Oskar Panizza: Vreneli's Gärtli. Eine Zürcher Begebenheit.
Hrsg. und mit einem Nachwort von Ute Kröger
Limmat Verlag, Zürich 2016
104 Seiten, 18,00 Euro
Ein Grantler im Garten Eden
Ein Anarchist der Feder und des Gedankens – so sah sich der bayerische Autor Oskar Panizza. Seine Erzählung "Vreneli's Gärtli" zeigt die schwärmerische Seite des ätzenden Provokateurs. Doch selbst im Garten Eden kann der das Schimpfen nicht lassen. Eine herrliche Lektüre, findet unser Rezensent.
Sein Stück "Das Liebeskonzil", das 1894 in Zürich erschien und erst 1967 im Wiener Kellertheater Experiment uraufgeführt wurde, brachte Panizza ein Jahr Gefängnis wegen Gotteslästerung ein. Danach emigrierte er 1896 von München nach Zürich, wo er hoffte, ohne Zensur und Repressalien leben und arbeiten zu können.
Panizzas kleine Erzählung "Vreneli's Gärtli", eine Skizze beinah, erschien ursprünglich 1899 in seiner Zeitschrift "Zürcher Diskuszjonen" und war kaum bekannt; nun bringt es der Zürcher Limmat Verlag mit einem ausführlichen Nachwort der Herausgeberin erstmals in Buchform.
Das Gärtli ist ein Gasthof, der Name Vreneli (auf Hochdeutsch Verenalein) klingt dem Erzähler verheißungsvoll. Hier muss es nicht nur guten Schweizer Wein geben, hier muss auch die Liebe zu finden sein. In "Vreneli" stecke nämlich sowohl die römische als auch die germanische Liebesgöttin: Venus und Freia. "Ich war auf dem Weg zum Venusberg", jubelt er. Der Ort erscheint dem Exilanten wie das Paradies: Das "Gärtli" als kleines Gärtchen Eden.
Er beschreibt die Gegend, als wäre er auf Droge
Panizza sah sich als "Anarchist der Feder und des Gedankens", er war ein besessener Aufrührer, ein ätzender, misstrauischer Provokateur. In dieser kurzen Erzählung aber zeigt er seine schwärmerische Seite. Er betritt eine Traumlandschaft "mit seltsamen Blumenformen", er beschreibt die Gegend, als wäre er auf Droge. Aber die Droge ist nichts anderes als die Einbildung des Exilanten, hier ein Areal von "Sinnenglück und Seelenfrieden" zu finden, von befreiender Gesetzlosigkeit, von "stichelnder Lustbarkeit". Doch der Schwärmerei werden regelmäßig – typisch Panizza – heftige Schimpftiraden entgegengestellt: über das kontrollsüchtige, polizeistaatliche Kaiserreich. Schimpfen im Gärtchen Eden: eine großartig ironisch-übersteigerte, humorvolle Mixtur – eine herrliche Lektüre.
Die dralle Wirtin weiß ihrem Gast Zucker zu geben oder eher: Wein einzuflößen. Und ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen. Am Ende wird dem Berauschten sogar noch ein Nachtlager aufgeschwatzt. Erotisches flimmert ihm durch den Schädel, doch Vreneli legt sich nicht mit dazu. Was soll's. Zufrieden und erschöpft fällt er in einen "ruhigen, polizeifreien Schlaf".