Dienstag, früher Abend im Lido, Berlin-Kreuzberg, Schlesische Straße Ecke Cuvrystraße. Wo einmal ein Kino und dann die Probebühne der Schaubühne war, wird die WM gezeigt. Auf einer großen Leinwand, Eintritt frei. Italien spielt gegen Uruguay. Wer verliert ist ausgeschieden.
Viele Italiener sitzen im Saal und fiebern mit. Wirken sie etwa nervös?
Ich stehe mit drei Freunden an der Bar. Noch ist es kein großes Fußballfest. Es passiert eher wenig.
L. erzählt von seiner neuen Hausratsversicherung, sie koste 102 Euro im Jahr.
M. berichtet von Beziehungsproblemen. Er schaue zu viel Fußball, immer draußen, das gefalle seiner Freundin nicht.
Pirlo, Cavani und Suarez sind bei uns. Auf der Schlesischen Straße fahren die Autos mit eingeschalteten Lichtern vorbei. Es regnet schon wieder.
Wir unterhalten uns über den Sommer.

Ein Typ zieht, auf einem Skatboard fahrend, eine Sackkarre hinter sich her, auf der drei Umzugskisten übereinander gestapelt sind. Noch während wir diese Konstruktion und uns neue Art der Fortbewegung bewundern, fallen alle Kisten herab, mitten auf die Schlesische Straße.
Balotelli bekommt eine gelbe Karte. Und mir fällt ein, dass ich bei der vorvorletzten WM 2002 gern im San Remo Fußball geschaut habe, hier um die Ecke. Auch das verlorene Finale habe ich dort gesehen.
Ist das lange her.

In der Halbzeitpause reden wir über den amerikanischen Austauschstudenten, der in der Tübinger Vagina-Skulptur stecken blieb.
P. erzählt, dass die Meldung mit dem Titel "US student is rescued from giant vagina sculpture in Germany" auf der Internet-Seite des Guardians im Laufe des Tages die zweitmeisten Klicks aller Zeiten erzeugte. Nur Edward Snowdens Enthüllungen hatten mehr.

Plötzlich: Rote Karte für Marchisio, Italien ist nur noch zu zehnt.
Endlich passiert etwas, große Aufregung im Saal, italienische Entrüstung.
Dann beißt Luis Suarez zu. Ja, er tut es wieder, zum dritten mal. Chiellini zeigt Zahnabdrücke, zeigt seine Wunde.