Ort der Täter

Von Margarete Limberg |
Während der NS-Zeit befand sich in der Prinz-Albrecht-Straße 8 in Berlin die Gestapo-Zentrale. Hier wurde die Verfolgung von Regimegegnern geplant und durchgeführt. Im Keller des Gebäudes war das so genannte "Hausgefängnis". An das Schicksal der dort Inhaftierten erinnert nun die Ausstellung "Das "Hausgefängnis der Gestapo-Zentrale in Berlin. Terror und Widerstand 1933-1945".
Nachama Kellerdecke: "Wir stehen hier, wenn man so will, tatsächlich auf der Kellerdecke, auf der imaginären Kellerdecke des Hausgefängnisses. "

Das sagt Andreas Nachama, der Direktor der Topographie des Terrors beim Rundgang durch die Ausstellung. Die Keller, die einst das "Hausgefängnis" der Gestapo beherbergten, sind markiert, sonst ist von dem Ort des Schreckens nichts geblieben. Aber eindrucksvolle und erschütternde Fotos und Dokumente erinnern an das, was hier geschah.

Die frühere Prinz-Albrecht-Straße 8 war in der NS-Zeit eine der gefürchtetsten Adressen in Berlin. Hier befand sich von 1933 an die Gestapo-Zentrale und ab 1939 auch das Hauptquartier des Reichssicherheitshauptamtes, das für die Verfolgung der NS-Gegner im In– und Ausland und für die Planung und Durchführung des Holocaust verantwortlich war. Aber dieses war nicht nur der Ort der Schreibtischtäter. Der Kurator der Ausstellung Andreas Sander.

Sander: "Hauptanliegen der Ausstellung ist es, an diesem historischen Ort die Geschichte des Ortes zu dokumentieren und die Erinnerung an die Menschen wach zu halten, die hier gelitten haben."

Das "Hausgefängnis" der Gestapo hat bereits Reinhard Heydrich, bis 1939 Chef der Gestapo-Zentrale als "Polizeigewahrsam besonderer Art" bezeichnet. Zwischen 1933 und 1945 wurden hier etwa 15.000 politische Gegner des NS für Tage, Wochen und Monate inhaftiert und verhört, viele gefoltert und in den Selbstmord getrieben.
Es waren Prominente darunter wie die Sozialdemokraten Kurt Schumacher und Julius Leber, Kommunisten wie Ernst Thälmann, Widerstandskämpfer des Kreisauer Kreises wie Helmuth James Graf von Moltke, und des 20. Juli wie Carl Friedrich von Goerdeler, ebenso Mitglieder der Roten Kapelle wie Harro Schulze-Boysen. Der Kabarettist Werner Finck gehörte ebenso dazu wie Unbekannte: die Kürschenerin Ella Fricke, die der KPD angehörte, oder die Hausangestellte Käthe Jahn und der Werkmeister Karl Schulte, beide SPD. Mitglieder der von den Nazis bald nach Machtergreifung verbotenen Parteien und Gewerkschaften waren die ersten Opfer. Die Ausstellung widmet sich jenen, die wegen eines kritischen Wortes in die Hände der NS-Schergen gerieten ebenso wie den Mitgliedern des organisierten Widerstands. Noch einmal Andreas Sander :

Sander: "Die Ausstellung liefert einen Beitrag zur Geschichte der politischen Verfolgung durch die Gestapo. Wenn Sie sich die Haftgründe anschauen, reicht die Bandbreite von heute eher lapidar erscheinenden regimekritischen Äußerungen bis zum organisierten Widerstand. Das "Hausgefängnis" wurde im Lauf der Jahre zu einem Spiegel der vielschichtigen Facetten des Widerstands, die von Verweigerung, Protest bis zum organisierten Widerstand reichten. "

In der Ausstellung wird der Werdegang der Häftlinge dargestellt, ihre Widerstandsaktivitäten, ihre Hafterfahrungen und ihr weiteres Schicksal, das in vielen Fällen im KZ endete. Manche aber überlebten und etliche spielten nach 1945 eine wichtige politische Rolle, wie der Sozialdemokrat Fritz Erler und der Christdemokrat Eugen Gerstenmaier:

Sander: "Da kann man feststellen, dass viele von ihnen in führenden Positionen waren , an führender Stelle politisch wieder aktiv wurden im Westen und im Osten und damit einen wichtigen Beitrag zur politischen Kultur , zur Entwicklung der politischen Kultur in West und Ost geleistet haben, wie auch immer man das bewerten mag. "

Die Ausstellung gibt überdies einen Überblick über die Geschichte des NS-Terrorapparats und ordnet die Geschichte des "Hausgefängnisses" in den Gesamtzusammenhang des SS-Staates ein. Sie endet nicht mit dem Jahr 1945, sondern fragt auch, was aus den Tätern geworden ist. Man muss, so der Kurator Andreas Sander, zu dem Schluss kommen:

Sander: " … dass eigentlich nur die führenden oder einige führende Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamts im Rahmen der Nürnberger Prozesse zum Tode verurteilt worden sind, aber die große Mehrheit der einfachen Gestapo-Mitarbeiter eigentlich mehr oder weniger ungeschoren davon gekommen ist und sich mehr oder weniger umstandslos in die Nachkriegsgesellschaft integriert hat. "

Der Ort der Täter war über Jahrzehnte hinweg verdrängt worden, bevor er erst in den 80er und 90er Jahren wieder ins öffentliche Bewusstsein rückte. Seither gibt das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors einen Einblick in die Schaltzentrale des NS-Staates. Die Ausstellung über das "Hausgefängnis" der Gestapo sollte eigentlich schon vor zwei Jahren gezeigt werden. Das Vorhaben scheiterte am Geldmangel. Und nach wie vor haust das Dokumentationszentrum in einem Provisorium. Der Neubauentwurf des Architekten Peter Zumthor wurde im letzten Jahr gestoppt, ein neuer Wettbewerb ist noch nicht abgeschlossen. Das bedeutet auch, dass die heute eröffnete Ausstellung unter freiem Himmel stattfinden muss.