Otto Modersohns Werke in Tecklenburg

Ein neues Kunstmuseum in der Provinz

Otto Modersohns Gemälde "Dorfstraße in Worpswede" im Otto-Modersohn-Museum in Fischerhude (Kreis Verden)
Otto Modersohns Gemälde "Dorfstraße in Worpswede" © dpa / picture alliance / Ingo Wagner
Von Thomas Frank |
Freilichtspiele, Wasserschloss und nun das Otto Modersohn Museum: Die 9000-Einwohner-Stadt Tecklenburg im Münsterland ist kulturell kein unbeschriebenes Blatt. Im neuen Modersohn Museum sind Werke von einem der bedeutendsten deutschen Landschaftsmaler des 19. und 20. Jahrhunderts zu sehen.
Ins Auge sticht es nicht gerade, das neue Otto Modersohn Museum im münsterländischen Tecklenburg. Vielmehr reiht es sich ein in die mittelalterliche Fachwerkidylle auf dem Marktplatz. Kein pompöser Kunstpalast eines Stararchitekten, sondern ein bescheidener Bau im Bestand.
Christoph Dörr: "Es ist ein Ackerbürgerhaus aus dem Jahr 1826. Es ist dann unterschiedlich genutzt worden. Als Bauernhaus, aber auch als Wohnhaus, bis es dann eines Tages zum Verkauf stand."
Damit war der Weg bereitet für eine Erfolgsgeschichte: Die Gründung eines Kunstmuseums in nur anderthalb Jahren. Und das mitten in der Provinz, in einem "Kneipp-Kurort" am Teutoburger Wald. Der Apotheker und Unternehmer Christoph Dörr ist einer der Hauptfiguren dieser Erfolgsgeschichte. Zusammen mit seiner Frau hat er das denkmalgeschützte Fachwerkhaus erworben und zum Museum umbauen lassen.
Nachdem der Museumsstandort gesichert war, gründete sich ein Förderkreis, dessen mittlerweile 180 Mitglieder das Museum mitfinanzieren. Die Kunstwerke stellen das Modersohn Museum in Fischerhude, der Kreis Steinfurt und europäische Sammler, mit denen die Familie Modersohn gut vernetzt ist. Nicht zuletzt werden ehrenamtliche Mitarbeiter den Betrieb des Kunsthauses gewährleisten.
Werner Friedrich: "Glück für die Stadt, natürlich auch Glück für die Region, für den Kreis Steinfurt, für Westfalen und vielleicht eben auch für ein regionales Bewusstsein."
Werner Friedrich, Vorstandsmitglied des Förderkreises Otto Modersohn Museum Tecklenburg: "Die Stadt unterliegt der Haushaltssicherung, das heißt, die Stadt kann gar nicht."
Die Idee, ein Modersohn Museum in Tecklenburg zu gründen, hatte Rainer Noeres ins Spiel gebracht, der Geschäftsführer der Otto Modersohn Stiftung Fischerhude. Das war im März 2014. Zwar kennt man Otto Modersohn hauptsächlich als Mitbegründer der Worspsweder Künstlerkolonie und als Maler der Fischerhuder Fluss-, Heide- und Moorlandschaften.
Doch der in Soest geborene Modersohn stellte in Westfalen die Weichen für seine Karriere als herausragender Landschaftsmaler. Gerade Tecklenburg besuchte er immer wieder, um dort seine antiakademischen Malexperimente durchzuführen, orientiert an der französischen Freilichtmalerei der Schule von Barbizon.
Modersohns Tecklenburger Frühwerk umfasst rund 30 Gemälde und 50 Zeichnungen. Das neue Tecklenburger Museum präsentiert sie in fünf Räumen: Frühjahrs- und Winterlandschaften, in Öl auf Leinwand oder mit Bleistift auf Papier gebannt. Wege am Hang, Tümpel, blühende Obstbäume, abendliche Wolkenhimmel über der Burgruine, Hinterhöfe mit Wäsche und Hühnern, alte Gehöfte oder Bauerngärten mit Blick auf die Tecklenburger Kirche.
Werner Friedrich: "Also wir können hier von den ersten noch sehr naturalistisch gehaltenen Anfängen über impressionistische Einsprengsel bis hin zu einer Befreiung der Pinselführung, der Darstellung, des Umgangs mit dem Motiv mitbekommen, nachverfolgen, nachempfinden, wie ein junger rebellierender Student, ein Feuerkopf eigentlich, zu sich kommt."
Kulturelles Erbe der Region
Natürlich dient das Tecklenburger Museumsprojekt dem Prestige der Stadt und der Region. Doch das Hauptziel der Initiatoren besteht darin, das Frühwerk Otto Modersohns als kulturelles Erbe einer Region sichtbar zu machen. Und so ist dieses Museum ein Gewinn für Tecklenburg und ein Musterbeispiel privaten Kunstengagements. Doch wird sich das Kunsthaus jenseits der urbanen Zentren langfristig behaupten können?
Dass das funktionieren kann, beweist das Museum für Westfälische Literatur im münsterländischen Oelde. Es wurde 2001 im alten Rittergut Haus Nottbeck eröffnet, umgeben von einer Gräfte, Obstbaumwiesen, Getreidefeldern und Wäldern. Museumsleiter Walter Gödden hat entscheidend daran mitgewirkt, dass es inzwischen zu einer kulturellen Institution in Westfalen avanciert ist.
Walter Gödden: "Dann ist natürlich so ein Museum, wie es heute sich präsentiert, wirklich ein Ambiente, wie es in einer städtischen Umgebung, glaub ich, so gar nicht möglich wäre. Wer hier herkommt, bringt Zeit mit, bringt Muse mit, hat hier eine parkähnliche Umgebung, hat wirklich die Muße zu lesen, an den Hörinseln Literatur zu erwandern, und all das, glaub ich, trägt zum besonderen Charme bei."
Heute strömen bis zu 25.000 Besucher jährlich nach Nottbeck. Zwar herrschte anfangs noch große Skepsis.
Walter Gödden: "Da geht doch keiner hin, und dann noch so ein Thema: westfälische Literatur, das ist doch gar nicht interessant genug fürs breitere Publikum."
Doch gerade die Spezialisierung auf westfälische Literatur erwies sich als Erfolgsgeheimnis. Und zwar von den Anfängen im frühen Mittelalter bis in die Gegenwart, quer durch alle Sparten der Literatur. Ob Ausstellungen zu Wilhelm Busch, westfälischen Popsongs oder Kitsch und Trivialliteratur, ob Jazz - und Lyrik-Abende mit Peter Rühmkorf, Lesungen mit Senta Berger oder Kabarett mit Wiglaf Droste, es war und ist der Spaß an den Kontrasten zwischen "Hochkultur" und "Populärkultur", mit denen Nottbeck es schaffte, Literatur nicht nur für Experten, sondern für "jedermann" interessant zu machen.
Betreut wird das Museum von der Literaturkommission für Westfalen in Münster, finanziert wird es vom Kreis Warendorf. Doch trotz der stattlichen Besucherzahlen drohen dem Museum Etatkürzungen, sogar die Schließung von Nottbeck steht angesichts der klammen Kommunen zur Disposition.
Mit diesem Problem wird das Otto Modersohn Museum in Tecklenburg dank der privaten Finanzierung nicht zu kämpfen haben. In Zeiten knapper Kulturetats kann die Vielfalt der Museumslandschaft wohl nur noch so bewahrt werden.
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