Oscar-Preisträger mit deutschen Wurzeln

Von Camilla Hildebrandt |
2005 erhielt er den Oscar für seinen Filmsong in "Motorcycle Diaries - Die Reisen des jungen Che", ein Film des brasilianischen Regisseurs Walter Salles. Seitdem ist der in Uruguay geborene Jorge Drexler auch jenseits der Spanisch sprechenden Fangemeinde ein Begriff. Der 42-jährige studierte Hals-Nasen Ohrenarzt gilt als heißer Insidertipp in der Worldmusic.
"In meiner Familie gab es schon immer zwei verschiedene Traditionen: die Musik – und die Medizin. Als ältester Sohn, unkritisch wie ich war, hab ich auch diesen Weg eingeschlagen. Mein Vater ist Arzt, meine Mutter, meine Schwester, meine Cousins – ich wusste nicht, dass man sich auch für etwas anderes entscheiden konnte."

"Später dann - der absolute Horror für meine Eltern - hat eine Tradition die andere ausgelöscht: die Musik die Medizin."

Ein Glas Rotwein in der einen Hand, eine Empanada – eine Teigtasche mit Fleischfüllung – in der anderen, steht Jorge Drexler an der Hotel-Bar. Braune Lederjacke, Jeans, weißes T-Shirt. Neben ihm die eigene Ausführung in klein, sein neujähriger Sohn Pablo, der ihn unbedingt auf seiner Deutschlandreise begleiten wollte.

Jorge Drexler, 1964 geboren in Montevideo, Uruguay, gehört zu den bekanntesten Singer-Songwriter in der spanischsprachigen Musikszene. Mit fünf fängt er an Klavier zu spielen, mit elf Gitarre und später studiert er neben Medizin auch Harmonie und Komposition.
Mit Anfang 20 schreibt er Kurzgeschichten und Gedichte, für die ihn die Universität Montevideo auszeichnet.

"”Ich bin sehr langsam, was meine persönliche Entwicklung betrifft. Das heißt erst mit 30 wurde mir dann klar, dass die Musik mein Weg ist.""

""Meine ersten beiden CDs sind in Uruguay nur in einem ganz kleinen Kreis wahrgenommen worden. Also, die erste war eigentlich eine Kassette. Genau 33 Exemplare wurden verkauft.
Ich hab alles selbst finanziert. Bei der Zweiten hat die Plattenfirma 1000 Dollar dazugegeben, ziemlich viel für damals. 100 Stück haben wir höchstens verkauft."

Als der spanische Liedermacher Joaquín Sabina ihn 1994 auf einem Konzert in Montevideo erlebt, lädt er ihn nach Madrid ein. Jorge Drexler nimmt die Gelegenheit wahr und wird von der dortigen Musikszene sofort akzeptiert. Obwohl er damals völlig unbekannt ist. Sein Vorbild: der Brasilianer Joao Gilberto, mit seiner klaren, Timbrefreien, weichen Stimme.

"Wer es jetzt noch nicht weiß
wird es schnell lernen:
das Leben wartet nicht - und
meldet sich auch nicht an"
... es kommt einfach - ungelegen..."

"Über den Tellerrand hinausblicken, eine gewisse Unruhe für das Leben verspüren, zu versuchen es in all seinen Facetten zu schätzen und zu lieben - das sind die Themen all meiner CDs. Aber die Neue ist etwas dunkler."

"Der Erzähler kommt in Situationen, auf die er nicht vorbereitet ist, er weiß nicht, wo es lang geht. Und dann geht es darum, aus dieser Unsicherheit, aus dieser Art ‚Dunkelheit’ zu lernen, das Beste draus zu machen."

2003 - der internationale Durchbruch: der brasilianische Regisseur Walter Salles engagiert Jorge Drexler für den Film-Song für "Motorcycle Diaries – die Reisen des jungen Che".

Filmausschnitt: "Der Plan: 8000 Kilometer in vier Monaten, die Methode: Improvisation, das Ziel: die Entdeckung des Lateinamerikanischen Kontinents, den wir nur aus Büchern kennen..."

"Was mir vor allem an dem Film gefallen hat war, dass er nicht das altbekannte Bild des Che bedient: Che Guevara - der Held. Helden haben mich nämlich noch nie interessiert. Walter Salles - ein super Regisseur - hat sich auf den jungen Che konzentriert, der noch überhaupt nicht demagogisch war."

"Ich habe dann versucht nicht eine Hommage für den Helden zu schreiben, sondern für den Studenten Ernesto, der Lateinamerika und die ganze Misere kennen lernt."

Jorge Drexler lebt mittlerweile seit elf Jahren in Madrid, sein Vater nach wie vor in Uruguay. Er spricht deutsch, denn Drexlers Familie stammt aus Berlin. 1939, als die Nazis an die Macht kamen, flohen sie nach Uruguay.

"Zuhause hab ich einerseits Angst gespürt – keiner wollte über den Krieg reden -, aber dann erzählte mir mein Großvater zum Beispiel, dass er Opern-Statist in Berlin war. Sie vermittelten mir eine echte Liebe für dieses Land. Und mein Großvater war sehr ärgerlich, dass ich nicht Deutsch gelernt habe."

Mit 42 Jahren war Jorge Drexler nun für die Vorstellung seiner neuen CD zum ersten Mal in Berlin und auf Entdeckungsreise durch ein Land, dessen Staatsangehörigkeit er von Geburt an besitzt.