Mehr ostdeutsche Führungskräfte in Behörden
Wandbild in Leipzig, das an die Revolution in der DDR 1989 erinnert. Seit der Wiedervereinigung steht auch immer wieder das Verhältnis von Ost- und Westdeutschen auf der Tagesordnung. © picture alliance / Image Broker / Foto Beck
"Erst jetzt werden wieder Stellen frei"
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Die Bundesregierung will deutlich mehr Ostdeutsche für Leitungsposten in Bundesbehörden gewinnen. Warum das vermutlich nicht von heute auf morgen funktioniert, erklärt der Soziologe Holger Lengfeld.
Die ungleiche Verteilung von Ostdeutschen und Westdeutschen in Führungspositionen ist auch 33 Jahre nach der Wiedervereinigung ein großes Thema. Ein nun vorgestelltes und vom Bundeskabinett beschlossenes Konzept des Ostbeauftragten Carsten Schneider (SPD) sieht vor, die Personalverantwortlichen in Bundesbehörden mehr dafür zu sensibilisieren, gezielt Ostdeutsche für Leitungsebenen und -posten zu gewinnen.
Es geht auch um symbolische Anerkennung
Das Konzept liefert auch zum ersten Mal eine Bestandsaufnahme: Demnach sind nur 13,9 Prozent der Führungskräfte in den obersten Bundesbehörden in Ostdeutschland geboren. Wenn man das ehemals geteilte Berlin herausrechnet, sogar nur 7,5 Prozent.
„Natürlich handelt es sich um eine Unterrepräsentanz und die ist eklatant“ sagt der Soziologe Holger Lengfeld, der an der Universität Leipzig forscht. „Es betrifft symbolische Anerkennung.“ In Ostdeutschland gebe es viele Menschen, die sagten: „Wiedervereinigung, 30 Jahre später, und wir sind immer noch nicht voll als Gleiche anerkannt.“ Die Frage sei aber, ob man mit den vorgeschlagenen Maßnahmen viel an der Situation ändern könne.
Lange Nachwirkung des "Elitenaustausches"
Eine der Ursachen der Unterrepräsentanz von Ostdeutschen sei eine Nachwirkung des „Elitenaustauschs“ unmittelbar nach 1990 in Wirtschaft, Verwaltungen und Gerichten. Damals seien junge Leute aus dem Westen, die Anfang bis Mitte 30 waren, in Führungspositionen in Ostdeutschland gekommen. „So langsam scheiden die aus, das heißt, erst jetzt werden wieder Stellen frei und Bewerbungsprozesse können in Gang kommen.“ Auch die erst vor wenigen Jahren zum Stillstand gekommene Abwanderung junger Leute von Ost nach West habe zu diesem Missverhältnis beigetragen.
Hinzu kommt: „In Ostdeutschland ist der Anteil der Personen, die Abitur machen und ein Studium ergreifen, viel geringer als in Westdeutschland.“ Es gebe einfach weniger Personen etwa in Thüringen und Sachsen, die sich für Führungspositionen vor dem Hintergrund der formalen Voraussetzungen eigneten. Das im Osten relativ rigide Schulsystem stelle höhere Anforderungen beim Abitur, als dies in vielen westlichen Bundesländern der Fall sei.
Natürlich könne man die Behörden sensibilisieren und man werde den Anteil der Ostdeutschen in Führungspositionen auch "ein paar Prozente steigern können“, sagt Lengfeld. Aber es sei wohl nicht möglich, auf eine Repräsentanz von rund 20 Prozent zu kommen, die dem Bevölkerungsanteil der ostdeutschen Bundesländer entsprechen würde.