Orthodoxes Christentum nach deutscher Prägung

Von Christian Röther |
Eine handvoll Mönche hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Glauben der Orthodoxen Kirche auch in deutscher Sprache zu pflegen. Vor 20 Jahren sind die ersten dieser Mönche in das eigens für sie erbaute Kloster Buchhagen im südöstlichen Niedersachsen gezogen.
"Ich hatte dann erst natürlich so typisch deutsch erst mal gedacht, nun ja, dann müssen wir das alles griechisch machen, damit es original ist, und da hat mein Altvater mich ausgelacht und hat gesagt, auf so eine verrückte Idee kann nur ein Deutscher kommen."

Altvater Johannes sitzt im Herrenzimmer des von ihm gegründeten Deutschen Orthodoxen Heiligen Dreifaltigkeitsklosters Buchhagen, im Weserbergland im südöstlichen Niedersachsen. In den 70er-Jahren hatte Johannes Pfeiffer in Berlin Religionswissenschaft und Musik studiert und auf diesem Weg das orthodoxe Christentum für sich entdeckt. Auf dem Heiligen Berg Athos in Griechenland empfing er 1984 die Mönchsweihe. Acht Jahre später, 1992, zogen die ersten Mönche in das Kloster Buchhagen, das sie zuvor weitgehend eigenhändig errichtet hatten.

"Es ist überall so in den orthodoxen Ländern, dass die Klöster immer eine besondere Funktion haben auch für die jeweilige nationale Kultur. Es ist eine ganz natürliche Verbindung. Dass wir die Achse der Ewigkeit hier aufrechterhalten, auch für unser Volk und für dieses Land, das ist sehr, sehr wichtig. Es gibt glaube ich wenig Orte heute, wo überhaupt für Deutschland oder für das deutsche Volk gebetet wird. Ich glaube, das ist sehr, sehr wichtig, gerade in der heutigen Zeit."

"Wir beten an den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Die wesenseine und unteilbare Dreifaltigkeit. Und singen mit den Seraphim: Heilig, heilig, heilig bist Du Gott."

Gottesdienst in der vergleichsweise kleinen Krypta des Klosters. Die Malereien von Jesus, Maria und anderen Heiligen an den Wänden werden von Kerzen schwach erleuchtet. Der Geruch von Weihrauch erfüllt den Raum, geräuschvoll wird das Weihrauchgefäß als Teil der Zeremonie immer wieder geschwenkt. Es ist Samstagabend, öffentliche Vesper, eine Besucherin und ein Besucher haben sich eingefunden, dazu der Praktikant des Klosters. Die vier Mönche des Klosters begrüßen den Sonntag, fast zweieinhalb Stunden lang, stehend und fast durchgängig singend. In guten Klöstern werde sehr viel gesungen, erklärt Altvater Johannes:

"Das ist allgemein in der Orthodoxen Kirche so, dass der Gesang in der Kirche Widerhall und Abbild des Gesangs der Engel am himmlischen Throne des ewigen Vaters ist. Der Gesang ist auch Widerhall der kosmischen Harmonie, und insofern ist er natürlich besonders in den Klöstern immer auch eine Form der Einübung in diese göttliche Harmonie, in der die ganze Schöpfung mit den geistigen Mächten und so weiter sich befindet."

Den Gesang der Mönche komponierte Altvater Johannes selbst. Im 19. und 20. Jahrhundert war vereinzelt auch von evangelischer und katholischer Seite versucht worden, einen deutschsprachigen Choral-Gesang zu erarbeiten. Dieser setzte sich aber nicht durch.

"Es war immer das Problem, wenn man die gregorianischen Melodien nimmt und puzzelt dann den deutschen Text drunter, dann passt das oft nicht. Und dann war immer das Problem, was muss man anpassen? Dann wird die Sprache verändert, dann kommt dabei so ein Holperdeutsch raus, was dann sehr unangenehm ist. Dann gab es auch früher schon Ansätze, dass man versucht hat, die Musik an die Sprache anzupassen, aber das war alles sehr, sehr schwierig."

In Buchhagen haben sich die Mönche deshalb für einen anderen Weg entschieden. Sie haben gar nicht erst versucht, die Melodien aus dem lateinischen oder griechischen Gesang zu übernehmen. Sie orientieren sich lediglich an den althergebrachten Tonfolgen und setzen diese in deutscher Sprache neu um. Mit dem Ergebnis ist Altvater Johannes sehr zufrieden:

"Schönheit und Würde des Deutschen soll da auch in den Texten zum Tragen kommen. Auf der einen Seite hat man das Gefühl, das ist tausend Jahre alt, auf der anderen Seite versteht man alles und das ist eine vollkommene Harmonie zwischen Text und Gesang."

Vier Gottesdienste unterschiedlicher Länge feiern die Mönche jeden Tag. Daneben widmen sie sich der Übersetzung der orthodoxen Liturgie aus dem Griechischen ins Deutsche. Sie haben auch einen eigenen Verlag gegründet, um ihre Übersetzungen zu veröffentlichen.

"Wir verdienen auch das Geld für das Kloster selber. Wir verkaufen irgendwelche Produkte, die wir hier herstellen. Und das ist sehr, sehr bescheiden natürlich, weil wir ja neben der geistlichen und inhaltlichen Arbeit im Grunde auch gar keine Zeit haben, groß Geld zu verdienen. Aber es muss sein, was soll’s. Wir sind da wie jeder Schusterladen an der Ecke auch nicht anders gestellt."

Unterstützung bekommen die vier Mönche dabei von wechselnden Praktikanten, meist aus Ländern Osteuropas. Jeden Tag beginnt die Gemeinschaft bereits um 4 Uhr am Morgen, um ihr spezifisch deutsches Orthodoxes Christentum aufrecht zu erhalten. Sie pflegt auch Kontakte zu den katholischen Klöstern der Umgebung, vom Kloster Corvey bekamen die orthodoxen Mönche Reliquien geschenkt. Das Missionieren sehen sie übrigens nicht als ihre Aufgabe an. Dazu bleibe den Mönchen, so Altvater Johannes, keine Zeit:

"Es geht in erster Linie um das Sein. Alles andere, das kann geschehen oder nicht geschehen, man weiß es ja nicht. Wenn die Menschen, der ein oder andere das entdeckt und für sich als wertvoll erkennt, dann ist das natürlich sehr gut, aber wir können das nicht machen. Man sucht die Wahrheit, und wenn man Glück hat, findet man."

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Weitere Informationen über das Kloster und CDs mit dem Gesang der Mönche finden Sie im Internet unter www.orthodox.de.
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