Neue Musik von der "ernsten" NDW
Die Neue Deutsche Welle stand in den 80ern nicht nur für Nena und Markus oder Hubert Kah. Mit D.A.F., FSK oder Malaria gab es eine künstlerisch noch avanciertere Variante: die Original Neue Deutsche Welle (ONDW). Deren Musiker bringen nun neue Alben raus.
Nicht zu spät ist es für neue Musik von Der Plan, auch wenn die drei Musiker den Herbst des Lebens erreicht haben. Wie kommt es, dass Bands die im Namen der "Neuen Deutschen Welle" angefangen haben, heute, bald 40 Jahre später, immer noch gefragt sind, manche mehr denn je? Während andere aus der "Neuen Deutschen Welle" ihre Hits von damals zur Eröffnung von Möbelhäusern zum Besten geben?
Er gibt immer noch Gas – aber vorbei ist der Spaß. Markus, ein klassischer Vertreter der INDW. INDW steht für Industrielle Neue Deutsche Welle, und das war die Antwort auf die ONDW, die Original Neue Deutsche Welle. Zu dieser ONDW gehören Ende der Siebziger genau die Bands, die in diesen Tagen wieder auftauchen: Die Deutsch-Amerikanische Freundschaft und Der Plan, FSK und Gudrun Gut. Damals sind sie Untergrund-Phänomene in keinem Feuilleton erwähnt. In Spezialistenmagzinen wie "SOUNDS" werden die Graswurzelaktivitäten aus den Subkulturen zu einer Bewegung hochgeschrieben: Neue Deutsche Welle.
Die Neue Deutsche Welle boomte mit Eintagsfliegen
Die damals noch schlagkräftige Kulturindustrie erkennt das kommerzielle Potenzial des Begriffs Neue Deutsche Welle und vermarktet alles, was irgendwie bunt, schrill und deutschsprachig daherkommt. NDW boomt mit Eintagsfliegen wie Hubert Kah und Frl. Menke, Markus und Nena werden zum Traumpaar, aber nach den Flitterwochen ist der Spaß vorbei. Nena zieht weiter, der Rest verschwindet. Und die Protagonisten der Original Neuen Deutschen Welle? Die bleiben in der Nische.
"Luigi Russolo sagt, dass Metallmaschinen neuen Göttern dienen, die die alten Städte in Schutt und Asche legen." Singt Thomas Meinecke von der Münchner Band FSK auf dem neuen Album: "Ein Haufen Scheiß und ein zertrümmertes Klavier". Eine Hommage auf den futuristischen Maler und Musiker Luigi Russolo. "Ein Haufen Scheiß und ein zertrümmertes Klavier" wird 2015 von FSK live uraufgeführt als Auftragsarbeit im Berliner Haus der Kulturen der Welt, zertrümmertes Klavier inklusive. Der Mitschnitt wird später ge-remixt, vom Berliner Techno-Produzenten Marcel Dettmann.
FSK – der Name steht für Freiwillige Selbstkontrolle, heute bezeichnen sie sich als Art School Band und arbeiten an der Schnittstelle zur Bildenden Kunst. Michaela Melian, die einzige Frau in der Band, ist Kunstprofessorin in Hamburg, Justin Hoffmann leitet den Kunstverein Wolfsburg, Thomas Meinecke ist Schriftsteller. Eine Hommage auf Luigi Russolo, auch diese Fährte führt in die Hochkultur, wie der Ort des Geschehens, das Haus der Kulturen der Welt. Dessen Musikbereich leitet Detlef Diederichsen, noch ein Veteran der ONDW mit der Band Die Zimmermänner. Detlef Diederichsens Bruder Diedrich wiederum ist als Doyen der deutschen Pop-Kritik ein journalistischer Geburtshelfer der ONDW, inzwischen Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Die ONDW aus den späten 70ern empfängt die Weihen der Hochkultur. Ihre Protagonisten bleiben auch mit 60 auf der Höhe der Zeit. So kommen FSK mit dem Techno-Produzenten Marcel Dettmann zusammen. Apropos Techno.
Prägung durch Punk
"Repetition", ein Track von Gudrun Gut aus dem Album "Monika Werkstatt". Das erscheint zum 20. Geburtstag von Monika Schallplatten, die Firma von Gudrun Gut, noch so eine Schlüsselfigur der Original Neuen Deutschen Welle. Gut hat die Einstürzenden Neubauten mitbegründet und danach viele Frauenbands, deren Name mit M beginnt: Mania D, Malaria, Matador und später eben Monika Schallplatten. Zum Jubiläum ihrer Plattenfirma formuliert Gudrun Gut ein Credo, dem wohl die meisten Pioniere der ONDW zustimmen würden.
Gudrun Gut: "Man sollte es möglichst nicht können. Das Neue schöpft man aus dem Nicht-Können, das war so ne komische Idee."
Die komische Idee aus dem Humus der sogenannten Genialen Dilettanten geht zurück auf eine alte Erkenntnis: Kunst kommt nicht von Können. Gemeinsam ist den heute um die Sechzigjährigen die Prägung durch Punk:
"Für mich war das ein wichtiger Moment, es war ja auch meine Jugend. In jeder Jugend passiert irgendwas, was einen prägt. Die Haltung ist bei mir nach wie vor wichtig, ein bisschen punkig. Also wenn was nicht gehen soll…(grollendes hmmm), das glaub ich denn immer nicht (lacht)."
Und so geht sie immer weiter, die Original Neue Deutsche Welle, kein Ende in Sicht.