Die Ausstellung "Oskar Kokoschka. Eine Retrospektive" im Kunsthaus Zürich ist vom 14. Dezember 2018 bis zum 10. März 2019 zu sehen.
Über Stilgrenzen hinweg
Über 30 Jahre nach der letzten Ausstellung des Malers Oskar Kokoschka hat das Kunsthaus Zürich für eine Retrospektive Exponate aus allen seinen Schaffensphasen zusammengetragen. Es ist eine beeindruckende Schau.
Vier Selbstporträts empfangen den Besucher direkt im Entree zur Ausstellung. Sie repräsentieren Kokoschkas verschiedene Schaffensphasen und die Vielfalt seiner Stile. Das früheste 1918/19 gemalt, direkt nach Kokoschkas Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg, zeigt ihn vor düsterem Hintergrund fast ängstlich und mit fahlem Gesicht. Das jüngste der vier, dreißig Jahre später gemalt, zeigt den 62-Jährigen in dramatisch aufgehellter Palette, der Pinselschwung heftig und gestisch, sein Gesicht ist aus leichter Untersicht zu sehen und scheint in künstlichen Fleischfarben geradezu zu zerfließen.
Kuratorin Cathérine Hug möchte in dieser Gesamtschau von Kokoschkas Werk in seinen verschiedenen Phasen doch dessen Einheit demonstrieren. Lange wurde vor allem das Spätwerk kritisiert, das nach dem Zweiten Weltkrieg entstand. Während des Krieges war er politisiert worden, zählte ja zu den "entarteten Künstlern", hatte klar gegen den Nationalsozialismus Stellung bezogen, malte Allegorien oder auch richtig politische Abrechnungen im Prager und Londoner Exil.
Ein gefragter Malerfürst
Nach seiner Rückkehr aus dem Exil war er ein Prominenter, ein richtiger Malerfürst, viele wollten sich von ihm proträtieren lassen. Kokoschka galt als Prominenten- und Auftragsmaler, als Staatskünstler und vor allem auch als Selbstvermarkter. Stilistisch hatte er sich vom Naturpathos der Moderne selbstbewusst verabschiedet. Stattdessen sieht man viele antike mythologische Allegorien mit nervös überreizten, betont künstlichen Farben und gestische Motiv-Verzerrungen, so dass man sich mitunter eher an den jungen Baselitz erinnert fühlt. In den Motiven aus der antiken Mythologie beschwor Kokoschka ein Idealbild demokratischer Kultur als Kontrast zum amerikanischen Einfluss in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese konservative Kulturkritik gefiel nicht jedem.
Auch vor dem Zweiten Weltkrieg gab es biografische Brüche und Erschütterungen, vor allem die traumatische Beziehung zu Alma Mahler einschließlich der Abtreibung des gemeinsamen Kindes durch Alma Mahler. Die Beziehung war ein Wendepunkt im Leben Kokoschkas und zeichnete sich deutlich in seinem Werk ab.
Leidenschaftlicher Farbauftrag
Der konzentriert-feingliedrige Expressionismus seiner frühen Jahre, der ja zuerst von Klimt und dann von Adolf Loos gefördert worden war, wandelt sich zu einem pastosen, schnelleren, leidenschaftlichen Farbauftrag. Alma Mahler wird auch in den Portraits ständig zum Thema. Die "Windsbraut" aus dem Kunstmuseum Basel, Kokoschkas berühmtestes Gemälde von 1914, das seiner Liebe zu Alma entsprang, fehlt hier zwar in der Ausstellung. Aber vom Erlös des Bildes kaufte er sich in Todessehnsucht angesichts des nahenden Beziehungsendes ein Pferd, mit dem er sich freiwillig zur Kavallerie im Ersten Weltkrieg meldete. Kurz darauf wurde er an der Front in der Ukraine schwer verwundet.
Die legendäre Alma-Puppe aber, die Kokoschka 1918 bei der Puppenmacherin Hermine Moos bestellte und die er zwei Jahre lang als malerisches und seelisches Werkzeug benutzte, ist hier als wirklich kuriose Kopie zu sehen. Das Original wurde 1920 symbolisch vom Kokoschka enthauptet und auf den Müll geworfen. Trotz seiner Depressionen in der Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkrieges: Finanziell und künstlerisch erlebte er mit seiner Malerei danach vor allem in seiner Dresdner Zeit eine Blüte. Nur wenige Künstlerfiguren haben die Zeitenwenden der Weltkriege hinweg so intensiv-persönlich in ihrem Werk aufnehmen und spiegeln können.