Mobilität in Peking
"Lost in China" heißt das Motto der Originaltöne in dieser Woche. Autor Hans von Trotha war dort unterwegs mit dem Fotografen Phil Dera und dem Gartenspezialisten Rainer Kloubert. Hier sind sie auf der Suche nach Pekings Zentrum - das es nicht gibt.
Taxifahren ist nicht teuer in Peking. Der sogenannte Individualverkehr hat hier einen eigenen, gänzlich entindividualisierten Rhythmus - kontinuierlich fließende Blechlawinen ohne große Ausreißer. Dabei wird regelmäßig sacht gehupt, ohne dass der Außenstehende einen vorausgehenden Anlass oder einen nachfolgenden Effekt erkennen könnte. Mich hat das an das Husten in der Philharmonie erinnert. Das erklären Psychologen mit dem Bedürfnis, sich selbst in der schweigenden Masse zu versichern, dass man noch da und noch ein Ich ist. Dagegen hilft natürlich kein Eukalyptus. Und in Peking wird eben ab und zu gehupt.
Während man auf diesen langen, geraden Straßen, vier, fünf Spuren in jeder Richtung, mitfließt, tut sich kein Zwischenraum auf, den die Stadtplaner, so es sie gegeben hat, für individuelle Nutzung oder öffentliches Leben vorgesehen haben könnten. Häuser. Straßen. Autos. Das ist denn auch das Bild, das flüchtige westliche Besucher von Peking mit nach Hause nehmen, seit große Teile der alten Stadt in Vorbereitung der Olympischen Spiele abgerissen wurden. Zwischen diesen Verkehrsadern, die mir gar nicht so verstopft vorgekommen sind, wie alle immer erzählen, tun sich allerdings die verwunschensten Räume auf - überraschend, unvermittelt, immer ohne jeden städtischen Zusammenhang.
Phil Dera: "Das Bild, was mich am meisten fasziniert und gewundert hat, ist das Bild vom leeren Peking, von einem leeren Zentrum, wo fast keine Menschen unterwegs sind, und alles im Dunst. Ein Bild, das ich bis heute nicht verstanden habe. So viel Leere …"
Tatsächlich erstaunlich, dass eine so dicht bevölkerte Stadt sich derart große leere Räume leisten kann.
Die Menschen müssen aber ja immer irgendwo sein. Oft sind sie unten.
Peking kennt keine Ladenöffnungszeiten und keinen Büroschluss um 17 Uhr. Die U-Bahn-Schächte füllen sich dennoch schubweise.
Weder dem Stadtplan noch dem Reiseführer noch dem Diagramm des U-Bahn-Netzes vermochten wir zu entnehmen, wo sich das Stadtzentrum befindet. Danach befragt, reagierten alle irgendwie ausweichend. Das war weder mir noch meinem viel erfahreneren Reisegefährten, dem Fotografen Phil Dera, je passiert. Wir verständigten uns auf die Strategie, das U-Bahn-System an Stationen zu verlassen, die bei uns beiden, aus welchen Gründen auch immer, den Anschein erweckten, der Ort über ihnen könnte das Zeug zum Zentrum haben. Weder mit dieser Strategie noch mit einer der anderen, die wir im Lauf der Tage entwickelten, ist es uns gelungen, die Stadt Peking wirklich zu verstehen. Blieb das beruhigende Gefühl, dass es auch ohne geht. Man muss es nur akzeptieren. Dann kann man sich einfach treiben lassen.