33 Knöpfe und ein Glaubenskrieg
Die Welt des Katholizismus ist bunt - aber: Wie sollte sich eigentlich Hochwürden anziehen? Mit Soutane oder nicht? Sollen Geistliche an ihrer Kleidung erkennbar sein? Diese Fragen bewegt in Polen die Gemüter.
Zwei junge polnische Priesteramt-Kandidaten sitzen entspannt auf einer Bank in der Krakauer Stadtmitte. Trotz sengender Hitze tragen sie eine schwarze Soutane, verschlossen bis zum Hals, mit 33 Knöpfen, die an die Lebenszeit Jesu erinnern. Mit diesem Bild ist auch Maciej Chanaka aufgewachsen, seit zehn Jahren ein Dominikaner-Mönch und stolz auf seine Ordenskleidung. Die weiße Tunika mit der Kapuze und einem schwarzen Mantel sind die Erkennungszeichen eines Dominikaners. Und sie haben Vorteile, sagt Maciej Chanaka.
"Diese Kleidung ist sehr praktisch, weil ich nicht darüber nachdenken muss, was ich darunter anhabe. Außerdem schafft sie eine Einheit unter den Mönchen. Egal, ob unser Prior oder ein Bruder, der gerade unserer Klostergemeinschaft beitritt, jeder zieht dieselbe Kleidung an. Sie ist unser Aushängeschild - die weiße Farbe bedeutet, dass uns eine Gnade zuteil wurde, da wir Jesus gefunden haben. Der schwarze Umhang symbolisiert die Sünde und Versuchungen, denen jeder Mensch ausgeliefert ist."
Maciej Chanaka ist Jugend-Seelsorger. Nur zum Schlafen oder zu sportlichen Aktivitäten oder beim Kinobesuch trennt er sich von seinem ständigen Begleiter aus weißer, leichter Wolle. Seine Ordenskleidung ist Glaubensbekennung und ein Bußzeichen zugleich, meint der junge Mönch. Oft wird er darauf angesprochen, manchmal muss er dabei schmunzeln.
"Ich war einmal in Holland mit einem meiner Mitbrüder. Wir gingen an einem Biergarten vorbei, da hob jemand seinen Bierkrug hoch, auf dem ein Mönch zu sehen war. Mönche waren schon immer dafür bekannt, dass sie Bier gebraut haben. Er blickte auf das Glas und auf uns und fragte, ob das dasselbe ist. Als wir wiederum im ungarischen Debrezin waren, fragte uns einer, ob der Karneval bereits begonnen hätte, da er unser Habit für ein Kostüm gehalten hat. Bei einem nächtlichen Stadtrundgang in Belgien fragten uns Mädchen auf Englisch, wo es hier eine Party gäbe. Als wir erklärt haben, dass wir Mönche sind, kamen wir ins Gespräch."
"Die Kleidung ist für mich eine Erinnerung, wer ich bin"
Priesterkleidung ruft Fragen hervor - das weiß auch Wojciech Grygiel. Er ist Priester in einer Gemeinde und hat deutlich mehr Freiheiten als ein Mönch. Die knöchellange schwarze Soutane zieht er fast immer zu offiziellen Anlässen an - beim Seelsorgegespräch, Krankenbesuch oder während der Beichte. Sonst bevorzugt er Hemden mit weißem Kollarstreifen am Hals, der einen Priester in der Öffentlichkeit als solchen erkennen lässt.
"Eine Soutane ist sicherlich zu empfehlen, aber man kann heute nicht unter allen Umständen in der Soutane erscheinen. Es ist auch wichtig, dass wir den Kollar tragen, dass die Leute sehen, die Priester sind unter uns - das ist ein Zeichen des Glaubens. Der Glaube muss sich nach Außen ausdrücken, der Glaube muss sichtbar sein. Die Priester sind diejenigen, die den Glauben verteidigen und verkünden. Die Kleidung ist für mich eine Erinnerung, wer ich bin."
In einem Atemzug zählt der Krakauer Priester die Vorteile eines Kollarhemdes auf. Viele tägliche Aktivitäten lassen sich ohne Soutane leichter ausführen, außerdem dient das dem Schutz der Privatsphäre eines Geistlichen. Mit einer auffallenden Kleidung gelingt es leichter, das Sacrum vom Profanum zu trennen, so der Priester.
"Wenn man in einer Soutane geht, zieht man die Aufmerksamkeit auf sich. Das spürt man sofort, und das ist ermüdend. Die Leute meinen, wenn man geweiht ist, dann wird man etwas anders. Es ist nicht so, man trägt seine Menschheit wie es vorher war, auch wird man müde, braucht man Erholung und Sport. Zu einem Konzert oder Kino gehen - man braucht alles."
Dass immer mehr polnische Geistliche auf die vorgeschriebene Priesterkleidung außerhalb der Amtshandlungen verzichten, freut besonders junge Polen. Das schafft mehr Nähe, sagt die 23-jährige Studentin Joanna, die ihre Gemeinde-Pfarrer gerne mit Poloshirt und Hose sieht.
"Wenn ein Priester eine Soutane trägt, spüre ich ihm gegenüber eine gewisse Distanz. Wir Polen wachsen mit einem besonderen Respekt gegenüber Geistlichen auf. Wir schätzen dieses besondere Amt, das in der Priesterkleidung einen Ausdruck bekommt. Aber es ist für mich leichter, mit jemanden zu sprechen, der keine Soutane trägt - dann zählt für mich in erster Linie der Mensch und nicht sein Beruf oder die Zugehörigkeit zu einem auserwählten Stand."
Eine Lockerung der Kleiderregeln wünschte sich die Studentin auch für Frauen, die in Ordengemeinschaften leben, aber bis dahin sei noch ein langer Weg, so die Studentin. Es könnte daran liegen, dass die Nonnen mit der jetzigen Situation zufrieden sind und deshalb keine Veränderung wollen. Denkbar sei aber auch, dass dieser Wandel unerwünscht ist bei den Männern, die seit Jahrzehnten das Sagen in der Kirchenhierarchie haben.
"Ein knielanges, schlichtes Kleid fände ich optimal"
"Die Priester ziehen oft kurzarmige Hemden oder sogar kurze Hosen an, aber die Nonnen tragen meistens langarmige Kleider, mit Schleier, was sehr unpraktisch ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich mir eine Nonne mit einem Mini-Rock wünschen würde - im Gegenteil - das würde ich wiederum für ein Zeichen schlechten Geschmacks halten. Ein knielanges, schlichtes Kleid fände ich optimal. Dass es in dieser Hinsicht keine Bewegung gibt, hat für mich damit zu tun, dass die Nonnen in der Kirchenhierarchie unterrepräsentiert sind. Die meisten Entscheidungen treffen die männlichen Gremien."
Veränderungen, die die Priester-Kleidung betreffen, haben nicht nur rein praktische Ursachen - das habe mit dem Mentalitätswandel zu tun, meint Joanna. Besonders im westlichen Europa sind Geistliche auf der Straße kaum von den Laien zu unterscheiden, aber diesem Beispiel soll ihrer Meinung das katholische Land Polen nicht folgen. Besonders ältere Polen wünschen sich, dass alles beim Alten bleibt, so auch die 65-jährige Helena.
"Ein Priester soll immer eine Soutane tragen, es sei denn, sie stört. Es ist ein Privileg, der nur ihm zusteht und ihn mit Stolz erfüllen soll. In unserer modernen Zeit neigen aber viele Geistliche dazu, die Priesterkleidung abzulegen. Stellen sie sich vor, es gibt einen Unfall - wenn ein Priester eine Soutane trägt, oder wenigstens ein Kollarhemd weiß ich, an wen ich mich wenden soll."
In der Frage der Soutane kristallisiert sich in Polen ein Kulturkampf zwischen den Katholiken, die mehr Öffnung zur Welt hin wollen - und denen, die dagegen sind. Das betrifft sowohl die Priester als auch die Gläubigen. Während für manche die Soutane ein Überbleibsel aus alten Zeiten ist, symbolisiert sie für die anderen ein Stück guter Kirchentradition.