"Ostpunk – Too much future"
Punk in den 70er Jahren, das war die Liebe zum Lärm und zum Leben außerhalb der Norm. Auch in Deutschland fand Punk sein Publikum – und zwar auf beiden Seiten der Mauer. Wie Punk in der DDR entstand, wie die Subkultur den sozialistischen Staat verunsicherte und schließlich von ihm aufs Bitterste bekämpft wurde, zeigt ab heute die Ausstellung "Ostpunk – Too much future" in Berlin.
"Ich hab in einer der erste Punkbands überhaupt gesungen, "planlos" in berlin, das war eins der ersten Konzerte 81, wenn ich mich recht erinner, in so nem Atelier. Das war natürlich immer illegal. In der DDR brauchtest du ja immer eine so genannte Einstufung, heißt, du musstest vor einer Kommission spielen, die hat dann dein Outfit, die Qualität der Musik und natürlich die Texte, ob die politisch konform sind, beurteilt. Dann hast du eine Spielerlaubnis bekommen und dann durftest du spielen. Und Punks waren natürlich per se verboten und insofern war die Punkmusik, die gemacht wurde, immer illegal."
Michael Boehlke, Spitzname "Pankow", verfiel dem Punk Ende der 70er Jahre durch ein Bild von Sex Pistol-Sänger Johnny Rotten. 'Das will ich auch’ dachte er und zerriss spontan seine T-Shirts. Mit seinen blondgefärbten Haarstacheln und zerfetzten Hosen wurde er zum Blickfang seiner Wohnsiedlung in Berlin-Pankow. Bis 1984 war Punk sein Leben, dann stellte ihn die Stasi vor die Wahl: Gefängnis, Ausreise oder Armee. Er wählte das letzte
Heute steht Michael Boehlke in seiner Ausstellung "Ostpunk" vor dem Ergebnis von drei Jahren Recherche. Fotografien, Originalaufnahmen, Gemälde und Siebdrucke hat er mit seinem Team zusammengetragen, aber auch Stasi-Akten und Zeitungsartikel. Im Salon Ost, einer alten Lagerhalle in Prenzlauer Berg, ist zwischen unverputzten Wänden zu bestaunen, wie der Punk die DDR prägte – und umgekehrt. Deswegen heißt das Motto der Ausstellung auch "Too much future", zu viel Zukunft.
"Weil wir uns damit klar abgrenzen von "No future". Die Thematik war ja im Osten ne weitaus andere als im Westen oder in England und Amerika. Dadurch, dass wir uns in diesem Systemfeld bewegt haben, zwischen Subkultur und Diktatur, entstand ne ganz andere Atmosphäre. Für uns war es eben zuviel Zukunft. Die Planwirtschaft, die da festgelegt war, hat uns als junge Menschen vollständig verplant und das war der Versuch eines Ausbruchs, da rauszugehen."
Was den Gegensatz zwischen guten DDR-Bürgern und Punks ausmachte, bringt ein in der Ausstellung dokumentierter Spruch auf den Punkt: "Keiner macht, was er soll, alle machen, was sie wollen". Die Punks verweigerten sich den Chancen und dem Zwang der sozialistischen Gesellschaft, die doch jedem einen Platz anbot und ihn zur Not mit Druck dort hielt. Damit wurden sie, anders als im Westen, nicht nur zu Systemkritikern, sondern auch zu Staatsfeinden.
Musik "Bürgerkrieg"
Die Moral von der Geschicht
Glaub nicht jedem Arschgesicht
Wirf die Bombe bis zum See
Komm, wir spielen Bürgerkrieg
Bürgerkrieg, Bürgerkrieg
Kriegt der Bürger Bürgerkrieg
Obendrein waren die Texte der Ostpunk-Bands noch aggressiver und politischer als die ihrer Kollegen im Westen. Da wurde zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen oder die Nationalhymne in "Aufgestanden und ruiniert" umgedichtet. Trotzdem dauerte es bis Mitte der 80er Jahre, bis die Stasi begann, die Jugendlichen unter Druck zu setzen. Die Behörde hatte erst spät erkannt, dass von außen an die Punks nicht heranzukommen war.
"Die haben einen neuen IM-Typus erfunden, der in der Szene auch is. Und die gingen davon aus, dass die Punkszene patriarchalisch aufgebaut ist und dass es immer einen Führer gibt. Und die dachten, den Kopf der Band, den müssten sie sich holen. Und wir haben drei Jahre lang in der Bstu, also der ehemaligen Gauck-Behörde, geforscht und es gibt immens viele Punks, muss man leider sagen, die mitgearbeitet haben."
Feinsäuberliche Diagramme von Bands und ihren Anhängern, Protokolle von Auftritten bei Kirchenfesten, Polizeifotos – die Ausstellung erspart weder Punks noch Besuchern das Ausmaß des Verrats. 1983 befahl Erich Mielke, die Szene zu zerschlagen. Unter der Androhung langer Gefängnisstrafen gingen manche in den Westen, manche zur Armee. Danach waren die Punks zersplittert und entsolidarisiert, blieben aber bis zur Wende aktiv.
Die Ausstellung ist jedoch keine bloße Dokumentation, sie zeigt auch Kunstwerke von Punks und über Punks. Mal leuchten dem Besucher expressionistisch anmutende Portraits entgegen, mal wilde Collagen aus Fotografie, Schrift und Zeichnungen. So wird die Ausstellung in der dunklen Lagerhalle selbst zu einem Punk-Kunstwerk, genauso bunt, schrill und zerfetzt wie die T-Shirts in den 70ern.
Nicht zu vergessen: die Musik. Schon beim Eintritt in die große Lagerhalle sind Amateurfilmaufnahmen der illegalen Konzerte zu sehen, im Band-Raum unterm Kopfhörer Mitschnitte zu hören.
Und keine Angst, wenn Sie die Texte nicht verstehen, können Sie sie zum Teil in der Ausstellung nachzulesen. Zum Beispiel den hier:
"Wir sind die graue Feuerwehr
In der schönen DDR
Wir fachen überall Feuer an
Leipzig brodelt – es geht voran!"
Silke Merten über die Ausstellung "Ostpunk -Too much future", die erste große Ausstellung über Punk in der DDR. Eröffnung am Freitag, 26.8.2005 um 19, in Berlin, Prenzlauer Berg, Saarbrücker Str. 20. Dauert bis zum 25. September.
Michael Boehlke, Spitzname "Pankow", verfiel dem Punk Ende der 70er Jahre durch ein Bild von Sex Pistol-Sänger Johnny Rotten. 'Das will ich auch’ dachte er und zerriss spontan seine T-Shirts. Mit seinen blondgefärbten Haarstacheln und zerfetzten Hosen wurde er zum Blickfang seiner Wohnsiedlung in Berlin-Pankow. Bis 1984 war Punk sein Leben, dann stellte ihn die Stasi vor die Wahl: Gefängnis, Ausreise oder Armee. Er wählte das letzte
Heute steht Michael Boehlke in seiner Ausstellung "Ostpunk" vor dem Ergebnis von drei Jahren Recherche. Fotografien, Originalaufnahmen, Gemälde und Siebdrucke hat er mit seinem Team zusammengetragen, aber auch Stasi-Akten und Zeitungsartikel. Im Salon Ost, einer alten Lagerhalle in Prenzlauer Berg, ist zwischen unverputzten Wänden zu bestaunen, wie der Punk die DDR prägte – und umgekehrt. Deswegen heißt das Motto der Ausstellung auch "Too much future", zu viel Zukunft.
"Weil wir uns damit klar abgrenzen von "No future". Die Thematik war ja im Osten ne weitaus andere als im Westen oder in England und Amerika. Dadurch, dass wir uns in diesem Systemfeld bewegt haben, zwischen Subkultur und Diktatur, entstand ne ganz andere Atmosphäre. Für uns war es eben zuviel Zukunft. Die Planwirtschaft, die da festgelegt war, hat uns als junge Menschen vollständig verplant und das war der Versuch eines Ausbruchs, da rauszugehen."
Was den Gegensatz zwischen guten DDR-Bürgern und Punks ausmachte, bringt ein in der Ausstellung dokumentierter Spruch auf den Punkt: "Keiner macht, was er soll, alle machen, was sie wollen". Die Punks verweigerten sich den Chancen und dem Zwang der sozialistischen Gesellschaft, die doch jedem einen Platz anbot und ihn zur Not mit Druck dort hielt. Damit wurden sie, anders als im Westen, nicht nur zu Systemkritikern, sondern auch zu Staatsfeinden.
Musik "Bürgerkrieg"
Die Moral von der Geschicht
Glaub nicht jedem Arschgesicht
Wirf die Bombe bis zum See
Komm, wir spielen Bürgerkrieg
Bürgerkrieg, Bürgerkrieg
Kriegt der Bürger Bürgerkrieg
Obendrein waren die Texte der Ostpunk-Bands noch aggressiver und politischer als die ihrer Kollegen im Westen. Da wurde zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen oder die Nationalhymne in "Aufgestanden und ruiniert" umgedichtet. Trotzdem dauerte es bis Mitte der 80er Jahre, bis die Stasi begann, die Jugendlichen unter Druck zu setzen. Die Behörde hatte erst spät erkannt, dass von außen an die Punks nicht heranzukommen war.
"Die haben einen neuen IM-Typus erfunden, der in der Szene auch is. Und die gingen davon aus, dass die Punkszene patriarchalisch aufgebaut ist und dass es immer einen Führer gibt. Und die dachten, den Kopf der Band, den müssten sie sich holen. Und wir haben drei Jahre lang in der Bstu, also der ehemaligen Gauck-Behörde, geforscht und es gibt immens viele Punks, muss man leider sagen, die mitgearbeitet haben."
Feinsäuberliche Diagramme von Bands und ihren Anhängern, Protokolle von Auftritten bei Kirchenfesten, Polizeifotos – die Ausstellung erspart weder Punks noch Besuchern das Ausmaß des Verrats. 1983 befahl Erich Mielke, die Szene zu zerschlagen. Unter der Androhung langer Gefängnisstrafen gingen manche in den Westen, manche zur Armee. Danach waren die Punks zersplittert und entsolidarisiert, blieben aber bis zur Wende aktiv.
Die Ausstellung ist jedoch keine bloße Dokumentation, sie zeigt auch Kunstwerke von Punks und über Punks. Mal leuchten dem Besucher expressionistisch anmutende Portraits entgegen, mal wilde Collagen aus Fotografie, Schrift und Zeichnungen. So wird die Ausstellung in der dunklen Lagerhalle selbst zu einem Punk-Kunstwerk, genauso bunt, schrill und zerfetzt wie die T-Shirts in den 70ern.
Nicht zu vergessen: die Musik. Schon beim Eintritt in die große Lagerhalle sind Amateurfilmaufnahmen der illegalen Konzerte zu sehen, im Band-Raum unterm Kopfhörer Mitschnitte zu hören.
Und keine Angst, wenn Sie die Texte nicht verstehen, können Sie sie zum Teil in der Ausstellung nachzulesen. Zum Beispiel den hier:
"Wir sind die graue Feuerwehr
In der schönen DDR
Wir fachen überall Feuer an
Leipzig brodelt – es geht voran!"
Silke Merten über die Ausstellung "Ostpunk -Too much future", die erste große Ausstellung über Punk in der DDR. Eröffnung am Freitag, 26.8.2005 um 19, in Berlin, Prenzlauer Berg, Saarbrücker Str. 20. Dauert bis zum 25. September.