Zum Autor: Hans von Trotha, Jahrgang 1965, hat in Heidelberg und Berlin Literatur, Geschichte und Philosophie studiert. Während der Arbeit an einer Dissertation über die gegenseitige Beeinflussung von Literatur, Philosophie und Gartenkunst begann er, für den Rundfunk und verschiedene Zeitungen zu schreiben. Er gilt als Spezialist für die Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts, sein Buch »Der Englische Garten. Eine Reise durch seine Geschichte« erschien gerade in der vierten Auflage. Gut zehn Jahre lang hat er einen Berliner Verlag geleitet. Derzeit arbeitet er selbständig als Publizist und Berater im Kulturbereich.
Verloren im chinesischen Garten
Autor Hans von Trotha war in China unterwegs - mit dem Fotografen Phil Dera und dem Gartenspezialisten Rainer Kloubert. Der hatte Hans von Trotha, der selbst Fachmann für die Geschichte des Gartens ist, eingeladen, um ihm zu beweisen, dass der Englische Garten in China erfunden worden sei. Dabei erfuhr der Autor im Reich der Mitte noch manch Anderes. Im heutigen Originalton resümiert er seine Erfahrungen als Europäer in China.
In manchen chinesischen Gärten hängen Vogelbauer in den Bäumen. Vögel, die an Elstern erinnern, mit glattem Gefieder sitzen stoisch in ihren goldenen Käfigen und kommunizieren miteinander - und manchmal auch mit den menschlichen Gartenbesuchern.
Bisweilen findet sich auch ein nervöses, zerzaustes Tier hinter den Gittern – das ist dann noch neu, hat sich noch nicht an die Gefangenschaft gewöhnt und ruiniert sich die Federn beim Versuch, zwischen den Stäben durchzukommen.
Ziel der China-Reise, die ich mit dem Fotografen Phil Dera angetreten hatte, war es, herauszufinden, was von der These unseres Cicerone Rainer Kloubert zu halten sei, dass der europäische Landschaftsgarten eigentlich aus China kommt. Nach zweieinhalb Wochen und zahlreichen Gärten blieb diesbezüglich vor allem Verwirrung. Das sieht alles verdammt ähnlich aus, bedeutet aber irgendwie etwas völlig anderes.
Rainer Kloubert: "Also, da ist ein Künstler, sagen wir in der Tang Dynastie gewesen, der hat eine Landschaft dargestellt und Liebhaber dafür gefunden. Man hat das Bild dann genommen und hat in der Tat eine Landschaft so gebaut wie auf dem Bild. Die Verwandtschaft zwischen Malerei und Landschaftsarchitektur ist in China sehr viel enger als bei uns. Im Westen war es andersherum: Bilder nach Landschaften. In China waren es Landschaften nach Bildern."
Und wie sind die Ideen damals von China nach England gekommen? Das ist etwa so unklar wie der Weg, auf dem unsere westlichen Wertvorstellungen heute ins boomende China gelangen sollen.
Statt einer Antwort ergab der Besuch in China und seinen Gärten einen ganzen Sack voll neuer Fragen. Und die Erkenntnis, dass man alles auch ganz anders angehen kann, als wir das tun.
So fragte ich Rainer Kloubert nach der Bedeutung des Unendlichen für die chinesischen Gärten.
Denn für den Landschaftsgarten im Westen ist Unendlichkeit ein wichtiger Gedanke.
Rainer Kloubert: "Es gibt diesen Begriff nicht. Es kann sein, dass es den Begriff Unaufhörlichkeit gibt. .... Das ist deswegen kein Wunder, weil man sich in China nicht damit beschäftigte, was sowieso nicht zu ergründen war. Und Unaufhörlichkeit und auch Unendlichkeit sind ja im Grunde genommen sehr abstrakte Begriffe. Das ist doch sehr abstrakt, ob in der Zeit oder im Raum. Es ist Spekulation."
Eine Gesellschaft, die sich mit Fragen, die sich eh nicht ergründen lassen, nonchalant nicht weiter abgibt, und über Kaiserthrone das Ideal schreibt: "Nichts bewegen". - Würde mir als gelerntem Abendländer einer von einer solchen Kultur erzählen, würde ich die Achseln zucken und sagen: Na, da kann ja nichts draus werden. Und das genau scheint das Problem zu sein – dass wir da irgendetwas - in diesen Gärten aber eben auch sonst - und zwar wahrscheinlich etwas ganz Entscheidendes an dieser großen, Tausende von Jahre alten Angelegenheit einfach nicht verstehen.