Vom Kriegskind zum unermüdlichen Demokraten
Oskar Negt war einer der Wortführer der Außerparlamentarischen Opposition und zählt zu den wichtigsten Vertretern der Frankfurter Schule. In seiner Autobiographie "Überlebensglück" erzählt er von seinen Erlebnissen als Flüchtlingskind und seiner Internierung in einem dänischen Lager.
Er war einer der Wortführer der Außerparlamentarischen Opposition, legte sich mit seinem Mentor Jürgen Habermas an und wurde dennoch zu einem der wichtigsten Vertreter der Frankfurter Schule: Oskar Negt. Soweit ist seine Lebensgeschichte bekannt. Die wenigsten aber wissen, dass der renommierte Sozialwissenschaftler und Philosoph mehrere Jahre seiner Kindheit auf der Flucht verbrachte, getrennt von den Eltern, zunächst eingeschlossen im belagerten Königsberg, dann interniert in einem dänischen Auffanglager.
Erst als - ausgelöst durch die Kriege im Irak und in Syrien - die große Massenflucht nach Europa begann, entschloss sich Negt, seine eigene Fluchtgeschichte aufzuschreiben. Mit "Überlebensglück" ist ihm eine präzise Autobiographie gelungen, die viele Rückschlüsse auf sein Denken und sein Werk zulässt und zeigt, wie sehr die Generation der Kriegskinder die Bundesrepublik geprägt hat.
"Hier entsteht eine Bewegung, die im Grunde Demokratie abschafft mit den Mitteln der Demokratie"
In der Sendung "Im Gespräch" äußert er sich auch zu aktuellen politischen Entwicklungen, so zu einer möglichen rot-rot-grünen Koalition nach der nächsten Bundestagswahl und den Erfolgen der AfD. Die stellt Negt in einen historischen Kontext und warnt:
"Die Neonazi-Truppen der Nachkriegszeit hatten keinen Massen-Anhang. Das hat sich verändert und das ist das Gefährliche. Dieser Massen-Anhang schiebt sich gewissermaßen immer weiter ins Zentrum durch freie Wahlen. Das heißt, hier entsteht eine Bewegung, die im Grunde Demokratie abschafft mit den Mitteln der Demokratie."
Negt sieht in Deutschland "ungeheuren Reformbedarf". Politik für "alternativlos" zu erklären, sei "deprimierend", sagt er. Und fordert, die politische "Fantasielosigkeit" zu beenden.
Eine mögliche rot-rot-grüne Regierung nach der nächsten Bundestagswahl hält er für wünschenswert, auch wenn er ihr nicht den ganz großen Wurf zutraut. Eine solche Koalition werde nicht alle Probleme lösen, betont er – wenn sie diese aber sichtbar mache und aus den "Bereichen der unterschlagenen Wirklichkeit" hole, "wäre das schon ein gewaltiger Schritt".