Wie nüchtern wollen wir sein?
48:00 Minuten
Der Oscar-Gewinner "Der Rausch" erzählt von dem Versuch, sich dauerhaft glücklich und kreativ zu trinken. Welche Rolle spielt Rausch in unserer Gesellschaft? Wir fragen den Maler Nils Ben Brahim und den Politikwissenschaftler Robert Feustel.
Im Oscar-gekrönten Film "Der Rausch" setzt der dänische Regisseur Thomas Vinterberg seine vier Protagonisten einem philosophischen Experiment aus: Ihre im Alltag entstandene Leere versuchen sie mit stetigem Alkoholkonsum zu füllen. Der wahnwitzige Plan: 0,5 Promille dauerhaft bis abends halten, danach ausnüchtern, bevor alles am nächsten Morgen von vorne losgeht.
Zunächst klappt das formidabel, aber natürlich nicht lange. Bevor der Film im Sommer in die deutschen Kinos kommt - der nicht nur die vier Geschichten erzählt, sondern auch die einer stets mindestens leicht betrunkenen Gesellschaft - nimmt sich der Kulturpodcast das Thema "Rausch" schon mal vor.
Nicht nüchtern, nicht betrunken
Denn das Ziel, dauerhaft in dem kurzen Zustand zwischen Nüchternheit und Betrunkensein zu bleiben – und damit eine Art "optimale Leistungsfähigkeit" zu erreichen, vor allem in emotionaler Hinsicht, ist nicht neu. Raus aus dem Alltag, raus der Pandemie, raus dem Kummer: Der legale oder illegale Rausch verspricht kurze Erleichterung. In Vinterbergs Film wird die Trinkerei dabei übrigens weder verherrlicht noch moralisiert, und so fragen wir ebenfalls in diesem Sinne: Welche Rolle genau spielt der Rausch in der Gesellschaft?
Trinken im Lockdown
Was verändert sich, wenn man sich in einer Pandemie nur noch privat, ohne Bar und Freunde, berauschen kann? Wir wollen auch wissen, ob der Selbstoptimierungstrend zwischen all den bestellten Weinkisten untergehen wird - was ja ein Widerspruch zum dringenden Wunsch nach Gesundheit wäre. Und wo wir schon bei Weinkisten sind: Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Rausch und Suff? Wann wird die Trinkerei zum Klassen-Thema?
Politik und Kunst und Drogen
Unsere Gäste kennen sich mit Rausch aus, und nicht nur mit Alkohol: Der Politikwissenschaftler Robert Feustel hat eine Kulturgeschichte des Rausches verfasst. "Grenzgänge – Kulturen des Rauschs seit der Renaissance" heißt sein Buch. Feustel kann auch auf Vinterbergs Film Bezug nehmen: Da geht es nämlich nicht nur um desolate Privatpersonen, die sich das Leben schöner trinken, sondern auch um das Nicht-ganz-Klarsein im politischen Betrieb.
Zwischen Euphorie und Absturz
Da der Kunstwelt sowieso ein ewiges Nichtnüchternsein unterstellt wird, haben wir zu dem Thema auch den Maler Nils Ben Brahim eingeladen. Er malt den Rausch und denkt über diesen Zwischenbereich nach. Ob das ewige Klischee stimmt, dass Kunst ohne Rausch nichts wäre, finden wir heraus - und auch mehr über Ben Brahims Blick auf die Welt zwischen Euphorie und Absturz.