Ostukraine

Donezker Oper sympathisiert mit Separatisten

Aufgenommen am 12.02.2013.
Das Opernhaus im ostukrainischen Donezk © picture alliance / dpa / Marius Becker
Von Florian Kellermann |
Die Separatisten in Donzek verbünden sich mit der Kulturwelt. Sie halten Vorträge vor Studenten über die Werte der russischen Kultur. Und die Star-Sopranisten Anna Netrebko überreichte zusammen mit einem der Anführer einen Scheck an die Donezker Oper - "eine nette Geste", meint der Direktor
Es ist früher Nachmittag. Valeria Michailowna hat ihren schönsten Pelz angelegt, sich auffällig geschminkt und wartet vor der Oper auf eine Freundin. Die Donezker Oper beginnt ihre Aufführungen zurzeit Punkt 14 Uhr. Denn bis vor kurzem, bis die Waffenruhe begann, setzten abends regelmäßig heftige Artilleriegefechte ein. Die Menschen kamen nicht mehr sicher nach Hause.
Valeria Michailown: "Früher bin ich gerne in die Oper gegangen. Heute kann ich gar nicht anders, das ist einfach notwendig, um nicht durchzudrehen. Drei Stunden lang kann ich die Welt vergessen - und mich fühlen, als ob es den Krieg nie gegeben hätte."

Die 65 Jahre alte Rentnerin ist deshalb einfach nur dankbar für die Spende von Anna Netrebko an die Donezker Oper. Der Star des Wiener Burgtheaters überreichte einen Scheck über umgerechnet 15.000 Euro. Einen politischen Kontext sieht Valeria Michailowna darin nicht: Mittlerweile sei es doch ganz egal, ob die Stadt weiter zur Ukraine gehöre oder sich die Separatisten durchsetzen. Hauptsache, der Krieg höre auf, sagt sie.
Opern-Generaldirektor: Netrebkos Spende hat nichts mit Politik zu tun
Wenig später sitzt sie im prächtigen Saal, gebaut in der Stalin-Ära. Gespielt wird Jewgenij Onegin, eine Liebes-Tragödie nach einem Versepos von Puschkin.
Prächtig ist auch der Verwaltungsteil des mächtigen Operngebäudes. Ein Labyrinth an Gängen mit stuckverzierten Decken führt zum Büro des Generaldirektors Jewgenij Denisenko. Auch er behauptet, die Spende von Netrebko sei nichts als eine nette Geste.
Denisenko: "Gerade habe ich einen Anruf bekommen, was wir denn mit dem Geld machen wollen. Ich finde, darüber soll das Kollektiv entscheiden. Einen Teil würde ich dafür verwenden, die Bühnendekoration für den Fliegenden Holländer wieder herzustellen. Sie ist teilweise verbrannt, nachdem eine Bombe in unser Lager eingeschlagen war. Unser Fliegender Holländer ist ein großer Erfolg, eine sehr moderne Inszenierung."

Natürlich weiß der Direktor genau, dass Anna Netrebko ihren Scheck nicht etwa einer humanitären Organisation für die Oper übergeben hat. Sie überreichte ihn medienwirksam einem führenden Politiker der von den Separatisten ausgerufenen "Donezker Volksrepublik". Sie posierte sogar mit der Fahne von "Neurussland", wie die Separatisten die Vereinigung der Donezker und der Luhansker Volksrepublik nennen.
Denisenko: "Mit Politik hat ihre Geste nichts zu tun, absolut nichts, daran hat sie nicht im Entferntesten gedacht. Eine Künstlerin hilft anderen Künstlern, die nicht einmal mehr genug zu essen haben. 'Fressen' möchte ich beinahe sagen, denn so tief sind wir gesunken, dass wir einfach nur etwas zu fressen haben wollen."
Separatisten-Führer hält Vortrag an Musik-Akademie
Direktor Denisenko hat dennoch klare politische Vorstellungen. Von der Ukraine spricht er nur in der Vergangenheit. Er verurteilt das militärische Vorgehen gegen die Separatisten – ebenso wie die Entscheidung, keine Renten und Beamtenbezüge in Donezk mehr auszuzahlen. Von Kiew erwarte er nichts mehr, sagt Denisenko. Bald würden die Separatisten in der Lage sein, die Oper zu finanzieren.
Die Flagge der selbsterklärten "Volksrepublik Donezk" in einer Straße der Stadt
Die Flagge der selbsterklärten "Volksrepublik Donezk" in einer Straße der Stadt© afp / Max Vetrov
Tatsächlich messen deren Anführer der Kultur große Bedeutung bei. Bataillons-Kommandeure halten Vorträge vor Studenten, so vor kurzem Alexandr Chodakowskij an der Donezker Musik-Akademie. Seine Soldaten kämpften für kulturelle und geistliche Werte, erklärte der Anführer des Bataillons "Wostok".
Chodakowskij: "Der Krieg ist kein Ziel an sich, es geht um die geistige und geistliche Wiedergeburt. Unsere Gesellschaft ist schon lange orientierungslos, Sie als Bewahrer der Kultur verstehen das am besten. Wir müssen diese merkantile Lebenshaltung, in der alles auf Geld fußt, überwinden."
Dem setzte Chodakowskij die Werte der "russischen Kulturwelt" gegenüber, wie er es nannte. Welche Werte das sind, erklärte er nicht.
Opernabend als ein Stück Normalität
Die Aufführung von Jewgenij Onegin hat inzwischen begonnen – eine klassische Inszenierung mit aufwändigen, historischen Kostümen. Der Saal ist beinahe voll, die Menschen genießen ein Stück Normalität in ihrer aus den Fugen geratenen Welt.
Und eines Tages, hofft Direktor Denisenko, wird Anna Netrebko auch auf seiner Bühne stehen.
Denisenko: "Sie hat gesagt, wenn diese ganze Krise vorbei ist, dann können wir das ins Auge fassen. Schließlich hat sie Rollen im Repertoire, die zu uns passen – in Traviata zum Beispiel oder in La Boheme."
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