Vom Bergen des Saatguts
"Ein Garten kann auf alle mögliche Weise angelegt werden; die beste ist wohl die, einen Gärtner zu nehmen." Dieses Zitat von Karel Capek setzt der Schriftsteller Steffen Kopetzky an den Beginn seiner Originaltöne in dieser Woche.
Auf der Kellertreppe gehe ich hinab, am Sandsack vorbei, an dem ich während der Monate, in denen das Freibad geschlossen, das Boxen trainiere und unter der Stange hindurch, die mir dient, um mich ächzend vom Bodenbeton zu erheben, indem ich Klimmzüge mache. Ich gehe vorbei an den wie zum Trocknen aufgehängt wirkenden Springseilen, bis zum Regal, wo – seit dem Herbst verborgen hinter einem großen Kanister destillierten Wassers und Fahrradgepäcktaschen, die sehr praktisch sein müssen, die wir aber, aus welchen Gründen auch immer, noch niemals benutzten – meine Samen stehen.
Luftdicht verschlossen und dunkel in der Kühle des Kellers liegen sie beieinander und warten darauf, dass der erwachsende Gärtner erscheint, wenn das Ansäen beginnt, am Ende des Winters.
Der Buddha Gautama gab einst zu verstehen, dass der Erleuchtete zwischen Blüte und Baum, zwischen Same und Frucht keinen Unterschied zu erkennen vermag und so öffne ich voller Ehrfurcht und Spannung die ploppende Dose.
Tabakpflanzensud gegen Blattläuse
In Päckchen, in Döschen, in Papiere gewickelt ruhen die Samen. Und was gibt es nicht alles. Höchst kuriose, wie die des echten Tabaks, Nicotina Vera, den ich kultiviere, nicht um seine Blätter im August zu Bündeln zu schnüren, sie zu trocknen, zu fermentieren, sie zu schneiden oder zu rollen und schließlich zu verrauchen, sondern weil ich – dies zur nachdenklich stimmenden Warnung an die Rauchgenusssuchenden – die Blätter des Tabaks auszukochen pflege, um mit diesem stinkenden braunen Sud die Blattläuse zu vernichten, die Apfeltriebe und Rosen bevölkern und quälen, denn Nikotin ist ein Gift, das die Wände tierischer Zellen zerfrisst, worauf sie vertrocknen.
Doch auch wenn die Tabakpflanzen selbst, die das Zellgift zum Schutz ihres prächtig-saftigen Grüns in sich tragen, an günstigem Standort vier Meter hoch werden können und von prächtigen Blättern geschmückt sind, so groß und so breit und geschmeidig wie Segel, die im Sommerwind durch den Garten reisten, ohne je von der Stelle zu kommen – die Samen des Tabaks sind so klein und so leicht wie Staub. Tausend von ihnen wiegen nur ein Gramm – unter allen Samen sind es die leichtesten. Dagegen sind die Kürbis und Gurkensamen ebenso dick und pelzig, wie die fleischig-wässrigen Pflanzen, die aus ihnen wachsen und auch ihre Früchte.
Doch wonach ich jetzt suche sind andere Samen. Duftender Fenchel, Paprika, Chilli und vor allem Tomaten. Mit ihnen, den scharfen Früchten, die wir Schoten nennen, die aber, botanisch gesprochen, Beeren sind und den Paradeisern, den buntfarbig köstlichen, doch Regen und Feuchtigkeit fürchtenden Früchten aus Südamerika, für die den Winter über verödete Gewächshäuser und Unterstände im Garten bereitstehen, die sich noch unter sonntropfenden Schneedecken biegen, hat das Ansäen zu beginnen.
Steffen Kopetzky, der in München, Paris und Berlin Philosophie und Romanistik studierte und in seinen Romanen die ganze Welt bereiste, lebt seit etlichen Jahren wieder in Bayern auf dem Land, wo er auch als Kommunalpolitiker tätig ist. In diesem Frühjahr ist sein Roman "Risiko" erschienen.