Umzugshelfer für den Himmel auf Erden
Orgeln sollen dafür da sein, den Himmel auf die Erde zu holen - doch wenn eine Kirche schließt, müssen sie plötzlich weg. Andreas Ladach ist Orgel-Makler. Er baut sie auseinander, nimmt sie mit und versucht, einen Käufer zu finden. Und dabei fühlt er sich manchmal wie ein Gebrauchtwagenhändler.
Bunt gefärbtes Licht scheint durch die meterhohen Fenster der Trinitatis Kirche in Wuppertal; malt Muster auf Holzornamente und Pfeifen unterschiedlichster Orgeln. Mehr als 50 Instrumente stehen hier dicht an dicht.
Auf dem Altar streckt eine alte englische Orgel ihre riesigen Pfeifen in die Luft. Auf der Empore: eine schlichte, unverzierte Orgel aus der Schweiz.
Aus ihrer alten Heimatkirche mussten die Instrumente raus. Meist, weil die Kirchen schließen mussten. Nun haben sie Obdach im Ausstellungsraum von Gebraucht-Orgel-Händler Andreas Ladach gefunden.
"Wir haben schon Orgeln abgebaut, wo die Leute geheult haben, klar. Organisten sitzen jeden Sonntag an der Orgel und haben auch emotionale Momente mit der Orgel erlebt. Es gibt Hochzeiten, aber Todesfälle auch. Es gibt Freud und Leid an der Orgel sozusagen."
Die Kunden kommen aus aller Welt
Mit der andächtigen Stille ist es in dem über 100 Jahre alten Kirchenbau endgültig vorbei. Ladach und sein Mitarbeiter werkeln an einem der Instrumente – und ständig klingelt Ladachs Telefon.
"Andreas Ladach. Soll ich auf Deutsch oder Italienisch sprechen?"
Kunden aus ganz Europa, Mexiko, Indien oder Afrika rufen an.
"Mille Grazie, bis bald."
Und vor der Tür steht Kundschaft aus Krefeld. Der Kirchenvorstand, ein Mitglied aus dem Leitungsteam, der Priester und der Kantor einer Kirchengemeinde sind angereist, um eines der Instrumente Probe zu spielen. Ladach führt seine Besucher durch den Mittelgang. Ganz schön eng ...
"Ja, es ist voll geworden hier. Wenn Kirchen geschlossen werden, dann vergessen die Kirchengemeinden plötzlich, dass sie eine Orgel haben."
Die Besucher aus Krefeld interessieren sich für ein schlichtes Modell aus hellem Holz.
Scholz: "Wo kommt die jetzt her?"
Andreas Ladach: "Die kommt aus den Niederlanden."
Etwa 40.000 Euro soll sie kosten – und könnte möglicherweise in die Kirche in Krefeld passen, sagt Kirchenmusiker Christoph Scholz – und setzt sich an das Instrument. In seiner Gemeinde spielt er bisher noch auf einer provisorischen Orgel.
Christoph Scholz: "Das optimale Instrument für einen Raum würde man immer neu bauen. Aber das ist in einer finanziellen Größenordnung..."
Kirchenvorstand: "Da sind die Zeichen der Zeit andere, da muss man auch Kompromisse eingehen."
Christoph Scholz: "Eine alte englische Orgel ist stilistisch natürlich was ganz anderes als eine Verschueren-Orgel aus den 70ern. Das ist wie wenn man ein Barockensemble mit einem romantischen Orchester vergleicht."
Der Orgel-Makler muss auch Kirchenstrukturen kennen
Ladach: "Ja, oder ein Polo mit einem Triumph. Ich würde sagen, das hier ist der VW-Golf."
Und auch bei dem würde ein Blick unter die Motorhaube dazugehören.
Scholz: "Wie kommt man da ran?"
Ladach: "Ich mache ihnen die Klappe auf."
Nicht nur die Instrumente. Auch die Organisten, Gemeindevorsteher und Priester haben so ihre Eigenarten, meint Ladach. Wer da vermitteln möchte, muss sich mit den Strukturen einer Kirchengemeinde genauso gut auskennen, wie zwischen Pfeifen, Ventilen und Abstrakten im Inneren der Orgel.
Scholz: "Ja, der erste Eindruck ist sehr schön. Ein bisschen herbe Klänge, nicht so süßlich."
Bei der Gemeinde aus Krefeld scheinen sich Orgel und Organist gefunden zu haben.
"Aber es ist natürlich ein kleines Instrument mit elf Registern, eher ein Polo... (lachen) Aber es ist natürlich Quatsch mit dem Auto-Vergleich, weil, es handelt weniger um etwas, das einem Zweck dient, als mehr einen Sinn. Es ist nicht zum Nutzen da, sondern, um den Himmel auf Erden zu holen."