Ost und West im Rundfunkchor Berlin

Solidarität unter Sängern

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Probem des Rundfunkchors Berlin: Dirigent und Sängerinnen im Gespräch.
Ost und West sind im Probenraum zusammengewachsen: Hier bei Vorbereitungen zum 75. Jubiläumskonzert (2000). © picture-alliance / Berliner Kurier / Berlin Picture Gate / Friedel Bernd
Jörg Schneider und Ulrich Löns im Gespräch mit Mascha Drost |
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Vor 30 Jahren machte auch der Rundfunkchor Berlin die Wende durch. Nach und nach kamen auch westdeutsche Sänger zum ostdeutschen Ensemble dazu. Heute ist es ein internationaler Chor. Zwei Sänger, Jörg Schneider und Ulrich Löns, erinnern sich.
Bei Rundfunkchor Berlin wuchsen Ost und West recht schnell zusammen: "Im Westteil der Stadt gab es keinen vergleichbaren Chor, und so wurden wir sehr schnell zum ‚Gesamtberliner‘ Chor", heißt es auf ihrer Homepage.
Die Sänger Jörg Schneider und Ulrich Löns erinnern sich an die Wendejahre allerdings nicht nur positiv: "Es war allgemein eine besondere Zeit", sagt der Bass Jörg Schneider. "Es lag eine große Anspannung über der damaligen DDR und Berlin. Es gab viel Hoffnung auf der einen Seite, es gab Frust auf der anderen Seite. Und der Chor war - meiner Meinung nach - ein Spiegel dieser verschiedenen Gefühle, die im Raum schwangen."

Schnell in Berlin und Deutschland angekommen

Ulrich Löns ist 1994 in den Chor gekommen, als zweiter Westdeutscher. "Die Solidarität war stark zwischen den Sängern", sagt er. Das habe ihn gewundert, weil es bei dieser Größe ungewöhnlich sei.
"Das war ein gutes Miteinander von Anfang an." Mittlerweile sei der Chor ein internationales Ensemble geworden. Die verschiedenen Identitäten werden als Bereicherung wahrgenommen. "In der Hinsicht ist der Chor relativ schnell in Gesamt-Berlin, in Gesamt-Deutschland angekommen."

Mauer ist nicht gefallen, sondern wurde eingedrückt

Auch für den Westdeutschen Löns habe es von Anfang an keinen Unterschied beim Arbeiten gegeben. "Wir fühlten uns in die Arme genommen und willkommen geheißen." Ihm sei aber aufgefallen, dass die Geschichte der Menschen im Osten im Westen nicht genug geachtet werde. Das würde aber damit zusammenhängen, dass es für die Westdeutschen die Wende keine so große Bedeutung gehabt habe.
30 Jahre nach dem Mauerfall werde auch im Chor über die Wende gesprochen, sagt Jörg Schneider. "Mich stört, dass von Mauerfall die Rede ist. Die Mauer ist nicht gefallen, sie wurde eingedrückt – und zwar von Osten. Und wenn es da nicht so viel Mut gegeben hätte, von einzelnen Leuten, dann wäre vielleicht was Schlimmeres passiert. Wir dürfen alle froh und glücklich sein, dass es so gekommen ist."

Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls, am 9. November, führt der Rundfunkchor Berlin in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Anton Bruckners e-Moll-Messe für Chor und Bläser auf, geleitet vom Chefdirigenten Gijs Leenaars. Vorweg spielen die Bläser Mozarts "Gran Partita".

(leg)
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