"Othello" mit viel weiblicher Personage
Mit einer perfiden Schlacht zwischen zwei Männern wollte es Regisseur Jan Bosse nicht bewenden lassen. Er erhöht an der Burg den weiblichen Spielanteil in Shakespeares "Othello". Dabei kommen Figuren zum Tragen, die sonst auch mal gestrichen werden.
Er ist derzeit einer der gefragtesten Regisseure auf deutschsprachigen Schauspielbühnen, zwischen Berlin, Hamburg und Wien kann Jan Bosse über die Ensembles erster Häuser verfügen, um seine Vorstellungen von Theater zu realisieren. Mittlerweile entwickelt er sich dabei zum Klassiker-Spezialisten – auf "Peer Gynt" am Thalia Theater in Hamburg folgte jetzt Shakespeares "Othello" am Akademietheater der Wiener "Burg". Außerdem lässt sich Bosse gern auch als Polemiker ein. Das passt zum Ton der Zeit.
Die ganz Jungen aber sind längst schon wieder viel mutiger; unter den mittlerweile arrivierten Newcomern von gestern dagegen ist derweil eine ziemlich oberflächliche Form des Konservatismus preiswert, um nicht zu sagen: billig zu haben. Dieses rückwärtsgewandte Denken polemisiert beharrlich und lauthals gegen angeblichen "Modernismus" auf Teufel-komm-raus, scheut das Originell-Sein-Wollen wie eben jener das Weihwasser und hält "Provokation" an sich und um ihrer selbst willen für Quatsch mit Soße von vor-vor-vorgestern. Die so reden und schreiben lassen in Gesprächen über das aktuelle Theater, haben offenbar darin den ersehnten festen Platz gefunden; Abenteuer war für sie gestern.
Auch Jan Bosse trägt sein Teil bei zu dieser neuen Generationen-Debatte, auch er sieht - wie es scheint - sich selbst und die eigene Arbeit im "Mainstream" nach der Moderne. Beruhigend dabei ist, dass auch Bosse sich nicht sklavisch an die eigenen Regeln hält, und zuweilen blanken medialen Modernismus praktiziert – beunruhigend, dass manche der Arbeiten aus seiner Werkstatt dann auch genau so aussehen, wie seine Theorie es will: erwartbar, überraschungsfrei, routiniert. Wenn auch das im allerbesten Sinne – der Wiener "Othello" gehört dazu.
Zweieinhalb Ideen liegen der Arbeit am vertrauten Stoff zugrunde – zum einen hat Bosse (mit dem seit dem Hamburger "Faust" bewährten Helden-Duo Joachim Meyerhoff und Edgar Selge, Protagonisten und Menschenbildnern allererster Qualität) ganz auf Illusion und Verkörperung gesetzt. Sein "Othello" Meyerhoff ist schwarz gemalt bis in die entlegenste Pore, gibt zu Beginn schwarz in schwarz mit schwarzer Sonnenbrille und beinahe mit Rapper-Stimme den "nigga with attitude", den stolzen Aufsteiger aus dem Vorstadt-Getto, und färbt - nackt im mörderischen Finale - beträchtlich ab aufs Opfer Desdemona; und der Weg vom sanften Säuseln bis in den tiefsten Hass findet mit "Black Meyerhoff" starke Bilder.
Demgegenüber gibt Selge als verräterisch-erfindungsreicher Intrigant Jago eher den derben Landsknecht, die enervierend oberflächlich "moderne" Textfassung von Bosse und Dramaturgin Gabriella Bussacker verschärft leider noch diesen Ermüdungseffekt: mit einem Wortschatz zwischen Pennern und Schlampen, Arsch-aufreißen und Schnäppchenjägern. Mit zunehmender Dauer des Abends wächst da die Sehnsucht nach kluger, zeitgenössischer Verdichtung, wie sie neulich in Berlin gerade Frank-Patrick Steckel für die "Othello"-Version seiner Tochter Jette am Deutschen Theater beispielhaft vorgeführt hatte – so geht's nämlich auch.
Bosses zweite Idee ist interessanter – weil auch er es nämlich mit der perfiden Schlacht zwischen zwei Männern nicht bewenden lassen will, erhöht er den weiblichen Spielanteil der Geschichte. Bianca, Geliebte von Othellos Hauptmann Cassio, eine der Opfer-Figuren in Jagos Intrige, ist hier den ganzen Abend über präsent; obwohl ihr nur minimale Bedeutung zukommt für die Logik der Tragödie – gelegentlich wird die Rolle sogar ganz gestrichen. Und auch Emilia, Jagos Frau, gewinnt in Wien enorm – und deutlicher erkennbar als sonst wird Jagos ziemlich quälende und ganz reale Angst, selber genau so gehörnt und betrogen worden zu sein von seiner schmucken Emilia (und vom bekennendermaßen frei liebenden Othello!), wie er es nun eben dem zu suggerieren versucht. "Woman is the Nigger of World", die Frau ist der schwarze Sklave dieser Welt – so singen die drei Frauen zur Gitarre mit einem Song von John Lennon: klagende Opfer-Weiber am Rande des Infernos, für das sie nichts können.
Die weiblichen Momente sind denn auch die stärksten; auch dank der hochschwangeren Adina Vetter, Caroline Peters und Katharina Lorenz. Aber auch da war zum Beispiel Jette Steckel in Berlin mutiger und ging weiter – mit einem weiblichen Othello. Nein - auch zuzüglich der zweieinhalbten Idee vom Bühnenbildner Stephane Laimé (der das besetzte Zypern eher als Müllhalde zeigt, nicht -wie das in jüngster Zeit auch zuweilen vorkam - als Wellness- und Strand-Oase) ergeben Bosses zwei rote Fäden nicht wirklich das nötige mitreißende Ganze; zu viel Routine und Mainstream macht sich breit zwischendrin, zu viel edler Leerlauf, zu sehr wird schließlich der eine prägende (und wenn's denn sein muss auch provokante!) Gedanke vermisst, der beweisen könnte, was uns Othellos Schreckensfabel an überraschenden Neuigkeiten noch immer mitzuteilen hätte.
Die ganz Jungen aber sind längst schon wieder viel mutiger; unter den mittlerweile arrivierten Newcomern von gestern dagegen ist derweil eine ziemlich oberflächliche Form des Konservatismus preiswert, um nicht zu sagen: billig zu haben. Dieses rückwärtsgewandte Denken polemisiert beharrlich und lauthals gegen angeblichen "Modernismus" auf Teufel-komm-raus, scheut das Originell-Sein-Wollen wie eben jener das Weihwasser und hält "Provokation" an sich und um ihrer selbst willen für Quatsch mit Soße von vor-vor-vorgestern. Die so reden und schreiben lassen in Gesprächen über das aktuelle Theater, haben offenbar darin den ersehnten festen Platz gefunden; Abenteuer war für sie gestern.
Auch Jan Bosse trägt sein Teil bei zu dieser neuen Generationen-Debatte, auch er sieht - wie es scheint - sich selbst und die eigene Arbeit im "Mainstream" nach der Moderne. Beruhigend dabei ist, dass auch Bosse sich nicht sklavisch an die eigenen Regeln hält, und zuweilen blanken medialen Modernismus praktiziert – beunruhigend, dass manche der Arbeiten aus seiner Werkstatt dann auch genau so aussehen, wie seine Theorie es will: erwartbar, überraschungsfrei, routiniert. Wenn auch das im allerbesten Sinne – der Wiener "Othello" gehört dazu.
Zweieinhalb Ideen liegen der Arbeit am vertrauten Stoff zugrunde – zum einen hat Bosse (mit dem seit dem Hamburger "Faust" bewährten Helden-Duo Joachim Meyerhoff und Edgar Selge, Protagonisten und Menschenbildnern allererster Qualität) ganz auf Illusion und Verkörperung gesetzt. Sein "Othello" Meyerhoff ist schwarz gemalt bis in die entlegenste Pore, gibt zu Beginn schwarz in schwarz mit schwarzer Sonnenbrille und beinahe mit Rapper-Stimme den "nigga with attitude", den stolzen Aufsteiger aus dem Vorstadt-Getto, und färbt - nackt im mörderischen Finale - beträchtlich ab aufs Opfer Desdemona; und der Weg vom sanften Säuseln bis in den tiefsten Hass findet mit "Black Meyerhoff" starke Bilder.
Demgegenüber gibt Selge als verräterisch-erfindungsreicher Intrigant Jago eher den derben Landsknecht, die enervierend oberflächlich "moderne" Textfassung von Bosse und Dramaturgin Gabriella Bussacker verschärft leider noch diesen Ermüdungseffekt: mit einem Wortschatz zwischen Pennern und Schlampen, Arsch-aufreißen und Schnäppchenjägern. Mit zunehmender Dauer des Abends wächst da die Sehnsucht nach kluger, zeitgenössischer Verdichtung, wie sie neulich in Berlin gerade Frank-Patrick Steckel für die "Othello"-Version seiner Tochter Jette am Deutschen Theater beispielhaft vorgeführt hatte – so geht's nämlich auch.
Bosses zweite Idee ist interessanter – weil auch er es nämlich mit der perfiden Schlacht zwischen zwei Männern nicht bewenden lassen will, erhöht er den weiblichen Spielanteil der Geschichte. Bianca, Geliebte von Othellos Hauptmann Cassio, eine der Opfer-Figuren in Jagos Intrige, ist hier den ganzen Abend über präsent; obwohl ihr nur minimale Bedeutung zukommt für die Logik der Tragödie – gelegentlich wird die Rolle sogar ganz gestrichen. Und auch Emilia, Jagos Frau, gewinnt in Wien enorm – und deutlicher erkennbar als sonst wird Jagos ziemlich quälende und ganz reale Angst, selber genau so gehörnt und betrogen worden zu sein von seiner schmucken Emilia (und vom bekennendermaßen frei liebenden Othello!), wie er es nun eben dem zu suggerieren versucht. "Woman is the Nigger of World", die Frau ist der schwarze Sklave dieser Welt – so singen die drei Frauen zur Gitarre mit einem Song von John Lennon: klagende Opfer-Weiber am Rande des Infernos, für das sie nichts können.
Die weiblichen Momente sind denn auch die stärksten; auch dank der hochschwangeren Adina Vetter, Caroline Peters und Katharina Lorenz. Aber auch da war zum Beispiel Jette Steckel in Berlin mutiger und ging weiter – mit einem weiblichen Othello. Nein - auch zuzüglich der zweieinhalbten Idee vom Bühnenbildner Stephane Laimé (der das besetzte Zypern eher als Müllhalde zeigt, nicht -wie das in jüngster Zeit auch zuweilen vorkam - als Wellness- und Strand-Oase) ergeben Bosses zwei rote Fäden nicht wirklich das nötige mitreißende Ganze; zu viel Routine und Mainstream macht sich breit zwischendrin, zu viel edler Leerlauf, zu sehr wird schließlich der eine prägende (und wenn's denn sein muss auch provokante!) Gedanke vermisst, der beweisen könnte, was uns Othellos Schreckensfabel an überraschenden Neuigkeiten noch immer mitzuteilen hätte.