Pablo Ferrández, Violoncello
Orchestra della Svizzera Italiana
Leitung: Krzysztof Urbański
Urbański macht Tschaikowsky pur
Ein reines Tschaikowsky-Programm spielte das Orchestra della Svizzera Italiana mit seinem Gastdirigenten Krzysztof Urbański. Die Romeo-und-Julia-Ouvertüre und die vierte Sinfonie gab es, außerdem spielte Pablo Ferrández die Rokoko-Variationen.
Ein ganzer Abend mit Musik von Peter Tschaikowsky mit einem Orchester aus dem Tessin, der italienischen Schweiz. Krzysztof Urbański leitete das Orchestra della Svizzera Italiana gleich an zwei Terminen im März 2021. Am 25. März gab es in Lugano ein Konzert ohne Publikum mit dem polnischen Dirigenten und dem spanischen Cellisten Pablo Ferrández.
Auf Italienisch klingt das seltsam: "concerto publico senza publico" – öffentliches Konzert ohne Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit entsteht in diesem Fall durch unsere Radio-Übetragungen, die möglich sind im Rahmen der Kooperation von Euroradio.
Am Anfang steht die Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia" von Tschaikowsky. Der noch junge Komponist schrieb dieses Stück auf Anregung seines älteren Kollegen Mili Balakirew. Dieser hatte 1869 das Gefühl, Tschaikowsky sitze untätig herum und konzentriere sich nicht auf sein künstlerisches Schaffen.
In einem Brief lieferte er deshalb gleich ein musikalisches Thema zu "Romeo und Julia" mit, das beschreiben sollte, wie die verfeindeten Veroneser Familien die Schwerter kreuzen. Als Tschaikowsky seine Fantasie-Ouvertüre schließlich fertig komponiert hatte, fand er im Kreise der Kollegen und Kritiker große Anerkennung.
Peter Tschaikowsky hat ein sehr berühmtes Klavierkonzert und ein sehr beliebtes Violinkonzert geschrieben, die Cellistinnen und Cellisten jedoch müssen mit den Rokoko-Variationen vorliebnehmen. Das ist aber nicht besonders schlimm, denn das Werk ist ein ausnehmend schönes Stück, nicht nur zum Spielen, sondern auch zum Hören.
Wie häufig bei Solowerken gibt es einen Widmungsträger, einen Virtuosen, der bei der Entstehung Pate stand. Wobei in diesem Fall der Cellist Wilhelm Fitzenhagen einige Grenzen überschritten haben dürfte, denn er hat das Werk eigenmächtig und stark verändert, bevor es gedruckt wurde. Die originale Fassung wurde erst im 20. Jahrhundert rekonstruiert und erstmals von Gregor Pjatigorskij gespielt.
Mozart stand Pate
Im Original sind es acht Variationen eines Themas, das Tschaikowskij im Stile Mozarts verfasst hat. Dieses "Cellokonzert", das auch eine kleine Kadenz beinhaltet, zeigt also eine frühe Form des Neoklassizismus. Wobei auch für Tschaikowskij gilt: Durch den Blick zurück macht er einen großen Schritt in die Zukunft. Für sein eigenes Schaffen wie auch für die Entwicklung der europäischen Musik insgesamt.
Auf der Bühne die Welt vergessen
Der Solist des Abends ist Pablo Ferrández. Der aus Madrid stammende spanische Musiker ist dieser Tage 30 Jahre alt geworden. 2015 hat er erfolgreich am Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau teilgenommen. Er schrieb im Programmheft des Konzerts in Lugano, er fühle sich immer dann sehr positiv, wenn er mit einem Orchester auf einer Bühne spielen könne. Dann könne er alles vergessen, was in der Welt gerade geschieht.
Dirigier-Vorbild Michael Jackson
Der Dirigent Krzysztof Urbański gab seinen Einstand in der Philharmonie Berlin in der Reihe Debüt im Deutschlandfunk Kultur im Jahr 2012. Reihenweise wurde er seitdem von den großen Orchestern der Welt eingeladen. Sehr regelmäßig tritt er in der Hamburger Elbphilharmonie mit dem NDR-Sinfonie-Orchester auf. In Indianapolis in den USA ist er Musikdirektor und kann damit seinem einstigen Idol gefühlt sehr nahe sein.
1982 wurde Urbański in Pabianice bei Łódź in Polen geboren. Was seine musikalische Ausbildung anbelangt, ist Urbański eher ein Spätstarter. Mit Zwölf begann er überhaupt erst Musik zu machen. Und in den ersten Jahren war Michael Jackson, der in Gary Indiana zur Welt kam, sein großes Vorbild und nicht Leonard Bernstein oder irgendein anderer großer Dirigent.
Emotion und Struktur
Letztes und größtes Werk im reinen Tschaikowsky-Programm ist die vierte Sinfonie f-Moll op. 36. Ein sehr bekanntes Stück, keine Frage, anders als die ersten drei Sinfonien erklingt sie sehr oft. Und wurde doch häufig missverstanden. Denn die pure Emotionalität könnte die Meisterschaft Tschaikowskys in der Vielfalt der Farbgestaltung und im Kontrapunkt überlagern. Diese Musik ist nicht nur ergreifend, sondern auch verstörend und undurchschaubar.
Die Aufgabe eines Dirigenten ist immer wieder, weniger die Gefühle in dieser Musik offen zu legen, sondern mehr ihre bisweilen komplizierten Strukturen, ihren Anspruch an musikalische Kunst und Komplexität.
Konzertsaal Lugano Arte e Cultura
Aufzeichnung vom 25. März 2021
Aufzeichnung vom 25. März 2021
Peter Tschaikowsky
"Romeo und Julia" – Fantasie-Ouvertüre nach Shakespeare
Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester op. 33
Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36
"Romeo und Julia" – Fantasie-Ouvertüre nach Shakespeare
Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester op. 33
Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36