Ausgepresst!
Jeder Deutsche konsumiert jährlich rund zwölf Liter Orangensaft – nach den USA sind wir der zweitgrößte Abnehmer weltweit. Das Konzentrat wird überwiegend in Brasilien hergestellt, wo die Arbeiter für wenig Geld schuften und ständig in Kontakt mit Pestiziden sind.
Eine Orangenplantage bei Avaré im Süden Brasiliens, rund 250 Kilometer entfernt von Sao Paulo. Eine Autokolonne fährt zwischen den kilometerlangen Baumreihen hindurch mitten auf das Gelände. Genau dorthin, wo gerade Arbeiter Orangen von den apfelbaumgroßen Bäumen pflücken; Orangen für die großen Fabriken im Land, für das Konzentrat, das in Europa zu Saft gemacht wird.
Aus den Fahrzeugen steigen Inspektoren des Arbeitsministeriums und bewaffnete Polizisten. Auch mit dabei: Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen aus Europa. Sofort beginnen die Inspektoren, einzelne Arbeiter zu befragen.
Nicht alle tragen Sicherheitskleidung
Die Männer steigen von ihren Leitern. Es sind etwa einhundert, die gerade auf der Plantage arbeiten. Sie sind kräftig, die meisten nicht älter als 25. Ihr Dialekt und die zurückhaltende Art ihrer Antworten lassen darauf schließen, dass sie aus dem Norden Brasiliens stammen, aus der Region Maranhao, wo es viele sehr arme Dörfer und kaum Arbeit gibt. Manche haben 3000 Kilometer Anreise hinter sich – drei Tage und drei Nächte mit dem Bus.
Längst nicht alle von ihnen tragen die gesetzlich vorgeschriebene Schutzkleidung: Overalls gegen die versprühten Giftstoffe, Hüte gegen die heiße Sonne und Bissschutz an den Unterschenkeln gegen die lebensgefährlichen Schlangen im Gelände.
"Wir waren zuhause. Dann kamen die Leute aus dem Süden. Die sind mit einer Bus-kolonne angekommen. Und sie haben gesagt: Kommt doch zur Ernte. Ihr verdient zwischen 1 Real und 1 Real 20 für die Kiste. Und jetzt sind wir hier und wir verdienen nur 80 Cent. Ich bin schon seit 40 Tagen hier und sie sagen, dass heute bezahlt wird, aber bisher haben wir noch keinen Lohn gekriegt. Sie sagen jeden Tag: morgen bezahlen wir, morgen bezahlen wir, aber bisher haben wir noch nichts gekriegt. Das ist alles sehr anstrengend hier. Immer das Heben, hoch und runter. Das ist eine schmerzhafte, eine sehr schmerzhafte Arbeit."
Die Männer aus dem armen Norden Brasiliens hoffen hier, im Süden, auf das gute Geld. Hier gibt es viel Industrie – vor allem aber Landwirtschaft mit riesigen Planta-gen für Zuckerrohr, Eukalyptus und – Orangen. 200 Millionen Bäume wurden allein im Bundesstaat Sao Paulo angepflanzt – sie liefern die Früchte für die Hälfte der gesamten Weltproduktion. Günstiges Klima und fruchtbarer Boden begünstigen den Orangenanbau und kompensieren den hier vor Jahrzehnten eingestellten großflächi-gen Kaffeeanbau.
Bis zu 60 Orangensäcke am Tag
Je länger die Inspektoren auf dem Gelände sind, desto mehr Arbeiter trauen sich nach vorn. Manche wirken verängstigt, manche sind wütend. Sie lassen ihre halb gefüllten Orangensäcke stehen. 30 Kilo kann ein Sack schwer werden, wenn er voll ist. Bis zu 60 Säcke schaffen sie am Tag – mindestens anderthalb Tonnen Früchte kommen so zusammen – und das für gut zehn Euro am Tag.
"Die meisten von uns wollen sofort gehen. Weil das hier so schlecht ist. Wir warten auf das Geld. Wir wollen zu unseren Verwandten. Wir brauchen das Geld und es gibt nichts. Die erpressen uns. Die sagen, wir haben Euch ja hierhergebracht. Wenn ihr gehen wollt, dann müsst ihr uns 300 Reals geben. Ihr schuldet uns ja die Reise hierher."
"Die meisten von uns wollen sofort gehen. Weil das hier so schlecht ist. Wir warten auf das Geld. Wir wollen zu unseren Verwandten. Wir brauchen das Geld und es gibt nichts. Die erpressen uns. Die sagen, wir haben Euch ja hierhergebracht. Wenn ihr gehen wollt, dann müsst ihr uns 300 Reals geben. Ihr schuldet uns ja die Reise hierher."
Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen beklagen es seit langem: Arbeiter auf brasilianischen Orangenplantagen werden systematisch ausgebeutet. Gerade Deutschland sei gefordert, höhere Sozialstandards in Brasilien anzumahnen. Jeder Deutsche konsumiert jährlich etwa zwölf Liter Orangensaft – nach den USA sind wir zweitgrößter Abnehmer weltweit. Angesprochen seien dabei Produktion und Handel gleichermaßen – also die Abfüllbetriebe, die aus dem aus Brasilien gelieferten Konzentrat den preisgünstige Saft herstellen, ebenso wie die großen Supermarkt-Ketten, die den Saft in ihre Regale stellen - wie Aldi, als größter Abnehmer, sowie Lidl, Edeka und Rewe.
Der Vorarbeiter erscheint – ein zunächst sehr selbstbewusster Mann - trotz der bohrenden Fragen der Inspektoren. Den Arbeitern gehe es gut, sie bekämen einen ger-echten Lohn, die Männer seien doch alle seine Freunde. Aber Geld gäbe es erst, wenn die lange Busreise und die Unterkunft abgearbeitet seien. Und das könne eben ein paar Wochen dauern. Das sei doch normal.
In der Nähe einer Abstellhalle entdecken die Inspektoren leere Kanister. Die Aufkleber verraten: hier wurden massenhaft Pestizide eingesetzt. Nur wenige Meter entfernt dann eine Feuerstelle, auch hier leere Kanister, manche angekokelt, manche verbrannt. Damit bestätigen sich die Befürchtungen der Inspektoren und ihrer europäischen Begleiter. Martin Wildenberg von der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 schaut sich die Kanister genau an.
Der Vorarbeiter erscheint – ein zunächst sehr selbstbewusster Mann - trotz der bohrenden Fragen der Inspektoren. Den Arbeitern gehe es gut, sie bekämen einen ger-echten Lohn, die Männer seien doch alle seine Freunde. Aber Geld gäbe es erst, wenn die lange Busreise und die Unterkunft abgearbeitet seien. Und das könne eben ein paar Wochen dauern. Das sei doch normal.
In der Nähe einer Abstellhalle entdecken die Inspektoren leere Kanister. Die Aufkleber verraten: hier wurden massenhaft Pestizide eingesetzt. Nur wenige Meter entfernt dann eine Feuerstelle, auch hier leere Kanister, manche angekokelt, manche verbrannt. Damit bestätigen sich die Befürchtungen der Inspektoren und ihrer europäischen Begleiter. Martin Wildenberg von der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 schaut sich die Kanister genau an.
Wildenberg: "An sich sind es zugelassene Pestizide. Nur das Problem ist immer, wie geht man damit um. Der Betrieb würde in Österreich oder Deutschland sofort zugemacht werden. Es ist entsetzlich. Es muss aus gutem Grund zurück gebracht werden, zu den Firmen um entsorgt zu werden. Wenn man es verbrennt: Es ist eine totale Katastrophe für die Umwelt. Damit vergiftet man letztlich die Böden und die Luft."
14 Schlafplätze auf 20 Quadratmetern
20 Autominuten entfernt, eine Kleinstadt am Rande der Plantage: die Inspektoren lassen sich die Unterkünfte der Arbeiter zeigen. Und selbst sie, die schon viel erlebt haben, stehen kopfschüttelnd vor dem, was sie da sehen: Räume ohne Fenster, darin doppelstöckige Stahlbetten mit Schaumstoffmatratzen, so dünn wie Wolldecken. Es stinkt nach Urin, Schweiß und Waschpulver. Es ist schwülstickig, die von Hand gewaschene Wäsche der Arbeiter muss in den Schlafräumen trocken.
Und: es ist viel zu eng. Im ersten Haus auf 20 Quadratmetern 14 Schlafplätze; im zweiten - eine brüchige, ehemalige Bar – noch viel mehr, im dritten – ein verzweigter Bau mit vielen kleinen Räumen – mag der Chefinspektor gar nicht zu Ende zählen. Dazu: überall Risse in den Wänden, aus löchrigen Decken schauen offene Kabel heraus, für 40 Menschen gibt es eine Toilette und eine Dusche.
Der auf dem Feld noch so selbstbewusste Vorarbeiter ist inzwischen kleinlauter geworden. Erst recht, als er in seiner kleinen Verkaufsstelle die Preise erklären soll, die er den Arbeitern abnimmt. Bei Seife, bei Zahnpasta, bei Lebensmitteln schlägt er 50 Prozent zum Einkaufspreis drauf – mindestens. Ein Ei, ein Real – so die einfache Formel, also ungefähr 25 Euro-Cent. Normal gibt es vier Eier für einen Real. Weil die Arbeiter kein Geld haben, verschulden sie sich hoch beim Vorarbeiter; für ihn der Grund, den Plantagenlohn nicht auszuzahlen. Am Ende der Razzia haben die Inspektoren eine lange Reihe von Arbeitsrechtsverstößen notiert. Sie fahren - und werden wiederkommen: am nächsten Tag wollen sie den Besitzer der Plantage vernehmen.
Und: es ist viel zu eng. Im ersten Haus auf 20 Quadratmetern 14 Schlafplätze; im zweiten - eine brüchige, ehemalige Bar – noch viel mehr, im dritten – ein verzweigter Bau mit vielen kleinen Räumen – mag der Chefinspektor gar nicht zu Ende zählen. Dazu: überall Risse in den Wänden, aus löchrigen Decken schauen offene Kabel heraus, für 40 Menschen gibt es eine Toilette und eine Dusche.
Der auf dem Feld noch so selbstbewusste Vorarbeiter ist inzwischen kleinlauter geworden. Erst recht, als er in seiner kleinen Verkaufsstelle die Preise erklären soll, die er den Arbeitern abnimmt. Bei Seife, bei Zahnpasta, bei Lebensmitteln schlägt er 50 Prozent zum Einkaufspreis drauf – mindestens. Ein Ei, ein Real – so die einfache Formel, also ungefähr 25 Euro-Cent. Normal gibt es vier Eier für einen Real. Weil die Arbeiter kein Geld haben, verschulden sie sich hoch beim Vorarbeiter; für ihn der Grund, den Plantagenlohn nicht auszuzahlen. Am Ende der Razzia haben die Inspektoren eine lange Reihe von Arbeitsrechtsverstößen notiert. Sie fahren - und werden wiederkommen: am nächsten Tag wollen sie den Besitzer der Plantage vernehmen.
Zwei Autostunden entfernt - wieder ernten Arbeiter Orangen auf einer Plantage, noch viel größer als die bei Avaré : diese hier gehört zu Louis-Dreyfus, einem der drei rie-sigen Konzerne, die in Brasilien den Markt des Orangensaftexports praktisch allein beherrschen – die Männer, die hier arbeiten, sind jung und kräftig, sie wirken guter Dinge. Eine Vorzeigekolonne für europäische Besuchergruppen.
Es gebe regelmäßig Pausen und genug Schatten dafür, sagt der eigens von weither eingeflogene Pressesprecher. Die Plantagenarbeiter lebten in ihren Familien in der Gegend. Es sei eine beliebte Arbeit. Um die regelmäßige Saftproduktion in den ei-genen Fabriken aufrecht zu erhalten, würden 40 Prozent der Orangen auch von fremden, kleineren Plantagen zugekauft – und natürlich nur von solchen, in denen die Sozialstandards auch eingehalten würden... Genaueres Nachfragen nach den eigenen Standards ist nicht erwünscht.
Husten und Übelkeit nach Arbeit auf der Plantage
In der Kleinstadt Piratininga, nur wenige Kilometer von der Louis-Dreyfus-Plantage entfernt, lebt Adoaldo José Cavalini. Bis zum vergangenen Jahr war er dort als Traktorfahrer angestellt. Bis der Husten kam, die Übelkeit und das ständige Sich-Übergeben...
"Ich bin die Straße durch die Orangenbäume hindurch gefahren und habe dort auf den Bäumen die Stoffe gespritzt. Wir haben einen Helm aufgehabt. Wir hatten auch eine Maske und eine Brille. Aber die Teile dazwischen, die sind offen geblieben. –Wenn der Wind kam, - und wir hatten ja keine Kabine – hat der Wind die ganzen Giftstoffe auf meinen Körper geweht und ich habe mich da auch mit meinem Chef in die Haare gekriegt. Der hat gesagt: Du hast doch Schutzkleidung an, aber wenn ich um acht Uhr anfange, und um 16 Uhr aufhöre, dann ist die Kleidung total durchnässt. Das geht doch durch. Mir ging es schlecht, es ging mir nicht gut. Ich habe ihnen immer wieder gesagt, dass das Gift nicht gut ist. Ich war dann auch krank und bin ausgefallen. Dann haben sie mich wieder auf den Traktor gesetzt, damit ich Gift spritzen muss. Ich hab gesagt: das kann ich nicht. Und dann wurde ich entlassen."
In Rio Claro, einer Universitätsstadt bei Sao Paolo, sind es Bienen, die Aussagen darüber liefern sollen, wie sehr die Umwelt in Brasilien durch die riesigen Mono-kulturen der exportorientierten Landwirtschaft bereits geschädigt ist. Es geht dabei vor allem um die Pestizide, die seit Jahrzehnten massenhaft verwendet werden. Am Rande der Plantagen in der Region stehen Bienenstöcke. Professorin Roberta Noc-elli lässt uns hineinschauen.
Übersetzerin
Übersetzerin
Nocelli: "Ihr Verhalten ist sehr auffällig und unnormal, wenn sie an diesen Standorten fliegen. Sie haben große Probleme mit der Nahrung. Aber das gilt nicht nur für die Bienen. Wir haben Daten, dass auch Fische Probleme haben, auch Vögel, auch Erdwür-mer... Alle unsere Daten sagen, dass wir ein ernstes Problem haben in Brasilien."
Die staatliche Universität Sao Paulo forscht im Auftrag der Regierung. Sie muss deshalb zweierlei im Blick haben: zunächst die Umwelt, aber auch die mächtigen Agrarexporteure.
Nocelli: "40 Jahre lang war Fortschritt nur: mehr Produktion, mehr Industrie, mehr Farmen. Heute ist es ein anderes Denken. Natürlich haben wir Probleme. Das ist ein Fakt. Aber es ändert sich etwas in Brasilien. Wir denken über andere Möglichkeiten in der Ernte und in der Produktion nach. Weil: beides ist wichtig für Brasilien; die Natur und die Erträge in der Landwirtschaft. Wir diskutieren schon viel. Es ist aber schwierig, das Denken zu verändern. Aber wir versuchen es. Es ist nicht EIN Farmer. Du sprichst mit einem Unternehmen, einer fremden Gesellschaft. Da weißt Du manch-mal nicht, wen Du ansprechen sollst. Es ist schwierig, aber ich denke, wir machen Schritte in die richtige Richtung."
Ein Leben in Hütten aus Holzpaletten oder Wellblech
Ein Gegenentwurf zu den riesigen Monokulturen mit Plantagen von mehreren zehntausend Hektar Größe sind die Menschen, die sich selbst Landlose nennen. Sie leben zunächst in kleinen Hütten aus Holzpaletten oder Wellblech. Und: sie warten auf ein kleines Stück Land. Die Bewegung der Landlosen betreut in Brasilien ungefähr 1,5 Millionen Menschen. Das Land, das sie vom Staat einfordern, war vorher ungenutzt oder wird von den großen Agrarunternehmen beansprucht. Die Landlosen wollen es in kleinen Parzellen bewirtschaften, um für sich selbst zu sorgen oder Obst und Gemüse auf regionalen oder lokalen Märkten zu verkaufen. Bei denjenigen, die es geschafft haben, stehen Bohnen neben Orangen, hier gibt es auf einem Hof Senf, Gurken, Petersilie, Bananen, Kohl, Kokosnuss und noch viele andere Früchte.
"Wir versuchen, die Natur nachzuahmen; eine differenzierte Landwirtschaft ohne Giftstoffe, ohne Pestizide - so wie die Natur eigentlich ist - und dann daraus natürliche und gesunde Lebensmittel zu beziehen."
"Ich bin auf dem Bauernhof geboren. Meine Eltern haben immer erst abgeerntet und dann angezündet. Und hier habe ich gelernt, wie es auch anders geht. Das ist ein Lernprozess. Weil es sehr schwierig ist, die Leute davon zu überzeugen, dass es ertragreich ist: diese gemischte Landwirtschaft und Anbaumethode. In der Stadt brauchte ich Geld, um wegzugehen, ich brauchte Geld um ins Restaurant zu gehen. Ich hatte da ganz andere Kosten. Das fällt hier alles weg. Hier brauche ich viel, viel weniger, deshalb komme ich damit gut zurecht."
Die Regionalstelle des Arbeitsministeriums hat ihren Sitz in Bauru – einer Großstadt inmitten der Orangen-Plantagen. Dort weiß man sehr gut um die Macht der großen Produzenten im Land, mit ihren Fabriken und Plantagen, mit ihren guten Kontakten zu Politik, Justiz und Medien. Spektakuläre Razzien gibt es aus Sicht von Regionalchef Luis Henrique Rafael viel zu selten – höchstens alle zwei, drei Monate. Zwar gehen bei seiner Behörde jeden Tag Anzeigen über Arbeitsrechtsverstöße ein. Sowohl auf den Plantagen der großen Konzerne als auch auf denen der kleineren Zulieferer wie in Avaré. Aber Rafael hat nur eine Handvoll Inspektoren – für ein Gebiet mit etwa drei Millionen Einwohnern.
"Wir wollen die Plantagenbesitzer verpflichten, dass sie für Arbeitsschutz sorgen auf den Plantagen, dass sie das Geld an die Arbeiter auszahlen ohne Abstriche, damit sie nicht verschuldet sind, dass sie sich verantwortlich zeigen für die Ernte. Die Industrie hat das Geld, dass sie einigermaßen untergebracht werden, dass sie ein Leben in Würde führen, dass sie einen einigermaßen sicheren Transport haben. Wir wollen, dass die Arbeitsrechte durchgesetzt werden. Die Arbeiter auf den Plantagen leben wie moderne Sklaven."
Die Regionalstelle des Arbeitsministeriums hat ihren Sitz in Bauru – einer Großstadt inmitten der Orangen-Plantagen. Dort weiß man sehr gut um die Macht der großen Produzenten im Land, mit ihren Fabriken und Plantagen, mit ihren guten Kontakten zu Politik, Justiz und Medien. Spektakuläre Razzien gibt es aus Sicht von Regionalchef Luis Henrique Rafael viel zu selten – höchstens alle zwei, drei Monate. Zwar gehen bei seiner Behörde jeden Tag Anzeigen über Arbeitsrechtsverstöße ein. Sowohl auf den Plantagen der großen Konzerne als auch auf denen der kleineren Zulieferer wie in Avaré. Aber Rafael hat nur eine Handvoll Inspektoren – für ein Gebiet mit etwa drei Millionen Einwohnern.
"Wir wollen die Plantagenbesitzer verpflichten, dass sie für Arbeitsschutz sorgen auf den Plantagen, dass sie das Geld an die Arbeiter auszahlen ohne Abstriche, damit sie nicht verschuldet sind, dass sie sich verantwortlich zeigen für die Ernte. Die Industrie hat das Geld, dass sie einigermaßen untergebracht werden, dass sie ein Leben in Würde führen, dass sie einen einigermaßen sicheren Transport haben. Wir wollen, dass die Arbeitsrechte durchgesetzt werden. Die Arbeiter auf den Plantagen leben wie moderne Sklaven."
Am Tag nach der Razzia wollen die Inspektoren zum Besitzer der Plantage von Avaré. Ihn erwartet vermutlich eine Geldstrafe, genauso wie den Vorarbeiter. Wenn es nach dem Regionaldirektor des Arbeitsministeriums ginge, müssten beide – und die wirklich Verantwortlichen im Hintergrund – noch viel härter bestraft werden.
Rafael: "Die müssen ins Gefängnis kommen. Das ist eine Straftat, was die da tun. Wenn sie mit Geld aus dieser Nummer rauskommen, das ist nicht genug. Sie respektieren die Menschenwürde nicht und müssen daher für das, was sie da tun, bestraft werden. Wenn Brasilianer nur Geld zahlen müssen, insbesondere wenn sie so reich sind, wie die Verantwortlichen in der Saftindustrie, dann hat das für sie keinen Effekt. Was für sie wirklich eine Strafe ist, das ist eine lange Gefängnisstrafe."