Gedichte des jemenitischen Autors Osama Al-Dhari und auch ein Briefwechsel mit dem deutschen Lyriker Joachim Sartorius finden sich auf der Website weiterschreiben.jetzt, einem Onlineportal für geflüchtete Autorinnen und Autoren.
Der Dichter Osama Al-Dhari
Über ein Stipendium des Heinrich-Böll-Hauses ins Düren kam Osama Al-Dhari 2017 nach Deutschland. © privat
Verse über den Krieg im Jemen
06:02 Minuten
Die Ukraine lässt fast vergessen, dass auch im Jemen nach wie vor Krieg herrscht. Der Dichter Osama Al-Dhari musste deshalb seine Heimat verlassen. Unterstützung fand er zuerst als Stipendiat im Heinrich-Böll-Haus. Bis heute kreisen seine Gedichte um das Drama des Krieges.
Düren bei Köln: Draußen vor dem Fenster liegen typisch deutsche Vorgärten. Drinnen, im Wohnzimmer, liegt ein Stück Jemen.
Osama Al-Dhari nimmt einen mit Ornamenten verzierten Gürtel vom Regal, legt ihn um die Hüfte und schiebt dann ganz nach alter Tradition direkt vor seinem Bauch einen stattlichen Krummdolch hindurch.
„Wir nennen ihn Jambiya“, erläutert er. „Das ist ein Teil der Identität des Jemen, unseres kulturellen Erbes. Das ist wie eine Erinnerung, die uns überall begleitet.“
Die Rezepte seiner Mutter
Viel mehr ist Osama Al-Dhari auch nicht geblieben von seiner arabischen Heimat. Nur noch die Koch- und Backrezepte seiner Mutter, sagt der Dichter, während er zwei große Schüsseln Zalabia zum Tisch auf die Terrasse trägt. Gastfreundschaft wird bei den Jemeniten großgeschrieben.
Das orientalische Gebäck ist süß. Aber Osama Al-Dharis Erzählungen sind bitter. Seit sieben Jahren herrscht in seiner Heimat Krieg.
„Der Krieg im Jemen geht immer weiter. Jeden Tag gibt es neue Opfer, jeden Tag sterben unschuldige Kinder. Es ist eine Tragödie. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und ihre Partner behaupten, unsere ‚Brüder‘ zu sein und dem Jemen zu helfen, aber sie greifen nicht nur ihre Feinde an, sondern zerstören auch die Infrastruktur des Landes. Es ist so, als ob ein Arzt einem Patienten verspricht, ihm das Leben zu retten, und dann seine inneren Organe stiehlt.“
Tränen beim Klang der Nationalhymne
Osama Al-Dhari, heute 39 Jahre alt, schrieb schon als Jugendlicher Lyrik und Prosa. „Ich glaube nicht mehr an dieses Land“, so der Titel einer seiner Texte aus dem Jahr 2006. In einem politischen System, dass Heimatverbundenheit auf die Loyalität zum machthabenden Diktator reduzierte, sei ihm das Gefühl der Identität verloren gegangen, heißt es darin.
Während der Massenproteste 2011 habe er unterdessen schon beim Klang der Nationalhymne geweint, berichtet der Dichter. Im sogenannten „Arabischen Frühling“ keimte auch im Jemen die Hoffnung auf Demokratie und Freiheit auf. Nach 33 Jahren an der Macht trat Präsident Saleh 2012 tatsächlich zurück.
Engagement für die Demokratie
Osama Al-Dhari engagierte sich im nationalen Schriftstellerverband, gründete das „Haus der jemenitischen Dichtung“ mit. „Ich wurde Chefredakteur der Zeitung ‚Der Demokrat‘. Wir als junge Generation waren damals sehr aktiv. Aber die Revolution wurde unterdrückt. Und wir gerieten wieder in einen dunklen Tunnel.“
Denn Nachfolger des Langzeitdiktators wurde kein Oppositioneller, sondern – mit tatkräftiger Hilfe Saudi-Arabiens – der alte Vizepräsident Hadi. 2014 trieben ihn die Huthi-Rebellen, unterstützt vom Iran, aus dem Land. Mit dem Beginn der Militärintervention Saudi-Arabiens im März 2015 begann ein Stellvertreterkrieg, bei dem auch Osama Al-Dhari zwischen die Fronten geriet.
Rückkehr vorerst schwierig
Die Frau des Autors und Mutter seiner beiden Kinder stammt nämlich aus Saudi-Arabien. Er selbst arbeitet dort, als der Krieg ausbricht. Als er an den Angriffen gegen den Jemen Kritik übt, wird der Schriftsteller massiv bedroht. Will die Familie zusammenbleiben, ist auch eine Rückkehr in den Jemen ausgeschlossen.
Es bleibt nur die Flucht nach Europa. 2017 erhält Osama Al-Dhari ein Stipendium für verfolgte Autoren im Heinrich-Böll-Haus im Kreis Düren. Seine Gedichte kreisen bis heute um das Drama im Jemen.
Der Kopf
Ich weiß nicht, wo mein Kopf gerade ist.
Auf welchem der vielen Schlachtfelder ich ihn hängen finde.
Er wog in Weisheit die ganze Welt in sich.
Er scherzte,
lehnte sich an eine Schulter,
schwebte über der Brust,
weinte in den Himmel,
schlug gegen die Decke.
Der verwundete Vogel, den mir das Leben auf die Schulter geworfen hat,
war ein runder Schalldämpfer mit Schädel.
Er sei dankbar, in Deutschland in Frieden leben zu können, sagt Osama Al-Dhari. Aber es sei erschütternd zu sehen, dass der Westen den Krieg im Jemen fast vergessen habe.
„Der Jemen erlebt gerade die schlimmste humanitäre Katastrophe in seiner Geschichte. Es gibt nicht genug Lebensmittel, nicht genug Medikamente, keinen Strom, keine Gehälter. Und der Westen trägt einen Teil der Verantwortung dafür. Denn die Waffen aus dem Westen befeuern diesen Krieg. Man spricht von Frieden und Menschenrechten. Aber es werden weiter riesige Mengen Waffen an den Golf geliefert. Das ist der Gipfel der Widersprüche.“
Heimat für seine Kinder
In Düren öffnet sich das kleine Gartentor. Der Sohn des Dichters, elf Jahre alt, kommt von der Schule nach Hause. Im Garten nebenan spielt die achtjährige Tochter mit dem Nachbarmädchen. Für die Kinder ist Düren schon zur Heimat geworden.
Für Osama Al-Dhari gelten stattdessen die Zeilen aus seinem Gedicht „Pure Vergesslichkeit“.
Einmal habe ich vergessen, die Fenster zu schließen,
und der Krieg kam durch die Türen – das Irre schmeichelte sich ein.
und der Krieg kam durch die Türen – das Irre schmeichelte sich ein.