"Du schöne Tür"
Die Dramatikerin Marianna Salzmann liefert in dieser Woche die "Originaltöne" unter dem Titel "Coming out". Im fünften Teil schreibt sie von einer unerwiderten Liebe.
Feli. Du, Feli.
Ich stand heute vor deinem Fenster. Das wird jetzt peinlich, aber du weißt, dass ich immer alles aussprechen muss, was mir in den Kopf kommt. Also. Ich war da. Ich wollte Hallo sagen. Der Tür. Nicht dir. Ich weiß, ich darf das nicht.
Ich habe hoch geguckt und mir eingebildet, du sitzt auf deiner Fensterbank und schaust zu mir runter, deine Füße baumeln, deine Hand winkt und ich kriege Angst, das ist doch gefährlich aus dem vierten Stock, und ich gehe schnell weg, habe Angst, dass du runterfällst wegen mir, und komme dann schnell wieder und stell mich ganz nah an die Tür, so dass du mich nicht sehen kannst von da oben.
Ich wollte Hallo sagen.
Hallo.
Du schöne Tür.
Ich muss bescheuert ausgesehen haben, ich stand vor der Tür und ein Postmann hat mich angerempelt, wahrscheinlich dachte er, ich bin eine Verrückte, ist einfach durch mich durchgegangen mit einem Eilbrief nach oben. Ich wollte zuerst ihm nach und dann dachte ich – natürlich nicht. Dann stehe ich eben vor der anderen Tür. Vor deiner Wohnungstür. Und am besten kommt dein Mann raus.
Ich stelle mir deine Wohnung vor. Es muss warm sein. Hier unten auf der Straße, ich friere trotz Sommer, ich meine, ist doch Sommer jetzt oder wie, und stelle mir vor, wie sonnig und warm deine Wohnung ist und wie warm deine Haut und warum ich dich nicht küssen darf, nie mehr küssen darf, einfach auf die Wange wie eine gute Freundin, was ist schon dabei.
Ich würde dir gerne meine Zähne da lassen, du kannst sie mir wieder mitbringen, wenn wir uns sehen, damit sie mich nicht so irritieren mit ihrem Klappern, wenn du nicht da bist.
Ich weiß, dass ich wegrenne, wieder wegrenne, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich das Gefühl, du läufst vor mir weg. So habe ich dich schon immer gesehen, wie einen Punkt, der sich von mir entfernt. Kannst du nicht bleiben?