"Die Söldner des Kremls"

Das große Beutemachen mit dem Krieg

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Im Hintergrund ist der Schatten eines Soldaten mit Gewehr zu erkennen, darüber ist der Buchtitel und die Autorennamen.
© C.H. Beck

Lou Osborn, Dimitri Sufferey

Die Söldner des Kremls - Wagner und Russlands neue GeheimarmeenC.H. Beck, München 2024

352 Seiten

26,00 Euro

Rezensiert von Thekla Dannenberg |
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Die Gruppe Wagner hatte es vorgemacht, nach dem Tod ihres Anführers Prigoschin übernahm der russische Geheimdienst ihr Geschäftsmodell: Militärische Unterstützung gegen Bodenschätze. Ein Buch zeigt nun, wie Brutalität zum profitablen Geschäft wurde.
Das Söldnerwesen ist seit 1989 durch eine UN-Konvention weltweit geächtet: Die Anwerbung, der Einsatz und die Finanzierung ausländischer Personen für Kampfeinsätze sind verboten. Sie dürfen höchstens – wie bei der Französischen Fremdenlegion – innerhalb regulärer Streitkräfte dienen. Die einzige international tolerierte Söldnertruppe ist die Schweizer Garde des Vatikans.
Doch das Geschäft mit dem Krieg existiert, und es ist gewinnträchtig. Die Condottiere der Gegenwart führen keine Söldnerheere mehr, sondern Privatarmeen. Wie Lou Osborn und Dimitri Zufferey schreiben, agieren weltweit mehr als 150 solcher Militärfirmen im Auftrag ihrer Regierungen mit einem Umsatz von 120 Milliarden Euro. Die Gruppe Wagner war jahrelang die mächtigste von ihnen, das böse Genie dieses Geschäft war Jewgeni Prigoschin.

Geschäftsmann mit krimineller Vergangenheit

Die Autoren zeichnen in ihrem Buch „Die Söldner des Kremls“ Aufstieg und Absturz des schillernden Geschäftsmanns nach: „Prigoschins Leben gleicht einem grotesken Schelmenroman: Er ist Gauner, Knastbruder, Händler, Höfling beim Zaren, Verräter.“
Er selbst machte nie einen Hehl aus seiner kriminellen Vergangenheit, vermutlich gereichte ihm die ausgestellte Gewaltbereitschaft in Russlands mafiösem Kapitalismus sogar zum Vorteil. Er war vulgär und charismatisch zugleich, Bandit und Baron der öffentlichen Mittelvergabe. Ein Phantom, eng verbandelt mit dem militärischen Geheimdienst GRU, eine Diva.
Osborn und Zufferey beschreiben kenntnisreich und detailliert, wie Prigoschin zusammen mit dem ehemaligen Geheimdienstler und Rechtsextremisten Dmitri Utkin die Wagner-Gruppe aufbaute und wie diese zum Einsatz kam.

Die Truppe fürs Geheime und Grobe

Im Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde sie die Truppe fürs Geheime und Grobe: Im März 2014 besetzten ihre Kämpfer die Krim, zwei Monate später traten sie an der Seite der Separatisten im Donbass auf. Nach Russlands Großangriff im Februar 2022 kämpften die Spezialeinheiten an den brutalsten Fronten des Krieges, in Butscha und Bachmut.
Aufschlussreich sind vor allem die Kapitel über die globalen Wagner-Aktivitäten. Das Geschäftsmodell „Kampfeinsätze gegen Rohstoffe“ habe Prigoschin vom legendären südafrikanischen Militärunternehmer Eeben Barlow abgekupfert und es in beispiellosem Maße skaliert.
Es begann demnach im Syrienkrieg. Die Gruppe Wagner hatte von Machthaber Baschar al-Assad den Auftrag bekommen, Syriens Öl- und Gasfelder militärisch zu sichern, im Gegenzug wurde die Gruppe an den Einnahmen beteiligt.
Nach einer verheerenden Niederlage wurde sie von Rivalen verdrängt und zog weiter, nach Libyen, in den Sudan und in die Zentralafrikanische Republik, wie die Autoren nachzeichnen. Von hier aus verleibten sie sich schier unaufhaltsam die Länder der Sahelzone ein: Mali, Niger, Tschad, Burkina Faso.

Militärischer Schutz im Austausch gegen Bodenschätze

Wagner unterbreitete den Juntas und Regierungen das immer gleiche Angebot, schreiben Osborn und Zufferey: Russische Waffenlieferungen, militärischer Schutz und antiwestliche Propaganda im Austausch gegen Bodenschätze: Öl, Gas, Gold, Diamanten. Allein in Mali beziffern Osborn und Zufferey die Gewinne für Wagner auf unvorstellbare 2,5 Milliarden Euro. Für die Länder selbst sehen die beiden dagegen ein Mehr an Gewalt und Zerstörung:
„Überall zeigt sich die gleiche Bilanz: Menschenrechtsverletzungen, Tötungen, Folter … und eine mundtot gemachte Presse, wenn nicht gar die schlichte Ermordung von Journalisten.“
Osborn und Zufferey tragen eine überbordende Fülle von Informationen über Wagner zusammen. Sie zeigen, wie gefährlich dieses undurchsichtige, konturlose Gebilde geworden war – auch für den Kreml, der nicht zuletzt beim spektakelhaften „Marsch der Gerechtigkeit“ sein Gewaltmonopol erodieren sah.

Russischer Geheimdienst übernimmt Prigoschins Geschäftsmodell

Nach Prigoschins Tod fand der FSB angeblich Siegel von 600 verschiedenen Firmen. Deren Milliardengeschäft teilen die russischen Behörden nun unter sich auf, wie die Autoren wissen: Für den Geheimdienst GRU agieren neue Geheimarmeen als "Redut" und "Patriot", für das Verteidigungsministerium als "Fakel" und "Plamia".
„Die Söldner des Kremls“ ist kein Rückblick auf ein Problem von gestern oder eines nur von russischer Seite, das machen die beiden Autoren sehr deutlich: Etliche Länder mischen mit im bösen Spiel um die Militarisierung, den Rohstoffabbau, das große Beutemachen.
Im französischen Original ist das Buch bereits 2023 erschienen. Für die deutsche Ausgabe haben Osborn und Zufferey ihre verdienstvolle Recherche aktualisiert. Allerdings ist nicht nur dabei ein wenig die Übersichtlichkeit verloren gegangen.
Osborn und Zufferey gehören zur Gruppe „All Eyes on Wagner“, einem Netzwerk aus Journalisten, Historikern und Analysten, das sich auf Open Source Intelligence (OSINT) spezialisiert. Diese Recherchemethode konzentriert sich auf digital erfassbare Informationen und kommt einer nachrichtendienstlichen Arbeit nahe.
Ähnlich wie die Gruppe Bellingcat berufen sich auch Osborn und Zufferey auf Datenleaks, Passagierlisten, Handelsregister und immer wieder „zugespielte Informationen“. Mitunter verlieren sie sich in deren Details, doch sie bereiten sie sachlich, sorgsam und glaubwürdig auf.
Wie eingängig allerdings ein journalistisches Herangehen aus Anschauung und Erfahrung ist, zeigt Pierre Haski in seinem souveränen Vorwort. Der Präsident der Reporter ohne Grenzen erinnert aber auch daran, wie gefährlich es ist, sich den Geheimarmeen des Kremls kritisch zu nähern: Drei russische Journalisten bezahlten 2020 den Versuch mit dem Leben.
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