Ostrock

"Wir leben als Musiker und nicht als Verkäufer"

Der Musiker Dirk Zöllner am 23.12.2013 in Berlin im Hotel Estrel bei seinem Auftritt beim traditionellen Weihnachtsessen für Menschen von der Straße.
Der aus der DDR stammende Musiker Dirk Zöllner © dpa / Jens Kalaene
Moderation: Katja Bigalke |
Welche Rolle spielten Bands wie diese im Alltag der DDR? Welchen Beitrag leisteten sie zur Wende, und wie erging es ihnen nach der Wiedervereinigung? Diese Fragen stellen wir heute, am 7. Oktober, dem früheren Staatsfeiertag der DDR, dem Musikjournalisten Michael Pilz und dem Musiker Dirk Zöllner.
Am 7. Oktober wurde früher der Nationalfeiertag der DDR begangen – Anlass für uns zu fragen, was eigentlich aus den Bands geworden ist, die die DDR musikalisch prägten? Welche Rolle spielten sie im Alltag der DDR, welchen Beitrag leisteten sie zur Wende und wie erging es ihnen nach der Wiedervereinigung?
Die wohl bekannteste DDR Rock-Gruppe, die Puhdys, ist gerade – so scheint es zumindest – auf ihrer letzten Abschiedstournee durchs Land. Mittlerweile blicken sie auf eine 50-jährige Bandgeschichte zurück. "Alt wie ein Baum" sind sie damit zwar immer noch nicht – aber der Song ist immerhin ein Klassiker.
Die Puhdys - über 50 Jahre im Geschäft
Leipzig (Sachsen): Die ostdeutsche Rockband "Die Puhdys" am 04.09.1997 nach einer Tigertaufe im Leipziger Zoo. Die Altrocker Dieter Hertrampf, Dieter Birr, Peter Meyer, Harry Jeske und Klaus Scharfschwerdt (v.l.n.r.) treten letztmalig in dieser Formation am 14. September 1997 in Dresden und am 3. Oktober 1997 in Rostock, derHeimat von Harry Jeske, auf. Der dann 60jährige Bassist und Mitbegründer der Band Harry Jeske will aus gesundheitlichen Gründen nach 28 Jahren aussteigen.
Die Puhdys im Jahr 1997: Dieter Hertrampf, Dieter Birr, Peter Meyer, Harry Jeske und Klaus Scharfschwerdt (v.l.n.r.)© picture alliance / dpa
Musik Puhdys: "Alt wie ein Baum"
Eine Band, die heute dem Ostrock zugerechnet wird, wie so vieles, was musikalisch in der DDR entstanden ist. Dabei haben etwa die alternativen Bands, die in den 80er-Jahren auftauchten, herzlich wenig mit den Rockern der 70er-Jahre zu tun.
Warum die ehemaligen DDR-Bands aber heute immer noch so gerne mit dem Präfix Ost bedacht werden, darüber habe ich mit Michael Pilz gesprochen, Musikwissenschaftler und Feuilleton-Redakteur bei der "Welt". Meine erste Frage war dann auch, wofür der Begriff Ostrock heute eigentlich alles herhalten muss?
Ost-Rock - von der bloßen Zuschreibung zum Markenzeichen
"'Ost-Rock' hat natürlich einmal eine konkrete Note, das ist halt Musik, die irgendwie in die DDR zurückführt. Andererseits ist es ein Begriff, der künstlich irgendetwas einhegt, was es heute noch gibt und was diese Wurzeln hat. Es ist einfach eine Zuschreibung. Das ist wie im Fußball, wo es eben auch die Ost-Mannschaften gibt. Da fällt dann eben aller drunter - und insofern ist da ein Begriff entstanden, den sich manche Bands dann auch wieder auf die Fahne schreiben, einerseits als Markenzeichen, manche wiederum ein bisschen aus Trotz."
So der Musikwissenschaftler Michael Pilz, und bevor wir gleich weiter diskutieren über den Einfluss der DDR-Bands in der Nachwendezeit, zum Beispiel Feeling B, die drei ihrer Mitglieder an Rammstein verlor.
Flake Lorenz bei einem Konzert mit Rammstein in Berlin
Mit Feeling B war Flake berüchtigt, mit Rammstein so richtig berühmt. © imago/Kai Horstmann
Musik Feeling B: "Ich such die DDR"
Feeling B, zumindest in Teilbesetzung die Vorläuferband von Rammstein, einer Band, die in den 90ern relativ schnell international Karriere machte.
Musikwissenschaftler: Einfluss der DDR-Band war eher gering
Aber wie sah das mit den anderen DDR-Bands aus, wenn man sich die letzten 25 Jahre anschaut? Haben sie die Nachwendezeit musikalisch geprägt und Einfluss gehabt auch in der Musikszene des wiedervereinigten Deutschlands? Auch das habe ich den Musikwissenschaftler und Feuilletonisten Michael Pilz gefragt:
"Also, ich glaube, ehrlich gesagt, recht wenig", sagt Pilz. Aber man müsse unterscheiden:
"Eine Band wie 'Rammstein', natürlich war die wahnsinnig einflussreich. Ohne 'Rammstein' hätte es diese ganze sogenannte Neue Deutsche Härte nicht gegeben, wie zum Beispiel 'Eisbrecher', oder wie die Bands auch alle heißen. Aber die alten Ost-Bands? Ich glaube nicht, dass die eine große Rolle gespielt haben. Die waren immer so ein bisschen für sich. Also, es hätte nie eine Band versucht, so wie 'Keimzeit' zu spielen."
Auch bei der zweiten Generation von Musikern, die ihre Sozialisation im Osten erlelbt haben, aber in den 90er-Jahren auch im Westen Erfolg hatten, wie zum Beispiel Marteria, Paul Kalkbrenner oder Paul van Dyk, sei die Herkunft letztlich nicht so wichtig, sagt Pilz.
"Viel wichtiger ist, mit welchen Motivationen fängt man überhaupt an, Musik zu machen."
Eine andere Band, die dem "Ost-Rock" zugeordnet werden kann und die bis 1993 existierte, ist AG. Geige, die Avantgarde-Gruppe von Ina und Jan Kummer, die auch die Eltern der Brüder Felix und Till von Kraftklub sind.
Musik AG. Geige: "Maximale Gier"
Dirk Zöllner: "Ich bin deutschlandweit sozialisiert"
Wir fragen am heutigen 7. Oktober, dem früheren Nationalfeiertag der DDR nach, was eigentlich aus den Bands geworden ist, die die DDR musikalisch prägten?
Viele haben aufgehört – manche haben aber auch weitergemacht wie Dirk Zöllner, dessen Karriere in den 80er-Jahren begann mit einer Art deutschem Soul. Damit trat der Berufsmusiker sogar im Vorprogramm von James Brown auf. Nach der Wende gab es Kreativpausen, verschiedene Zusammensetzungen der Band – aber Dirk Zöllner tritt immer noch auf unter dem Namen Die Zöllner. Und so war unsere erste Frage auch, was der Dirk Zöllner heute noch mit dem aus den 80er-Jahren gemein hat?
"Nicht mehr viel, denke ich. In der 80er-Jahren war ich ein Kind der DDR. Mittlerweile bin ich sozusagen deutschlandweit sozialisiert. [... ] Wenn man in der DDR groß geworden ist, war das auch schon sehr deutsch, sehr bürokratisch, wie man es kennt, auch sehr kleingartenmäßig, aber ich denke, von der ganzen Sichtweise her noch enger."
Das sich seine Band "im Schatten entwickeln konnte", habe auch viele Vorteile gehabt:
"Ich bin glücklich, in dieser Band Sänger zu sein. Da sind Musiker, die sich alle verwirklichen. Wir machen nicht das typische Musikgeschäft mit, dass wir eine 'Soundwurst' schaffen, wo der Sänger irgendwie nett drübersteht, [...] wir leben als Musiker und nicht als Verkäufer, und das machen wir mit Selbstbewusstsein. Wir sind uns unserer Qualität in Musik und Text auch bewusst."
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