Davide Bortot und Jan Wehn:
"Könnt ihr uns hören? Eine Oral History des deutschen Rap"
Ullstein, 464 Seiten, 20 Euro
Die Geburtsstunde des deutschen HipHop
100 Rapper und HipHop-Experten erzählen die Geschichte ihrer Musik. Daraus haben Davide Bortot und Jan Wehn ein "Geschichts"-Buch gemacht. "Könnt ihr uns hören?" ist eine Reise in eine Zeit, in der HipHop noch nicht Mainstream, sondern Nische war.
"Deutschsprachigen Rap gibt es seit knapp 30 Jahren", sagt Davide Bortot. Das sei ein guter Zeitpunkt, dem deutschen Hip Hop ein Buch zu widmen. Diese Musik sei so präsent und dominant wie nie zuvor. "Gleichzeitig sehe ich, dass die Geschichte dieser Entwicklung in Vergessenheit geraten könnte." Diese Musik habe ihn ein Leben lang beschäftigt, deshalb sei es ihm ein Bedürfnis, das in Form eines Buches zu präsentieren.
In "Könnt ihr uns hören?" lassen Davide Bortot und Jan Wehn mehr als 100 Rapper, Journalisten, Musiker und Aktivisten erzählen, wie es dazu kam, dass der HipHop in der Mitte der Gesellschaft ankam.
Die Geschichten fangen oft in den achtziger Jahren in Jugendzentren und Kellerclubs an. Damals stellten sich junge Musiker gegen die Flut der englischen Songs und erfanden deutsche Texte: Die Geburtsstunde des deutschen HipHops.
Nicht alle, die er interviewen wollte, hätten ihm auch ein Interview gegeben, erzählt Davide Bortot. "Heute sind Interviews nicht mehr en vogue. Die Musiker erreichen ihre Fans viel einfacher und ohne Umwege über andere Kanäle." Bekannte Bands spielen inzwischen in riesigen Stadien. Und so beginnt das Buch auch mit einer Beschreibung eines "Materia"-Auftritts in Rostock vor mehr als 30.000 Menschen.
Erst die Bühne, dann die Platte
Die Anfänge des deutschen HipHops aber waren ganz bescheiden. Ehe eine Band eine Platte eingespielt habe, dauerte es Jahre, so Bortot. Zuerst waren die Musiker Einzelkämpfer, für die sich nur eine kleine Fangruppe interessierte.
"Das ist auch ein normaler Prozess einer Szene-Formung", schildert Bortot. Die deutsche HipHop-Szene habe sich Ende der 80er-Jahre formiert. Dann gab es eine Zeit, wo vieles hauptsächlich auf Bühnen passiert sei. Erst nach vielen Auftritten, kam ein Plattenvertrag zustande. "Die Szene brauchte Zeit, um eine Professionalität auch in den Studios zu entwickeln und sich mit den Kreativen zu connecten." So lief das in der Zeit vor dem Internet, sagt Bortot.
Mitte der 90er-Jahre sei die Szene regelrecht explodiert. "Technologie hat da eine ganz große Rolle gespielt", sagt Bortot. Irgendwann waren so viele Bands unter Vertrag, dass eine neue Bewegung an Kraft gewann: der Straßen-Rap.
Heimlicher Blick auf andere HipHopper
Viele der HipHop-Musiker würden sich ungern mit dem Erfolg anderer Bands beschäftigen. Bortot sagt: "HipHop war schon immer stark von Konkurrenz geprägt, vielen ist egal was die anderen machen." Daher sei das "Berufen" auf Vorbilder nicht angesagt. Und doch werde in den Interviews klar, wer sich mit wem und welcher Musik beschäftigt habe. "Aber gerade die Leute, die heute erfolgreich sind, schauen nicht unbedingt auf ihre musikalischen 'Urväter'. Das ist alles 30 Jahre her! Junge erfolgreiche Leute von heute, waren damals noch nicht einmal geboren."
"Botschaft für Musiker aus allen Generationen"
HipHop sei die dominante Musik unserer Zeit, sagt Bortot. Da müsse man sich nur mal die Charts anschauen. "Unser Buch soll eine Botschaft sein für Musiker aus allen Generationen." HipHop habe etwas mit Anpacken zu tun, so der Autor. Das ganze Buch sei auch eine Art Aufruf: "Nimm das Wenige, was Dir zur Verfügung steht und mach was draus! Klaub Dir zusammen und mach was Eigenes!" Wenn nur einer auf Grund des Buches etwas beginne oder einen tollen Song schreibe, dann hätten er und sein Co-Autor Jan Wehn gewonnen.