmet und jenem unbekannten Mädchen aus Dresden, das sich getraut hat, einer Diskussionsrunde hoch mögender Wichtigtuer ein einfache Frage zu stellen, ob sie nicht außer Meckern und Jammern einen praktischen Ratschlag hätten, wie man einen Einstieg in den Beruf finden könnte. Schumacher hat selbst an der Diskussionsrunde teilgenommen und war so betroffen, dass er dieses Buch geschrieben hat.