Henry Bernhard, Landeskorrespondent in Thüringen
Besser als gar nichts - oder total sinnlos?
04:41 Minuten
Der Oster-Lockdown kommt. Henry Bernhard kann dem Bund-Länder-Beschluss wenig Gutes abgewinnen, doch immerhin: Es hätte noch weniger entschieden werden können. Niklas Ottersbach hält den Plan für vollkommen sinnlos - und warnt vor einem Jojo-Effekt.
Pro: Es hätte noch schlimmer kommen können
Der Berg kreißte – und gebar ein Mäuslein. Nach stundenlangen Verhandlungen und einer ebenso langen Trotzphase haben Kanzlerin und Ministerpräsidenten einen Kompromiss erarbeitet, der über Ostern das Leben einen Tag länger als üblich ruhen lässt. Das ist es, was die siechende Bundesregierung und die egomanischen Ministerpräsidenten, die oft eher auf ihre Haltungsnoten achten als auf die Sinnhaftigkeit ihrer Entscheidungen, zustande gebracht haben.
"Besser als nichts" ist wohl das Beste, was man über die Entscheidung sagen kann. Zustimmung bedeutet hier: Es hätte noch schlimmer kommen können. Es hätte noch weniger entschieden werden können. Vielleicht dankt es uns die Corona-Inzidenzkurve ja mit einem kleinen Knick in ihrem unaufhaltsamen Anstieg.
Die Alternative wäre wohl ein zusätzlicher Infektions-Schub gewesen, wie er auch zu Weihnachten zu sehen war. Wir gewinnen so – vielleicht – eine Atempause von wenigen Tagen. Aber auch nur, wenn sich Familien fernbleiben.
In der gewonnen Zeit können wir uns Formulierungen wie "soll", "baldmöglichst", "Absichtserklärung", "freiwilliges Testen" natürlich nur "nach Möglichkeit" noch mal durch den Kopf gehen lassen und uns fragen, welche Hoffnung wir uns noch gönnen, wenn die Länder Coronatests in den Schulen ausweiten "wollen" und baldmöglichst zwei Testungen pro Woche "anstreben". Von Impfungen für alle sollten wir so schnell lieber nicht träumen, solange wir noch keine 70 sind.
"Alle Wege führen nach Rom", lehrten uns die Römer. Der Komponist Arnold Schönberg setzte hinzu: "Der Mittelweg ist der einzige Weg, der nicht nach Rom führt." Ihn aber beschreitet die deutsche Corona-Politik. Der Oster-Shutdown bedeutet dann wohl, um im Bild zu bleiben, dass wir auf diesem Weg mal kurz Rast machen.
Contra: Der Oster-Lockdown als Blitz-Diät
Der Oster-Lockdown erinnert mich an die Blitz-Diät: Kurz mal zusammenreißen und dann purzeln die Corona-Zahlen? Vielleicht kurz, aber der Jo-Jo-Effekt wird auch bei den Inzidenz-Zahlen wieder zuschlagen.
Es sind zwei Dinge, die mich an diesem Mini-Lockdown stören. Erstens: Nach über einem Jahr Pandemie fällt uns immer noch nichts anderes ein, als dicht zu machen.
Statt einen Weg konsequent zu gehen, sieht unsere Bund-Länder-Strategie so aus: Öffnen, schließen, öffnen, schließen. Angetrieben von Ministerpräsidenten mit eigenen Interessen, die nicht immer deckungsgleich sind mit der Logik der Pandemie.
Es fehlt: eine konsequente Corona-Strategie, die mal über den Horizont der nächsten Bund-Länder-Schalte hinausreicht. Erfolgreiche Impf- und Testkampagne? Fehlanzeige.
Und dann sind da noch die Kollateralschäden des aktuellen Mini-Lockdowns: Denn was wird kurz vor Ostern passieren?
Am Mittwoch rasen wir alle in die Supermärkte, decken uns für fünf Tage ein. Erst einmal wird das eine große Corona-Kontakt-Börse in den Supermärkten. Oder in der Schlange davor. Und nach Ostern? Was passiert, wenn die Inzidenz-Zahlen nicht sinken?
Dann haben wir ein echtes Problem. Denn mit welcher Autorität will die Politik in Zukunft noch unpopuläre Corona-Maßnahmen umsetzen? Es wird jedenfalls verdammt schwer, auch die Wohlwollenden bei der Stange zu halten.
Nein, dieser Oster-Lockdown ist ein Strohfeuer. Schnell verglüht und so nachhaltig wie eine Blitzdiät. Nämlich gar nicht.
Niklas Ottersbach, Landeskorrespondent in Sachsen-Anhalt