"Organic" heißt das Zauberwort
Kalifornien gilt als besonders umweltbewusst. Aus der Hippie-Bewegung hat sich eine regelrechte Öko-Kultur entwickelt. Doch Widersprüche tun sich auch beim "grün" denkenden Kalifornier auf, der in jedem Zimmer seiner Öko-Solarvilla eine Klimaanlage hat und den Toyota Prius mit Hybridantrieb zum Brötchenholen um die Ecke nutzt.
Willkommen im "Café der Dankbarkeit". Der Kellner in seinem schneeweißen T-Shirt mit dem tiefen Ausschnitt über der enthaarten, sonnengebräunten Brust erklärt dem Gast zunächst einmal die Philosophie des schicken Bistros.
Brett: "Glückwunsch, Sie werden heute sehr gut essen. Wir sind hundert Prozent vegan, hundert Prozent bio. Alle Zutaten kaufen wir von örtlichen Bauern. Es gibt hier keine Dosen, keine Dosenöffner. Wir bereiten alles frisch zu, jeden Tag."
Das Zauberwort heißt "organic", also bio. Auf der Karte steht Zucchini-Kokosnuss-Salat mit Tomaten und roten Zwiebeln oder ein Wrap mit Humus, Gurke und Chili. Die Preise für ein Hauptgericht liegen bei umgerechnet um die zehn Euro – nicht teurer als in anderen, Nicht-Bio-Restaurants. Die gut 90 Plätze sind an diesem Mittag fast alle belegt. Und zwar längst nicht nur von Vegetariern oder den noch strengeren Veganern, erklärt Restaurantbesitzer Ryland Engelhart:
"Nein, absolut nicht! Wenn Sie normalerweise mittags einen Burger essen, dann finden Sie bei uns trotzdem etwas, dass Sie satt macht. Ich würde sagen: 60 Prozent unserer Kunden sind nicht mal Vegetarier. Aber sie gehen in die Richtung 'es ist gut, bio zu essen' – und machen das zwar nicht ausschließlich, aber vielleicht einmal die Woche. Ich würde sagen, das ist die Mehrheit unserer Kundschaft."
Und doch will das Café Gratitude mehr sein als nur ein gesundes Restaurant. Deshalb stellt Kellner Brett jedem Gast bei der Begrüßung eine Frage des Tages:
"Wo sind Sie mit Leib und Seele dabei?"
Die Frage soll einladen zum Tischgespräch, erklärt Restaurantbesitzer Ryland.
"Wenn wir auf unsere Vorfahren schauen, dann war die wichtigste Zeit mit Familie und Freunden die des Brotbrechens, denken Sie ans letzte Abendmahl. Wir teilen eine Mahlzeit, wir ernähren uns physisch - und wir ernähren uns seelisch mit guten Gesprächen. Das wollen wir mit der Frage des Tages in Gang bringen. Aber wenn Sie nur fürs Essen da sind, lieben wir Sie auch."
Ryans Eltern haben das erste Restaurant dieser Art vor zehn Jahren eröffnet, in der Bay Area rund um San Francisco. Wo früher das Zentrum der Hippie-Bewegung war, spielen auch heute Erdverbundenheit und spirituelle Sinnsuche eine große Rolle – nur jetzt eben verbunden mit ökologischem Bewusstsein. Bio ist 'in' in Kalifornien: Das Restaurant im angesagten Stadtteil Venice von Los Angeles, nur ein paar Straßen vom Surferparadies am Pazifischen Ozean entfernt, ist schon die vierte Filiale des Café Gratitude.
"Kalifornien steht für einen sehr gesundem Lebensstil. Das Wetter ist gut, die Leute sind sportlich, und dann fragen sie sich: Wie bleibe ich so aktiv? Klar, dann brauche ich gute Ernährung, kein Gift im Essen, also bio. Die Kunden sind hier aufgeschlossener dafür, und das auch schon länger."
Und so sitzen hier die durchaus wohlhabenden 30- bis 50-Jährigen, die auch sonst das Straßenbild von Venice prägen. Sie haben Geld und sind bereit es auszugeben, wenn sie damit etwas für sich oder ihr gutes Umweltgewissen tun. Wissenschaftler haben sie als eigene demografische Gruppe ausgemacht: Die LOHAS, abgekürzt für das englische Lifestyles of Health and Sustainability - auf Deutsch etwa: gesunder und nachhaltiger Lebensstil. Die LOHAS sind so etwas die bürgerlichen Erben der Hippies. Neben dieser Tradition gibt es aber noch einen zweiten Grund für das kalifornische Umweltbewusstsein.
"Wir haben das Meer, die Berge, die Wüsten, wir haben Seen und Flüsse",
sagt Umweltwissenschaftler David Ginsburg von der University of Southern California.
"Im Umkreis von 100 Meilen können Sie so viele unterschiedliche natürliche Lebensräume besichtigen. Ich glaube, die Leute hier sehen, dass das einzigartig ist, und sie wollen es schützen. Das unterscheidet uns von anderen Teilen der USA mit weniger Vielfalt als gerade Südkalifornien."
Kein Wunder, dass Kalifornien auch Vorreiter bei den Umweltgesetzen ist. Die sind in den USA meist Sache der einzelnen Bundesstaaten. Und oft wird ein Gesetz, das ein besonders fortschrittlicher Staat erlässt, von anderen übernommen.
Manche dieser Regelungen waren bitter nötig: Denn Kalifornien ist nicht nur der Staat der schneeweißen Strände und glasklaren Bergseen. Der Süden ist geprägt vom Moloch Los Angeles, der Mega-City mit 18 Millionen Einwohnern. Weil die Stadt im Smog zu ersticken drohte, wurden hier in den Sechzigern die ersten Abgas-Grenzwerte für Autos erlassen – die dann später auch Länder wie Deutschland übernahmen. Und auch in den USA selbst war der Umweltschutz bald mehr als nur der Traum einiger Hippies in Kalifornien.
Viele US-Amerikaner sahen, dass es mit der Umweltverschmutzung durch Fabriken und Autos so nicht weitergehen konnte. Das Thema beschäftigte bald sogar die Regierung in Washington. Und so war ausgerechnet der konservative, republikanische Präsident Richard Nixon Anfang der Siebziger verantwortlich für große Teile der amerikanischen Umweltgesetzgebung, erklärt Umweltwissenschaftler David Ginsburg.
"Zum Beispiel das Naturschutzgesetz von 1970, das Gesetz zur Reinhaltung des Wassers von 1972. Interessant, dass der Umweltschutz heute das Erbe der Präsidentschaft Nixon prägt. Vieles hat er wohl gemacht, um Wählerstimmen zu kriegen. Die Regierungen dieser Zeit haben den wirklichen Wert der Umwelt gar nicht verstanden, vermutlich war es für sie einfacher, diese Gesetze zu erlassen und mit dem Zeitgeist zu gehen als sich dagegen zu stellen. Erst später, besonders unter Präsident Reagan, haben die Leute verstanden, dass Umweltschutz bares Geld wert ist."
Besonders deutlich wird das in den Supermarktfilialen der Kette Whole Foods – auf Deutsch vielleicht "ganzheitliche Lebensmittel". Mehr als 50 ihrer 330 Geschäfte hat die Kette in Kalifornien, fährt mit Ökoprodukten Umsätze in Milliardenhöhe ein.
Wer einen solchen Laden betritt, sieht als erstes Unmengen an frischem Obst und Gemüse, von fleißigen Mitarbeitern handpoliert und zu Pyramiden aufgetürmt. Die oft riesigen Filialen wirken, als hätte man einen Supermarkt mit dem Garten Eden gekreuzt: sanftes Licht, warme Holztöne, nicht die übliche Dudelmusik der Konkurrenz. Dafür kostet die Mango dann aber eben auch drei Dollar statt anderswo ein Dollar fünzig. Die Bioversion ist sogar noch einen Dollar teurer. Spötter nennen "whole foods" deshalb auch "whole paycheck", weil man hier schnell mal den ganzen Gehaltsscheck ausgibt. Und doch strömen die Kunden.
Kundin 1: "Sie haben die besten Auswahl bei Biolebensmitteln. Und es ist so hübsch präsentiert.”"
Kunde 1: ""Manche Dinge gibt es nur bei Whole Foods. 18 Jahre alter Balsamico-Essig oder auch bestimmte Babynahrung."
Kundin 2: "Es ist sehr teuer. Aber ich mag Biolebensmittel, weil sie gesundheitliche Probleme verhindern.”"
Kunde 2: ""Es ist Gottes Art, dir zu zeigen, dass du zu viel Geld hast.”"
Auf Kunden mit Geld, am besten mit viel Geld, setzt auch Danny Rojany. Er ist Bauunternehmer. Sein jüngstes Objekt ist fast fertig. Und hat für kalifornische Verhältnisse eine echte Besonderheit: Isolierte Wände!
""Hier siehst du den Isolierschaum, der bedeckt die ganze Außenseite des Gebäudes. Und in der Mauer selbst ist geschreddertes Zeitungspapier, das übernimmt den Rest der Isolierung und ist total öko."
Green – also grün und ökologisch ist auch der Rest des Hauses: Statt der sonst üblichen Glühbirnen gibt es LED-Lampen. Das Wasser wird vom Sonnenlicht über Röhren an der Hauswand erwärmt, und auf dem Dach werkeln Solarzellen.
"Ich produziere meinen eigenen Strom, hierher kommt später ein 50-Ampère-Auto-Ladegerät. Dann kann ich mir ein Elektroauto kaufen, damit durch die Stadt fahren und muss nie wieder für Benzin zahlen."
Danny wird erst mal selbst im Haus wohnen – später soll es aber einen reichen Käufer finden. Die Öko-Ausstattung ist für ihn ebenso Statussymbol wie der Rest des Hauses: Es wurde vom selben Architekten entworfen, von dem auch das Traumhaus in der Fernsehserie "Californication" stammt. 350 Quadratmeter Wohnfläche, verteilt auf vier Halbgeschosse. Die Klimaanlagen in jedem Zimmer lassen sich vom Smartphone aus steuern – alles nur vom Feinsten. Auch die Geräte, wie Herd, Waschmaschine und Trockner.
"Es ist schon lustig: Viele der Geräte kommen aus Europa, denn die sparen den meisten Strom."
Ein Filmstar oder einer von Google könnten mögliche Käufer sein, sagte Danny. Er peilt einen Preis von viereinhalb Millionen Dollar an, umgerechnet knapp dreieinhalb Millionen Euro. Allein die für kalifornische Verhältnisse ungewöhnliche Ökoausstattung hat die Baukosten um ein Drittel verteuert. Aber Danny geht mit dem Trend, und öko ist in. Also wollte er so viel öko wie möglich.
"Going green” – die Formulierung findet Joanne Poyourow ziemlich elitär. Mit Luxushäusern hat sie nicht viel am Hut. Sie pflückt gerade Bohnen.
"Sie verstecken sich immer unter den Blättern. Du musst sie suchen. Und wenn Du denkst, Du hast sie alle, dann ist bestimmt tief unten noch was übrig."
Auf einem ungenutzten Vorgartengrundstück vor einer Kirche im Westen von Los Angeles hat Joanne mit Freunden vor ein paar Jahren einen "Community Garden" angelegt, eine Art Lehrgarten. In einer Gegend, wo sonst die Gärten eigentlich nur schön sein sollen, gibt Joanne kostenlose Kurse, wie man Obst und Gemüse anbaut.
"Die Idee des Gemüsegartens hat in der Stadt großen Zulauf. Viele Leute kehren wieder zum Nutzgarten zurück. Manche erinnern sich an ihre Kindheit, andere wollen so einen Garten für ihre eigenen Kinder, wieder andere haben ökologische Beweggründe, oder sie wollen einfach wissen, was in ihrem Essen ist."
Jetzt, im Oktober, wenn die größte Sommerhitze vorbei ist, pflanzt Joanne Salat an, Mangold, Grünkohl oder Erbsen. Die Ernte des Gartens geht an eine lokale Suppenküche. Für Joanne ist Ökologie ein Lebensprinzip – und kein Statussymbol wie für manche der jungen, wohlhabenden Kalifornier, die sich einen Hybrid-Auto kaufen und dann eben doch jeden Meter damit fahren, statt mal zu Fuß zu gehen. Joanne will, dass die Leute umdenken. Aber das sei für ihre Landsleute gar nicht so einfach.
"Wir hatten halt immer ein großes Land, und unsere Geschichte ist die der Erschließung dieses Landes. Wenn wir mehr gebraucht haben, sind wir einfach aufs nächste Stück Land gegangen. Es gab immer dieses 'Mehr'."
Das 'Mehr und mehr' sei deshalb lange fester Bestandteil der amerikanischen Kulturgeschichte gewesen.
"Der Pioniergeist ist tief in unserer Geschichte verankert. Bis hin zu den großen Unternehmen, die immer weiter wachsen. Das macht unser ganzes Verständnis als Nation aus. Und nun, da die Ressourcen sich als endlich herausstellen, müssen wir auf einmal ganz grundsätzlich umdenken."
Doch dieses Umdenken braucht einfach Zeit. Denn manche Gewohnheiten sind tief im Alltagsverhalten vieler Kalifornier verwurzelt. Beispiel Wasserbedarf: Während der durchschnittliche Deutsche um die 120 Liter Wasser am Tag verbraucht, sind es in Los Angeles 700 Liter pro Einwohner am Tag, in manchen Wüstenregionen sogar fast 1800 Liter.
Und drei Viertel davon versickern wortwörtlich im Boden, sagt Umweltwissenschaftler David Ginsburg. In vielen kalifornischen Gärten laufen fast täglich die Wassersprenger, um trotz des heißen Klimas die Illusion eines ewig grünen Rasens am Leben zu erhalten.
David Ginsburg: "Vielleicht werden wir in der Zukunft entscheiden müssen, dass wir keine Rasenflächen mehr haben. Wir leben in einer Wüste, Südkalifornien ist eine Wüste. Und eine Rasenfläche ist wirklich nicht Teil dieses Ökosystems."
Aber natürlich wäre ein solches Verbot nur schwer durchzusetzen in einem Land, das die Freiheit und die freie Entscheidung des Einzelnen als höchstes Gut ansieht. Joanne jedenfalls will auf Veränderung von oben nicht warten.
"Wenn der Wandel kommt, dann geht er von uns aus, von der Basis. Auf die Regierung können wir da nicht warten, denn wenn von dort ein Wandel ausgeht, wird es zu wenig sein – und zu spät."
Schützenhilfe könnte sie von Unternehmern wie Ryland erhalten, dem Besitzer des Café Gratitude. Auch wenn im vermeintlichen Vorzeigestaat Kalifornien beim Thema Bio längst nicht alles grün ist – als Geschäftsmann hat er seine Nische gefunden. Ökologie könne ein kalifornischer Exportschlager werden, sagt er. Ein Café Gratitude gebe es inzwischen auch in Kansas City – mehr als zweitausend Kilometer im Landesinnern.
"Kansas City – das ist in der Mitte der Vereinigten Staaten. Wer sagt, dass wir da keinen Erfolg haben? Den haben wir nämlich, und ich höre, dass es dort sogar besonders viel Enthusiasmus gibt. Vielleicht sind die Kundenzahlen noch nicht so hoch wie hier. Aber es gibt eine Menge Leute dort, die aufwachen und sagen: Ich kümmere mich jetzt um mich selbst, ich kümmere mich um die Erde."
Schon einmal, in der Zeit der Blumenkinder, hat Kalifornien den anderen Bundesstaaten den Weg gewiesen. Vielleicht sind es heute nicht die Hippies, sondern ihre geschäftstüchtigen Kinder, die als ökologisch engagierte Unternehmer dem Thema Umweltschutz in den USA zu einem zweiten Frühling verhelfen.
Brett: "Glückwunsch, Sie werden heute sehr gut essen. Wir sind hundert Prozent vegan, hundert Prozent bio. Alle Zutaten kaufen wir von örtlichen Bauern. Es gibt hier keine Dosen, keine Dosenöffner. Wir bereiten alles frisch zu, jeden Tag."
Das Zauberwort heißt "organic", also bio. Auf der Karte steht Zucchini-Kokosnuss-Salat mit Tomaten und roten Zwiebeln oder ein Wrap mit Humus, Gurke und Chili. Die Preise für ein Hauptgericht liegen bei umgerechnet um die zehn Euro – nicht teurer als in anderen, Nicht-Bio-Restaurants. Die gut 90 Plätze sind an diesem Mittag fast alle belegt. Und zwar längst nicht nur von Vegetariern oder den noch strengeren Veganern, erklärt Restaurantbesitzer Ryland Engelhart:
"Nein, absolut nicht! Wenn Sie normalerweise mittags einen Burger essen, dann finden Sie bei uns trotzdem etwas, dass Sie satt macht. Ich würde sagen: 60 Prozent unserer Kunden sind nicht mal Vegetarier. Aber sie gehen in die Richtung 'es ist gut, bio zu essen' – und machen das zwar nicht ausschließlich, aber vielleicht einmal die Woche. Ich würde sagen, das ist die Mehrheit unserer Kundschaft."
Und doch will das Café Gratitude mehr sein als nur ein gesundes Restaurant. Deshalb stellt Kellner Brett jedem Gast bei der Begrüßung eine Frage des Tages:
"Wo sind Sie mit Leib und Seele dabei?"
Die Frage soll einladen zum Tischgespräch, erklärt Restaurantbesitzer Ryland.
"Wenn wir auf unsere Vorfahren schauen, dann war die wichtigste Zeit mit Familie und Freunden die des Brotbrechens, denken Sie ans letzte Abendmahl. Wir teilen eine Mahlzeit, wir ernähren uns physisch - und wir ernähren uns seelisch mit guten Gesprächen. Das wollen wir mit der Frage des Tages in Gang bringen. Aber wenn Sie nur fürs Essen da sind, lieben wir Sie auch."
Ryans Eltern haben das erste Restaurant dieser Art vor zehn Jahren eröffnet, in der Bay Area rund um San Francisco. Wo früher das Zentrum der Hippie-Bewegung war, spielen auch heute Erdverbundenheit und spirituelle Sinnsuche eine große Rolle – nur jetzt eben verbunden mit ökologischem Bewusstsein. Bio ist 'in' in Kalifornien: Das Restaurant im angesagten Stadtteil Venice von Los Angeles, nur ein paar Straßen vom Surferparadies am Pazifischen Ozean entfernt, ist schon die vierte Filiale des Café Gratitude.
"Kalifornien steht für einen sehr gesundem Lebensstil. Das Wetter ist gut, die Leute sind sportlich, und dann fragen sie sich: Wie bleibe ich so aktiv? Klar, dann brauche ich gute Ernährung, kein Gift im Essen, also bio. Die Kunden sind hier aufgeschlossener dafür, und das auch schon länger."
Und so sitzen hier die durchaus wohlhabenden 30- bis 50-Jährigen, die auch sonst das Straßenbild von Venice prägen. Sie haben Geld und sind bereit es auszugeben, wenn sie damit etwas für sich oder ihr gutes Umweltgewissen tun. Wissenschaftler haben sie als eigene demografische Gruppe ausgemacht: Die LOHAS, abgekürzt für das englische Lifestyles of Health and Sustainability - auf Deutsch etwa: gesunder und nachhaltiger Lebensstil. Die LOHAS sind so etwas die bürgerlichen Erben der Hippies. Neben dieser Tradition gibt es aber noch einen zweiten Grund für das kalifornische Umweltbewusstsein.
"Wir haben das Meer, die Berge, die Wüsten, wir haben Seen und Flüsse",
sagt Umweltwissenschaftler David Ginsburg von der University of Southern California.
"Im Umkreis von 100 Meilen können Sie so viele unterschiedliche natürliche Lebensräume besichtigen. Ich glaube, die Leute hier sehen, dass das einzigartig ist, und sie wollen es schützen. Das unterscheidet uns von anderen Teilen der USA mit weniger Vielfalt als gerade Südkalifornien."
Kein Wunder, dass Kalifornien auch Vorreiter bei den Umweltgesetzen ist. Die sind in den USA meist Sache der einzelnen Bundesstaaten. Und oft wird ein Gesetz, das ein besonders fortschrittlicher Staat erlässt, von anderen übernommen.
Manche dieser Regelungen waren bitter nötig: Denn Kalifornien ist nicht nur der Staat der schneeweißen Strände und glasklaren Bergseen. Der Süden ist geprägt vom Moloch Los Angeles, der Mega-City mit 18 Millionen Einwohnern. Weil die Stadt im Smog zu ersticken drohte, wurden hier in den Sechzigern die ersten Abgas-Grenzwerte für Autos erlassen – die dann später auch Länder wie Deutschland übernahmen. Und auch in den USA selbst war der Umweltschutz bald mehr als nur der Traum einiger Hippies in Kalifornien.
Viele US-Amerikaner sahen, dass es mit der Umweltverschmutzung durch Fabriken und Autos so nicht weitergehen konnte. Das Thema beschäftigte bald sogar die Regierung in Washington. Und so war ausgerechnet der konservative, republikanische Präsident Richard Nixon Anfang der Siebziger verantwortlich für große Teile der amerikanischen Umweltgesetzgebung, erklärt Umweltwissenschaftler David Ginsburg.
"Zum Beispiel das Naturschutzgesetz von 1970, das Gesetz zur Reinhaltung des Wassers von 1972. Interessant, dass der Umweltschutz heute das Erbe der Präsidentschaft Nixon prägt. Vieles hat er wohl gemacht, um Wählerstimmen zu kriegen. Die Regierungen dieser Zeit haben den wirklichen Wert der Umwelt gar nicht verstanden, vermutlich war es für sie einfacher, diese Gesetze zu erlassen und mit dem Zeitgeist zu gehen als sich dagegen zu stellen. Erst später, besonders unter Präsident Reagan, haben die Leute verstanden, dass Umweltschutz bares Geld wert ist."
Besonders deutlich wird das in den Supermarktfilialen der Kette Whole Foods – auf Deutsch vielleicht "ganzheitliche Lebensmittel". Mehr als 50 ihrer 330 Geschäfte hat die Kette in Kalifornien, fährt mit Ökoprodukten Umsätze in Milliardenhöhe ein.
Wer einen solchen Laden betritt, sieht als erstes Unmengen an frischem Obst und Gemüse, von fleißigen Mitarbeitern handpoliert und zu Pyramiden aufgetürmt. Die oft riesigen Filialen wirken, als hätte man einen Supermarkt mit dem Garten Eden gekreuzt: sanftes Licht, warme Holztöne, nicht die übliche Dudelmusik der Konkurrenz. Dafür kostet die Mango dann aber eben auch drei Dollar statt anderswo ein Dollar fünzig. Die Bioversion ist sogar noch einen Dollar teurer. Spötter nennen "whole foods" deshalb auch "whole paycheck", weil man hier schnell mal den ganzen Gehaltsscheck ausgibt. Und doch strömen die Kunden.
Kundin 1: "Sie haben die besten Auswahl bei Biolebensmitteln. Und es ist so hübsch präsentiert.”"
Kunde 1: ""Manche Dinge gibt es nur bei Whole Foods. 18 Jahre alter Balsamico-Essig oder auch bestimmte Babynahrung."
Kundin 2: "Es ist sehr teuer. Aber ich mag Biolebensmittel, weil sie gesundheitliche Probleme verhindern.”"
Kunde 2: ""Es ist Gottes Art, dir zu zeigen, dass du zu viel Geld hast.”"
Auf Kunden mit Geld, am besten mit viel Geld, setzt auch Danny Rojany. Er ist Bauunternehmer. Sein jüngstes Objekt ist fast fertig. Und hat für kalifornische Verhältnisse eine echte Besonderheit: Isolierte Wände!
""Hier siehst du den Isolierschaum, der bedeckt die ganze Außenseite des Gebäudes. Und in der Mauer selbst ist geschreddertes Zeitungspapier, das übernimmt den Rest der Isolierung und ist total öko."
Green – also grün und ökologisch ist auch der Rest des Hauses: Statt der sonst üblichen Glühbirnen gibt es LED-Lampen. Das Wasser wird vom Sonnenlicht über Röhren an der Hauswand erwärmt, und auf dem Dach werkeln Solarzellen.
"Ich produziere meinen eigenen Strom, hierher kommt später ein 50-Ampère-Auto-Ladegerät. Dann kann ich mir ein Elektroauto kaufen, damit durch die Stadt fahren und muss nie wieder für Benzin zahlen."
Danny wird erst mal selbst im Haus wohnen – später soll es aber einen reichen Käufer finden. Die Öko-Ausstattung ist für ihn ebenso Statussymbol wie der Rest des Hauses: Es wurde vom selben Architekten entworfen, von dem auch das Traumhaus in der Fernsehserie "Californication" stammt. 350 Quadratmeter Wohnfläche, verteilt auf vier Halbgeschosse. Die Klimaanlagen in jedem Zimmer lassen sich vom Smartphone aus steuern – alles nur vom Feinsten. Auch die Geräte, wie Herd, Waschmaschine und Trockner.
"Es ist schon lustig: Viele der Geräte kommen aus Europa, denn die sparen den meisten Strom."
Ein Filmstar oder einer von Google könnten mögliche Käufer sein, sagte Danny. Er peilt einen Preis von viereinhalb Millionen Dollar an, umgerechnet knapp dreieinhalb Millionen Euro. Allein die für kalifornische Verhältnisse ungewöhnliche Ökoausstattung hat die Baukosten um ein Drittel verteuert. Aber Danny geht mit dem Trend, und öko ist in. Also wollte er so viel öko wie möglich.
"Going green” – die Formulierung findet Joanne Poyourow ziemlich elitär. Mit Luxushäusern hat sie nicht viel am Hut. Sie pflückt gerade Bohnen.
"Sie verstecken sich immer unter den Blättern. Du musst sie suchen. Und wenn Du denkst, Du hast sie alle, dann ist bestimmt tief unten noch was übrig."
Auf einem ungenutzten Vorgartengrundstück vor einer Kirche im Westen von Los Angeles hat Joanne mit Freunden vor ein paar Jahren einen "Community Garden" angelegt, eine Art Lehrgarten. In einer Gegend, wo sonst die Gärten eigentlich nur schön sein sollen, gibt Joanne kostenlose Kurse, wie man Obst und Gemüse anbaut.
"Die Idee des Gemüsegartens hat in der Stadt großen Zulauf. Viele Leute kehren wieder zum Nutzgarten zurück. Manche erinnern sich an ihre Kindheit, andere wollen so einen Garten für ihre eigenen Kinder, wieder andere haben ökologische Beweggründe, oder sie wollen einfach wissen, was in ihrem Essen ist."
Jetzt, im Oktober, wenn die größte Sommerhitze vorbei ist, pflanzt Joanne Salat an, Mangold, Grünkohl oder Erbsen. Die Ernte des Gartens geht an eine lokale Suppenküche. Für Joanne ist Ökologie ein Lebensprinzip – und kein Statussymbol wie für manche der jungen, wohlhabenden Kalifornier, die sich einen Hybrid-Auto kaufen und dann eben doch jeden Meter damit fahren, statt mal zu Fuß zu gehen. Joanne will, dass die Leute umdenken. Aber das sei für ihre Landsleute gar nicht so einfach.
"Wir hatten halt immer ein großes Land, und unsere Geschichte ist die der Erschließung dieses Landes. Wenn wir mehr gebraucht haben, sind wir einfach aufs nächste Stück Land gegangen. Es gab immer dieses 'Mehr'."
Das 'Mehr und mehr' sei deshalb lange fester Bestandteil der amerikanischen Kulturgeschichte gewesen.
"Der Pioniergeist ist tief in unserer Geschichte verankert. Bis hin zu den großen Unternehmen, die immer weiter wachsen. Das macht unser ganzes Verständnis als Nation aus. Und nun, da die Ressourcen sich als endlich herausstellen, müssen wir auf einmal ganz grundsätzlich umdenken."
Doch dieses Umdenken braucht einfach Zeit. Denn manche Gewohnheiten sind tief im Alltagsverhalten vieler Kalifornier verwurzelt. Beispiel Wasserbedarf: Während der durchschnittliche Deutsche um die 120 Liter Wasser am Tag verbraucht, sind es in Los Angeles 700 Liter pro Einwohner am Tag, in manchen Wüstenregionen sogar fast 1800 Liter.
Und drei Viertel davon versickern wortwörtlich im Boden, sagt Umweltwissenschaftler David Ginsburg. In vielen kalifornischen Gärten laufen fast täglich die Wassersprenger, um trotz des heißen Klimas die Illusion eines ewig grünen Rasens am Leben zu erhalten.
David Ginsburg: "Vielleicht werden wir in der Zukunft entscheiden müssen, dass wir keine Rasenflächen mehr haben. Wir leben in einer Wüste, Südkalifornien ist eine Wüste. Und eine Rasenfläche ist wirklich nicht Teil dieses Ökosystems."
Aber natürlich wäre ein solches Verbot nur schwer durchzusetzen in einem Land, das die Freiheit und die freie Entscheidung des Einzelnen als höchstes Gut ansieht. Joanne jedenfalls will auf Veränderung von oben nicht warten.
"Wenn der Wandel kommt, dann geht er von uns aus, von der Basis. Auf die Regierung können wir da nicht warten, denn wenn von dort ein Wandel ausgeht, wird es zu wenig sein – und zu spät."
Schützenhilfe könnte sie von Unternehmern wie Ryland erhalten, dem Besitzer des Café Gratitude. Auch wenn im vermeintlichen Vorzeigestaat Kalifornien beim Thema Bio längst nicht alles grün ist – als Geschäftsmann hat er seine Nische gefunden. Ökologie könne ein kalifornischer Exportschlager werden, sagt er. Ein Café Gratitude gebe es inzwischen auch in Kansas City – mehr als zweitausend Kilometer im Landesinnern.
"Kansas City – das ist in der Mitte der Vereinigten Staaten. Wer sagt, dass wir da keinen Erfolg haben? Den haben wir nämlich, und ich höre, dass es dort sogar besonders viel Enthusiasmus gibt. Vielleicht sind die Kundenzahlen noch nicht so hoch wie hier. Aber es gibt eine Menge Leute dort, die aufwachen und sagen: Ich kümmere mich jetzt um mich selbst, ich kümmere mich um die Erde."
Schon einmal, in der Zeit der Blumenkinder, hat Kalifornien den anderen Bundesstaaten den Weg gewiesen. Vielleicht sind es heute nicht die Hippies, sondern ihre geschäftstüchtigen Kinder, die als ökologisch engagierte Unternehmer dem Thema Umweltschutz in den USA zu einem zweiten Frühling verhelfen.