Originalton

Liebste Emily

Kommt geschäftlich oder im Urlaub noch vor: Briefe verschicken.
Schriftstellerinnen-Brieffreundschaft: daraus liest die Autorin Inger-Maria Mahlke Schnipsel © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Inger-Maria Mahlke |
Die Autorin Inger-Maria Mahlke, unter anderem Preisträgerin des Open Mike, präsentiert in dieser Woche Texte und Gedankensplitter aus ihrer Werkstatt. Heute sind das Briefanfänge, die einen Eindruck geben von der Freundschaft der US-amerikanischen Schriftstellerinnen Djuna Barnes und Emily Coleman.
2. Mai 1935
Liebste Emily:
Wie schön, so schnell Antwort von Dir zu bekommen.
5. Mai
Liebste Emily:
Danke für den Scheck, und vergiss den einen Dollar nochwas.
23. Juni
Liebste Emily:
Tapfer mit einem Füller angefangen und dann aufgegeben.
28. Juni
Liebste Emily:
Froh, heute morgen einen Brief von Dir zu erhalten. Ich wünschte, ich wäre in Dresden...
24. Juli
Emily. Ich habe das Buch gestern, den dreiundzwanzigsten Juli, zu Peggys Händen an Dich abgeschickt.
20. September
Liebste Emily:
Deinen wunderbaren, peinigenden, zornheischenden Brief gelesen.
23. September
Emily -
Gerade meinen Brief an Dich noch einmal durchgelesen. Er klingt scheußlich, wo ich Dich doch so schätze.
4. Juli 1936
Liebste Emily -
Was bist Du für ein Teufel!
18. Juli
Liebste Emily -
morgen um 11 breche ich nach Paris auf – noch immer nichts definitives wegen der Wohnung - …
8. September
Liebste Emily:
...Ich habe noch nichts von Peggy gehört, mir aber von Janet etwas geliehen, es ist also fürs erste in Ordnung, insofern eine Sache wie diese überhaupt in Ordnung sein kann.
23. Dezember
Liebste Emily,
verzeih, dass ich nicht früher geschrieben habe, ich habe zwei Briefe an Dich begonnen, einer davon vier Seiten lang, aber beschlossen sie nicht abzuschicken., da sich grundsätzlich niemand an den Nöten anderer erfreut oder Interesse daran nimmt […]
3. Februar 1937
Teuerste Emily,
ich bin so froh über Deinen sehr (überwiegend) lieben Brief.
9. Februar
Teuerste Emily,
ich "soll" also verkaufen, aber was sonst habe ich denn mit der verdammten Wohnung seit über drei Jahren anzustellen versucht?
20. Oktober
Emily, Herzchen -
Immer noch am Einrichten meines verrückten Studios
14. Juli 1938
Meine liebste Emily:
Kein weiteres Wort von Dir – für mich sehr besorgniserregend, aber ich hoffe, Du bist einfach nur so überglücklich, […]
19. August
Emily, Herzchen:
Deinen Brief finde ich äußerst bedrückend.
12. Dezember
Liebste Emily,
Nun bin ich wirklich sicher, dass Du böse auf mich bist, so lange ist's her, dass ich von Dir gehört habe.
15. Dezember
Emily, Herzchen:
Heute habe ich endlich Deinen Brief bekommen, aber leider zwanzig Stunden zu spät! Denn gestern habe ich ein Wahnsinnsschreiben an Dich abgeschickt, nachdem ich zuletzt zu der Überzeugung gelangt war, meiner müsse Dich so verärgert haben, dass Du nicht mehr korrespondieren wolltest.

Kleine Formen erproben und mit den Möglichkeiten des Radios spielen: "Originalton" heißt eine tägliche Rubrik unserer Sendung "Lesart" - kurze Texte, um die wir Schriftsteller bitten. Die Originaltöne dieser Woche stammen von der Autorin Inger Maria-Mahlke. Es sind Schnipsel aus der Werkstatt der Autorin, Texte und Gedankensplitter, die Auskunft geben über das, was sie gerade interessiert. Inger-Maria Mahlke bezeichnet ihre Originaltöne selbst als "Aufgelesenes am Wegrand". Und so liest sie heute Briefanfänge, die einen kleinen Eindruck geben von der Freundschaft zwischen den US-amerikanischen Autorinnen Djuna Barnes und Emily Coleman.
Zitiert sind sie nach Djuna Barnes, "Im Dunkel gehen, Briefe an Emily Coleman", erschienen im Wagenbach Verlag.

Inger-Maria Mahlke, geboren 1977 in Hamburg, wuchs in Lübeck auf, studierte Rechtswissenschaften an der FU Berlin und arbeitete am Lehrstuhl für Kriminologie. Preisträgerin des 17. Open Mike 2009 sowie des ersten Debütpreises des HarbourFront-Literaturfestivals 2010 für ihren Roman "Silberfischchen". 2012 Ernst-Willner-Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt für einen Auszug aus ihrem zweiten Roman "Rechnung offen" (2013), der von Kritik und Lesern gefeiert und 2014 mit dem Karl-Arnold-Preis der Akademie der Künste und Wissenschaften von NRW ausgezeichnet wurde. Sie lebt in Berlin.