"Ich freue mich einfach, dabei zu sein"
Unter den Kurzfilmen, die in diesem Jahr für den Oscar nominiert sind, ist auch "Alles wird gut" von dem deutschen Regisseur Patrick Vollrath. Ein "sehr europäischer Film, also ohne Musik", sagt Vollrath, der dafür 2015 schon den bronzenen Studenten-Oscar bekam.
Susanne Burg: Deutschlandradio Kultur. Es geht jetzt hier in "Vollbild" um die Oscars. Und, nein, nicht um die aktuelle Diskussion um mangelnde Vielfalt bei den Oscars, sondern jetzt um Kurzfilme. Jeweils fünf Filme sind nominiert im Bereich "Bester animierter Kurzfilm" und "Bester Kurzfilm". Ab Donnerstag sind alle Nominierten auch in Deutschland zu sehen. "Shorts Attack" heißt die Kurzfilmreihe, die in verschiedenen Kinos in Deutschland läuft. Und mit dabei ist auch ein deutschsprachiger Film: "Alles wird gut" von Patrick Vollrath. Es ist Vollraths Abschlussarbeit an der Filmakademie Wien, und der Regisseur sitzt jetzt in einem Studio in Wien. Guten Tag, Patrick Vollrath!
Patrick Vollrath: Hallo!
Nach dem Studenten-Oscar jetzt der richtige Oscar?
Burg: Ja, Sie haben im letzten Jahr für den Film schon den bronzenen Studenten-Oscar gewonnen, nun fliegen Sie wieder nach L.A. – mit welchem Gefühl denn dieses Mal?
Vollrath: Also beim ersten Mal war es natürlich wahnsinnig aufregend, weil es halt typisch Studenten-Oscar und so, und man hatte da viel zu tun, aber das ist jetzt irgendwie doch noch mal eine neue Dimension. Es wird jetzt ganz oft geschrieben, das sind jetzt die großen Oscars, und jetzt da wirklich dabei zu sein, ist schon irgendwie ein seltsames Gefühl.
Burg: Wie real fühlt sich das gerade an?
Vollrath: Mittlerweile geht es irgendwie, man hat sich jetzt so ein bisschen darauf eingestellt, man kommt jetzt besser damit klar. Und dann gingen ja auch diese ganzen Reisevorbereitungen los und dann hat man Tickets gebucht und so, das macht es denn irgendwie alles klarer.
Auch in 400 US-Kinos werden die Kurzfilme gezeigt
Burg: Ja, die Filmemacher und Produzenten machen ja vor den Oscars auch viel Werbung in eigener Sache. Sie sind jetzt quasi auf dem Absprung nach L.A. – wie sehen denn dann vor den Oscars, die ja erst Ende Februar verliehen werden, so Ihre Tage aus?
Vollrath: Es geht jetzt erst mal noch zu dem Lunch, der ist am 8. Februar, da sind dann alle Nominierten eingeladen, und dann geht's so richtig am 18. Februar los. Wie denn genau die Tage aussehen – ich meine, es gibt wahrscheinlich jeden Abend irgendwelche Veranstaltungen und Partys und es gibt Dinner und so, und ich hab ein paar Termine, das klärt sich jetzt gerade alles.
Aber so richtig Werbung für unseren Film – ich meine, es gibt ja viele, die großen Filmemacher, die veranstalten dann noch, dass die Wähler dafür wählen und so. Dafür haben wir natürlich überhaupt nicht das Budget und so. Und ich weiß noch nicht, wie viel das wirklich bringt, die Leute da so zu überzeugen.
Der Film läuft jetzt in den USA auch gerade, in 400 Kinos fast, da laufen diese ganzen nominierten Kurzfilme, das ist natürlich auch wahnsinnig spannend.
Ein europäischer Film, ganz ohne Musik
Burg: Die anderen Nominierten in Ihrer Kategorie kommen aus den USA, aus Irland, aus Frankreich – wie schätzen Sie die Konkurrenz ein, wie schwer wird's?
Vollrath: Ich glaube nicht, dass wir gewinnen werden, also die Vorhersagen lauten anders, obwohl unsere Kritiken wahnsinnig gut sind. Ich hab von den anderen Filme nur einen gesehen, weil der mit uns bei den Studenten-Oscars auch war, da hab ich den Regisseur auch kennengelernt, und die anderen kenne ich noch gar nicht. Es gibt ein ganz großes Screening, wo alle Filmemacher auch anwesend sind im Academy-Gebäude am 23. Februar, da sehe ich dann die ganzen Filme, lerne die Leute kennen und so.
Unser ist ein sehr europäischer Film, also ohne Musik, der die ganzen Sachen, wie Hollywood oft arbeitet, gar nicht so sehr bedient. Und deswegen war es eh schon verwunderlich, dass wir jetzt so weit gekommen sind, und ich freue mich einfach, dabei zu sein. Und am Ende ist der Preis jetzt ... da mache ich mir jetzt gar keine großen Gedanken drum.
Den Zuschauer herausfordern
Burg: "Alles wird gut" ist ein 30-minütiger Film, er erzählt, wie ein geschiedener Vater seine Tochter Lea von der Mutter abholt, und alles scheint eigentlich so wie sonst. Die beiden fahren Auto, unterhalten sich, machen Fotos in einem Automaten, wollen dann auch später noch zum Prater in Wien, Autoscooter fahren gehen. Man wird nur stutzig, als der Vater sagt, ja, sie müssen jetzt schnell noch mal wohin, Lea muss da was unterschreiben. Da ist aber schon fast ein Drittel des Films vorbei, bevor man ahnt, dass etwas vielleicht nicht ganz so läuft wie üblich. Wie viel Mut brauchte es, sich diese Zeit zu nehmen?
Vollrath: Ich weiß gar nicht, ob das Mut war. Für mich war das von der Struktur her immer schon so klar, dass wir ganz lange herauszögern zu erzählen, worum es gerade eigentlich geht, weil es den Zuschauer, glaube ich, erst mal, ich will nicht sagen einlullt, aber es bringt uns diese beiden Figuren näher.
Wir erfahren was über die Beziehung zwischen den beiden, wir spüren schon, glaube ich, dass irgendwas von Anfang an, also ich glaube von der ersten Einstellung, dass irgendwas falsch ist. Wir wissen noch nicht genau was. Es wird dann nach und nach aufgeklärt, worum es eigentlich geht in dem Ganzen. Dort haben wir aber dann schon irgendwie eine Sympathie für diese beiden Leute entwickelt, also für das Mädchen eh und auch für den Vater, der einfach sehr gut mit der Tochter kann.
Das war jedenfalls meine Idee, oder das fordert dann immer hoffentlich den Zuschauer auch raus, weil er dann irgendwie gefragt wird, kann ich diese Person, die jetzt eigentlich so was Falsches tut, kann ich die noch mögen.
Eine Thriller ohne Thriller-Elemente
Burg: Ja, das wäre jetzt wirklich schade zu verraten, was er Falsches tut, denn dann verrät man den ganzen Film, aber sagen wir mal, die Situation spitzt sich so ein bisschen zu, also man merkt dem Vater den Stress an, als die Tochter nachfragt: Na, wo fahren wir denn jetzt hin? Er setzt sie erst mal subtil, dann immer stärker unter Druck, sagt dann so Sätze, die man so gut kennt: Jetzt reicht's, du sagst jetzt die nächsten zehn Minuten nichts mehr. Aber das Ganze bleibt immer im ganz zivilen Rahmen von der Interaktion.
Und das Tolle ist ja auch, dass der Film wie ein Thriller funktioniert, aber nie zu klassischen Mitteln greift wie zum Beispiel physischer Gewalt. Wie schwierig war es, diese Balance zu finden zwischen diesem nachvollziehbaren Dialog und diesem dramaturgischen Ansinnen, ja doch unglaubliche Spannung aufzubauen?
Vollrath: Ich hab immer versucht, dass wir die Struktur schon in einem Thriller-Genre behalten, immer mit starken Dramaelementen natürlich, aber ich hab mich in jeder Szene immer gefragt, wenn diese Szene, wie sie jetzt ist, die ist jetzt schon in einer Richtung geschrieben, aber wie würde diese Szene funktionieren, wenn es in der Realität, also wenn es jetzt um uns herum passieren würde. Und da wird alles rausgenommen, was quasi zusätzliche Thriller-Elemente wären.
Es gibt so ein paar Szenen, wo man hätte bestimmt noch mehr aufbauen können oder so, das wollte ich aber in denen nicht. Ich wollte nicht überdramatisieren, sondern ich wollte beobachten. Und aus dieser Balance, es vorab direkt geschrieben zu haben so, wie es sein sollte, und dann aber die Schauspieler mit der Freiheit auszustatten, diese Szenen jetzt so zu spielen, wie sie wirklich in der Realität wäre.
Improvisierte Dialoge mit der achtjährigen Hauptdarstellerin
Wir haben diese Dialoge improvisiert, gerade weil ich einer Achtjährigen – die Julia, die war damals acht, die die Hauptrolle spielt – konnte ich irgendwie keine Dialoge schreiben. Ich war Ende 20, und ich hab irgendwie immer mich auch erst mal versucht, ich hab immer gedacht, das klingt halt wie jemand, der Ende 20 irgendwie was sagt oder denkt, wie würden Kinder reden.
Und deswegen hab ich auch dem Simon, der das auch wahnsinnig toll kann, und der Julia – auch im Casting haben wir schon geschaut, kann die frei reden, kann die so reden, wie Kinder einfach reden, auch vor der Kamera oder wirkt die eben gekünstelt oder gestellt. Und die beiden haben einfach eine schöne Beziehung zueinander entwickelt, und wir haben halt versucht, diese ganzen Situationen einfach so real wie möglich zu halten, damit jeder einfach reagieren konnte aufeinander.
Burg: Im Grunde genommen geht's im Film ja um das Leiden eines Vaters, der das Gefühl hat, dass er seine Tochter nicht genug sieht. Man ahnt nur, dass es da auch eine Vorgeschichte gibt, als die Tochter sagt, wir dürfen doch aber gar nicht aus der Stadt raus, aber man hat jetzt nicht das Gefühl, dass Sie, Patrick Vollrath, um Verständnis werben wollen für Väter, die in der gleichen Situation sind.
Grau zeichnen statt schwarz-weiß
Vollrath: Ich habe einfach versucht, die Sache so glaubwürdig wie möglich zu erzählen, ich wollte auch keine Seite einnehmen. Ich wollte weder die Seite der Mutter einnehmen noch die Seite des Vaters, die einzige Seite, die mir wichtig war, war die des Kindes. Für mich war das Kind auch immer, das am meisten darunter leidet, wenn die Eltern miteinander einfach gar nicht mehr klarkommen und wenn die Eltern sich hassen und das Kind auch gegeneinander ausspielen wollen.
Ich wollte nicht schwarz zeichnen und weiß zeichnen, sondern ich wollte einfach grau zeichnen. Ich wollte die Fehler zeigen, aber auch die positiven Sachen. Ich wollte irgendwie dieses Bild rund machen und es letztendlich auch dem Zuschauer überlassen, welche Haltung er denn einnimmt zu dem Ganzen.
Burg: Ich hab schon gesagt, es ist ein 30-minütiger Film geworden, also ein mittellanger, der lief auch auf unglaublich vielen Festivals, hat auch den Österreichischen Filmpreis gewonnen, den FIRST STEPS Award, den Preis für den besten mittellangen Film beim Filmfestival Max-Ophüls-Preis im letzten Jahr. Nun läuft er also in Deutschland zusammen mit anderen Oscar-Nominierten im Kino, aber eigentlich ist das ja eine Ausnahme, dass 30-Minüter im Kino laufen, für eine Kinoauswertung braucht es einen Spielfilm. Würden Sie noch mal einen mittellangen Film drehen, oder war das halt wirklich eine Abschlussarbeit?
Vollrath: Also das war jetzt wirklich eine Abschlussarbeit. Für diese Geschichte war es, finde ich, auch genau die richtige Länge. Letztendlich war es ja einen Studentenfilm oder ist es ja ein Studentenfilm, und eigentlich hätten wir auch nicht gedacht, dass der jetzt so diesen riesigen Weg macht, sondern wir wollten halt das so machen, wie wir es machen wollten, und haben halt gehofft, dass es Leuten gefällt. Aber über so Auswertungsketten und so was haben wir damals natürlich nicht nachgedacht.
Der nächste Film ist "hoffentlich ein Kinofilm"
Und es ist halt leider so, es lohnt sich eigentlich auch nicht, wenn man das wirklich ernsthaft angeht und sagt, wir wollen den auch ins Kino bringen. Da muss man schon so ein bisschen ein Interesse dafür haben. Man hat auch gar nicht die Budgets irgendwie, den richtig zu bewerben, dass da wirklich Leute hingehen. Und wie gesagt, für 30 Minuten steht halt keiner auf, da muss man mindestens noch zwei, drei Filme dazupacken, damit's da so ein Rahmenprogramm gibt und so. Ja, und mein nächster Schritt ist dann hoffentlich auch ein Kinospielfilm.
Burg: Und da war dieser Film jetzt wahrscheinlich auch nicht die schlechteste Vorbereitung, mit all der Aufmerksamkeit, die er jetzt zu Recht bekommen hat. Jetzt geht's erst mal nach L.A. zu den Oscar-Vorbereitungen, am 28. Februar werden die Preise dann verliehen, und dann werden wir auch sehen, ob Patrick Vollrath auch mit dabei ist. Ihnen vielen Dank!
Vollrath: Ja, danke schön!
Burg: Und seinen und die anderen nominierten Kurzfilme können Sie also ab Donnerstag in ausgewählten Kinos in Deutschland sehen. Die Liste der Kinos finden Sie auf der Webseite shortsattack.com.
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