Großes Theater in Wiesbaden
Mit dem Klassiker "Otello" von Giuseppe Verdi beginnt die Spielzeit am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Die Inszenierung der Geschichte um Intrigen, Selbstzerstörung und Mord überzeugt vor allem durch die darstellerische Leistung.
15 Neuproduktionen hat Intendant Uwe Eric Laufenberg für diese Saison auf den Spielplan des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden gesetzt. Die erste liefert er selbst mit Verdis Spätwerk Otello, dem zeitlosen Shakespeare-Drama um den maurischen Feldherren, der durch Jagos Intrigen zu Selbstzerstörung und Mord an seiner geliebten Ehefrau Desdemona getrieben wird. Laufenberg verortet die Handlung zeitnah, zumindest lassen die Soldatenuniformen der Männer und die elegant-schlichten Kleider der Damen auf das 20. oder 21. Jahrhundert schließen. Aber die Zeit spielt eigentlich keine Rolle bei Laufenberg. Er legt den Fokus auf die Emotionen der Figuren und überrascht mit einem gesprochenen Prolog des Jago: Der Sänger Matias Tosi provoziert das vornehme Wiesbadener Premierenpublikum in mit Kernaussagen aus dem Credo des Jago, wie "Die Liebe ist eine Lüge, sie ist Betrug, und Betrug regiert die Welt." Die Oper beginnt als Jagos Beweis für den perfekten Betrug.
Bühnenbildner Gisbert Jäkel hat auf dem schwarzen Boden große weiße antike Säulen aufgereiht, die kühl und distanziert den Lebensraum Othellos umrahmen. Im ersten Akt ist er noch Kriegsschauplatz, auf dem die Heimkehrer Flaggen mit Halbmond und Stern verbrennen und ihre Lust auf Frauen befriedigen. In den letzten beiden Akten umrahmen sie einen Sitzungssaal und das steril-weiße Schlafgemach. Es gibt viel Raum für die intimen Momente des Dramas. Laufenberg erzählt die Handlung haargenau: Jagos Manipulationen, und die Gewalt gegen Frauen werden schonungslos gezeigt. Othello erwürgt die blutjunge Desdemona tatsächlich in ihrem Bett und ersticht sich kurz darauf – genau wie bei Shakespeare vorgesehen.
Eine atmosphärisch dichte und dramatische Partitur
Darstellerisch überzeugen alle Sänger in dieser Produktion. Cristina Pasaroiu singt einen ergreifenden letzten Akt, nachdem sie zuvor ihre Desdemona mehr mit strahlendem Forte als mit zartem Piano gezeichnet hatte. Bei ihr, wie bei Jago, bangt man etwas um eine noch junge Stimme, denn die Verdipartien fordern Substanz. Matias Tosis dämonischer Jago hat eigentlich einen wunderbar lyrischen Bariton und muss das Dämonische mit Kraft erzeugen. Aufhorchen lässt die strahlende Tenorstimme von Aaron Cawley als Cassio und Scott Piper brilliert als sensibler Otello mit erstaunlicher Weichheit und Kraft in der Stimme. Es gelingt ihm, alle Facetten des an sich selbst zweifelnden und vor Eifersucht rasenden Mohren auszudrücken. Ein paar spröde Spitzentöne lässt man ihm da gerne durchgehen.
Leo McFall leuchtet mit dem Hessischen Staatsorchester die atmosphärisch dichte und dramatische Partitur Verdis plastisch und packend aus und ist immer bei den Solisten. Besonders prächtig gelingen die großen Chorszenen. Uwe Eric Laufenberg hat sich in diesem Otello szenisch auf das Wesentliche konzentriert und die Personen mit Liebe zum Detail plausibel und eindringlich geführt. Das Bühnenbild hätte durchaus noch ein paar Facetten vertragen, wie die leider nur spärlich eingesetzten Videoprojektionen. Oberflächlichkeit kann man Laufenberg trotz seines immensen Inszenierungs-Pensums für diesen Otello jedenfalls nicht vorwerfen.