Ottos Erben
Das Flugwesen in Brandenburg hat eine lange Tradition. Und vielleicht sollten sich die für den Großstadtflughafen BER Verantwortlichen ein wenig mehr damit befassen. Denn: Aus der Geschichte lernen, heißt fliegen lernen.
Kleiner Ort, große Fluggeschichte
"Wir trinken erstmal einen Schluck auf die Ausstellung und auf die Interflugleute, dass sie alle so zahlreich erschienen sind. Freut mich. Also erstmal zum Wohl."
Stölln, ein kleiner Ort im brandenburgischen Havelland, westlich von Berlin. 80 Gäste stoßen stilecht an mit einem Glas "Rotkäppchen halbtrocken" auf die Eröffnung einer kleinen Ausstellung über die Geschichte der Interflug, der staatlichen Fluggesellschaft der DDR. Sie sitzen im Heck einer Iljuschin 62, des ersten Langstreckenjets der Sowjetunion, den die Interflug seit 1970 einsetzte.
Schwenzer: "Stölln hat ja immer historischen Boden gehabt, wir haben den ersten Flieger, wir haben dieses Flugzeug hier, dass gelandet ist, steht im Guiness-Buch der Rekorde, wir haben den ältesten Flugplatz der Welt, ..."
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Horst Schwenzer Erster Vorsitzender des Otto-Lilienthal-Vereins in Stölln. Die Attraktionen des Flugwesens, die seine kleine Gemeinde zu bieten hat, lassen ihn immer wieder schwärmen. Doch der Reihe nach.
Schwenzer: "Wir, sagen wir mal, wahren das Vermächtnis Otto Lilienthals in Stölln."
Otto Lilienthal, der große deutsche Luftfahrtpionier, der es als erster Mensch schaffte, mit seinen Flugapparaten tatsächlich zu fliegen. Einen Großteil seiner Gleitflüge absolvierte er in Brandenburg. 1891 begann er in Derwitz bei Potsdam, da ihm der dortige Hügel für den Start seiner Flüge zu niedrig wurde, wechselte er 1893 auf den Gollenberg bei Stölln.
Schwenzer: "Ja, der Gollenberg war früher unbewaldet. Und Lilienthal hat Berge gesucht, wo er fliegen konnte. Sein Ziel war ja: vom Stand über den Lauf zum Sprung und Flug. Und da brauchte er eine Bruchkante. Und da hat er den Gollenberg gefunden. Und hier konnte er nach allen Richtungen fliegen, weil er rund war und völlig unbewaldet."
Regelmäßig am Wochenende fuhr Lilienthal von Berlin nach Stölln, seine Hängegleiter hatte er längst in einer hiesigen Scheune deponiert. Dann begab er sich nach oben auf den Berg, nahm sieben Schritte Anlauf, sprang in die Tiefe … und flog.
Grenzdörfer: "Lilienthal hat hier am Gollenberg immer in der Größenordnung von 20, 25 Sekunden lang werdende Flüge absolviert und hat immer Flugweiten zwischen 200 und 300 Metern erreicht."
Bis zum 9. August 1896.
Lilienthals letzter Flug – und "wagemutige" Nachfahren
Grenzdörfer: "Das war ein sehr schöner, hochsommerlicher Augusttag, dieser 9. August 1896, …"
Joachim Grenzdörfer, er hat etliche Artikel zu Lilienthal geschrieben und ist regelmäßiger Gast in Stölln.
Grenzdörfer: "… die Sonneneinstrahlung war sehr intensiv, sodass sich eine Thermik bilden konnte, die bildet sich eben, wenn es im Tal ein bisschen kühl ist und durch die intensive Sonneneinstrahlung eine sogenannte Sonnen-Bö entsteht, das ist eine aufwärts gerichtete Thermik, die Lilienthal nicht aussteuern konnte, obwohl er schon an die tausend Flüge von diesem Gollenberg absolviert hatte."
In einer historischen Aufnahme aus den 70er-Jahren erinnert sich Paul Beilich, 1896 Lilienthals Monteur und einziger Augenzeuge des Unglücks, an den Absturz.
Beilich: "Und wie er ein Stück geflogen war, steht er oben in der Luft vollständig still, und dann sehe ich, dass er mit dem Bein so schlenkert, um den Apparat in die Wiege zu bringen. Mit einem Mal kriegt der Apparat die Neigung nach vorne und saust runter. Schlägt auf und das Unglück war passiert. Wie er abgestürzt war, ich gleich hinterher, gleich runter, und dann lag er unterm Apparat. Äußere Verletzungen hat er nicht gehabt. Über Schmerzen hat er nicht geklagt, aber er sagte: ‚lass mich ausruhen, und dann machen wir weiter’. Ich sage: ‚das geht nicht, der Apparat ist kaputt’."
Einen Tag später stirbt Otto Lilienthal. Der dritte Halswirbel ist gebrochen, vielleicht ist aber auch eine Hirnblutung die Todesursache gewesen. Ein Gedenkstein erinnert an den Ort des Unglücks, der Flugapparat kann als Nachbau in Originalgröße im Museum von Stölln bestaunt werden.
TV-Ausschnitt: "Kapitän Kallbach, was sagt denn Ihre Frau zu diesem Unternehmen? – Na, was soll sie sagen? Sie findet, dass es ein bisschen wagemutig und verrückt ist."
Ein Spektakel der besonderen Art erlebt der mittlerweile bewaldete Gollenberg im Oktober 1989, fast 100 Jahre nach dem Absturz Otto Lilienthals.
Zum Andenken an ihn schenkt die Interflug der kleinen Gemeinde eine Iljuschin 62. Flugkapitän Heinz-Dieter Kallbach ist auserkoren, die Maschine von Schönefeld nach Stölln zu überführen.
Kallbach: "Es gab selbst unter meinen Kollegen Zweifler, die gesagt haben, das funktioniert nicht, das muss in der Katastrophe enden, und wir haben aber dementsprechend gründlich die Sache vorbereitet."
Berechtigte Zweifel: Normalerweise benötigt die IL-62 eine Landebahn von 2500 Metern Länge, auf dem Segelflugplatz am Fuße des Gollenbergs stehen gerade mal 900 Meter zur Verfügung – unbefestigte Piste.
Kallbach: "Wir hatten von der Waldkante bis zum Aufsetzpunkt nur drei Sekunden Zeit. Wir mussten aus 20 Meter Höhe in den drei Sekunden runter kommen."
Schwenzer: "Also die Maschine setzte auf, sie hob vorne die Nase hoch, wo uns schon allen nicht wohl war, dann ging sie aber wieder runter, dann setzte die Bremskraft ein und dann war eine, weil es ja trocken war, eine Staubwolke, wir haben also kein Flugzeug mehr gesehen, …"
Kallbach: "… Wir hatten kein Licht im Cockpit, wir saßen plötzlich, als uns die Staubwolke überrollt hat, total im Dunkeln. Wir konnten kein Gerät mehr ablesen, hätte aber sowieso nichts mehr genutzt, denn als wir aufgesetzt hatten und die Maschine rollte, der Acker ist ja unwahrscheinlich uneben, holprig gewesen, und die Instrumente haben so vibriert, dass man nichts mehr ablesen konnte."
Schwenzer: "Und als sich die Staubwolke dann verzog, da haben wir alle, na, man war eigentlich mehr als erleichtert."
Kallbach: "Na, wir waren überglücklich. Meine Frau hat anfangs zwar gewusst, dass ich hier eine Überführung mache, hat aber angenommen, zu einem normalen Flugplatz. Der Film, der damals gemacht wurde vom Fernsehfunk der DDR, der bringt die Emotionen ja sehr gut rüber, und es bewegt mich immer wieder unwahrscheinlich, wenn ich sehe, wie sie da stand und gezittert hat und so, da rührt es mich schon immer, wenn ich den Film sehe."
Stölln ist seit Kapitän Kallbachs Husarenstück um eine Attraktion reicher. Und die Iljuschin 62, die über der Ortschaft auf einem Hügel thront, ein gern besuchtes Ausflugsziel. Die in ihr eröffnete Dauerausstellung zur Interflug präsentiert originale Flugtickets und Gepäckanhänger, Orden und Münzen – viele kleine Kostbarkeiten aus den Zeiten, als der ‚Zentralflughafen Berlin-Schönefeld’ nach dem Selbstverständnis der DDR das Fenster zur Welt war.
TV-Ausschnitt: "Möge die Anzahl der guten Starts mit denen der Landung immer übereinstimmen. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise. – Ich danke Ihnen. – Vielen Dank. …"
Von der zivilen zur militärischen Luftfahrt
Die Geschichte des Flugwesens in Brandenburg ist nicht nur eine Geschichte Lilienthals, der Interflug und der zivilen Luftfahrt. Sehr früh schon entwickelt sich das Umland von Berlin auch zu einem bedeutenden Standort der militärischen Luftfahrt. In Potsdam werden ab 1912 Luftschiffe für den Ersten Weltkrieg gebaut, die später Bomben über europäischen Großstädten abwerfen. 1917 wird die Produktion der Luftschiffe eingestellt. Und in Schönefeld errichtet die Firma Henschel 1935 das in den Augen der Nazis modernste Flugzeug-Werk der Welt. Bis 1945 werden darin etwa 14.000 Flugzeuge gebaut – vor allem Bomber und Lenkflugkörper für die deutsche Luftwaffe.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges zerschlagen die Sowjets Flugzeugwerke dieser Art. Von der Luftfahrtindustrie in Brandenburg bleibt nicht viel übrig. Außer den Flugplätzen. Die nutzen die Sowjets für ihre Zwecke und bauen neue dazu. Auch der Flugplatz Eberswalde-Finow, nordöstlich von Berlin gelegen, gehört dazu.
Kobbe: "Es ist also ein typischer Militärflugplatz der Sowjets gewesen, das war ja überall so, dass die Sowjets an die Frontfläche, an der Berührungsstelle zwischen Warschauer Vertrag und NATO natürlich ihr bestes Flugmaterial und ihre am besten ausgebildeten Piloten herbrachten, um hier gewappnet zu sein. Man ging ja immer davon aus, dass der böse Westen den Erstschlag vollzieht und dann musste man entsprechend reagieren. Deshalb wurden auch hier so genannte Führungsbunker errichtet, wir haben auch so einen, das war der Punkt, von dem aus der so genannte Gegenschlag geführt werden sollte."
Klaus-Peter Kobbe zeigt auf ein Foto mit einem Abfangjäger vom Typ MIG 25. Die schickten die Sowjets los, wenn sich amerikanische Aufklärungsflugzeuge dem Eisernen Vorhang näherten. Einige Male, erzählt Kobbe, sei der ‚kalte’ fast zu einem ‚heißen Krieg’ geworden.
Kobbe: "Wir haben ja mit einem Piloten gesprochen, der damals geflogen ist, und er berichtete uns von einer wahnsinnigen emotionalen und auch nervlichen Belastung bei diesen Flügen, weil sie immer davon ausgingen, dass irgendeine Seite die Nerven verliert und dann doch etwas macht, vielleicht sich sogar verfliegt, also die amerikanischen Maschinen, und er dann gezwungen wäre, so hat er uns das dann geschildert, den roten Knopf zu drücken, und sie hätten es gemacht, hat er mir gesagt."
Am westlichen Zipfel des alten Militärflugplatzes bauen Klaus-Peter Kobbe und seine Mitstreiter kurz nach dem Mauerfall ein Luftfahrtmuseum auf. Anfangs dürfen ausschließlich die Museumsleute das Areal betreten, seit 1994 besuchen vor allem Schulkinder die Luftfahrthistorische Sammlung.
Führung: "… Hier drüben seht ihr einen Hubschrauber. Das ist einer der größten Kranhubschrauber, die je gebaut wurden."
Auf dem Freigelände und in den Shelters, den getarnten Unterständen für die Kampfflugzeuge, stehen etliche Originalmaschinen aus der Zeit der DDR, nicht nur Militärflugzeuge.
Bis zum Abzug der sowjetischen Streitkräfte 1994 ist der Flugplatz strengstens abgeschirmt. Ein einziges Mal, im August 1991, spielen die Sowjets ‚Glasnost’ und veranstalten zusammen mit den Museumsleuten einen Tag der Offenen Tür. Das Interesse ist riesig, die Zufahrtsstraßen schnell verstopft. Etwa 100.000 Menschen flanieren an jenem Tag über das Gelände, dabei ist das eigentliche Spektakel gar nicht genehmigt worden: ein Kunstflug der MIG 29.
Kobbe: "Na, da waren wir natürlich alle enttäuscht, und dann sagte mir der Oberst Duz, ‚ach sei nicht traurig, wir machen das anders’, das werde ich nie vergessen, wie er dann mit blinzelnden Auges, das ist so ein kleiner Kerl gewesen, mir dann sagte: ‚das machen wir ganz anders, pass auf: ich hole hier eine MIG 29 raus, dann fahre ich hier langsam vor, und dann machen wir hier einen Startversuch, einen abgebrochenen Startversuch. Mit Nachbrenner starten wir, und dann bremsen wir hier ab, und dann mit Fallschirm raus, was meinst du, was das für eine Show ist’. ‚Da oben sieht man sowieso nichts’. Weil schlechtes Wetter war. Und so hat er es gemacht. Das hat er alle Stunde gemacht, und die Leute waren begeistert, und wir haben dann MIG 29 mit abgebrochenem Start hier vorgeführt. Alle, die das erlebt haben, werden das nie wieder vergessen. Dieser Riesenvogel mit dieser unbändigen Kraft der beiden großen Stahlturbinen, war fantastisch."
Anekdoten dieser Art kann Klaus-Dieter Kobbe stundenlang erzählen. Mit der Gründung des Luftfahrtmuseums in Finow hat er sich einen lang gehegten Traum erfüllt. Schon zu DDR-Zeiten hatte er sich regelmäßig mit Gleichgesinnten getroffen. Im Kulturhaus von Schönefeld.
Der Bau des Zentralflughafens in Schönefeld geht auf eine Anordnung der sowjetischen Militäradministration zurück. Für die Verbindung nach Moskau ist Schönefeld ein geeigneter Standort. Zudem sind die drei Betonpisten der Henschel Flugzeugwerke noch erhalten. Bis 1969 fertigt man in Schönefeld eine Million Passagiere ab.
Eine Kindheit im Schatten des Zentralflughafens
Axel Giebel ist zu dem Zeitpunkt zehn Jahre alt. Er verbringt seine Kindheit im Schatten des Zentralflughafens der DDR: in Schulzendorf, fünf Kilometer Luftlinie entfernt von Start- und Landebahn.
Giebel: "Wenn die dort Bremsproben gemacht haben, dann war es viehisch laut, dann haben die angebremste Flugzeuge die Triebwerke auf Maximalleistung gefahren, zum Test, das hat man immer sehr deutlich gehört, und auch die Warteschleife hat man mitgekriegt, wenn die gekreist sind überm Ort, und für uns war das natürlich immer interessant, der Flughafen. Da sind wir dann ooch mit den Fahrrädern hin gefahren und haben so am Zaun gestanden wie heute die so genannten Spotter, die Flugzeuge fotografieren, so haben wir Flugzeuge geguckt als Jugendlicher, man hatte ja irgendwie nüscht anderet."
Und dann entdecken Axel und sein Kumpel dieses Loch im Zaun.
Giebel: "Sind wir da heimlich druff und haben in den alten Ersatzteilen, die da abgelagert waren, so von russischen Maschinen oder so, haben wir uns Kabel besorgt und Drähte und haben damit gebastelt und gefummelt und haben das, na ja, als Abenteuer betrachtet. So Drahtfiguren haben wir gebaut. Wir haben dort aber auch – heute würde man Diebstahl dazu sagen – haben wir Aluminium und so was requiriert, um es zum Schotthändler zu bringen, also Geld zu kriegen. Da hat man dann mal drei Mark gekriegt für zwei Kilo Aluminium. Es war ja eigentlich ein Hochsicherheitstrakt, der Flughafen, und dort eben so illegal druff zu sein, war irgendwie auch spannend, wie so eine Mutprobe."
Fortan lässt ihn der Flughafen nicht mehr los. Während der Schulzeit arbeitet er einmal im Monat in der Flugzeugwerft – ‚Unterrichtstag in der Produktion’ heißt das in der DDR.
Giebel: "Selbst Außenreinigung haben wir manchmal gemacht, und ich fand diesen Beruf interessant, wenn man schon die ganzen Älteren gesehen hat, wie sie rum geschraubt haben an so komplizierten Dingen wie so einem Triebwerk, hat mich interessiert. Und ich wollte ooch Flugzeugmechaniker werden mit meinem Schulkumpel zusammen. Aber: die haben mich da nicht genommen. Leistung 1, Betragen 4. Flugzeugmechaniker ist ein ganz verantwortungsvoller Beruf, und wenn da einer ist, der sagen wir mal nicht ganz so diszipliniert ist, da haben die wahrscheinlich auch vermutet, dass der unter Umständen nicht diszipliniert mit seinem Werkzeug umgeht. Und das war so die Begründung dafür. Habe ich hinterher dann erfahren."
Heute arbeitet Axel Giebel als Kameramann beim MDR und lebt in Dresden. Regelmäßig besucht er seine Mutter in Berlin.
Giebel: "Jedes Mal, wenn ich auf der Autobahn da vorbeifahre, gucke ich immer nach links rüber und gucke auf den Flughafen. Da sind so ein paar Erinnerungen dran. Wehmut. Ja ooch, weil es eine schöne Zeit war. Am Flughafen zu sein."
"Frau Merkel fliegt gelegentlich mit Antrieb aus Dahlewitz"
Etwa acht Kilometer Luftlinie entfernt vom neuen Flughafenterminal, in Dahlewitz, baut die Firma Rolls Royce 1992 ein Werk. Anfangs etwa 500 Mitarbeiter, mittlerweile 2200 Angestellte entwickeln, testen, warten und montieren hier Flugzeugtriebwerke. Doch in Dahlewitz wird das Geräuschproblem des Flugverkehrs nicht nur erzeugt, hier arbeiten sie auch an dessen Lösung. Sagt Ulrich Wenger, Leiter der Entwicklungs- und Forschungsabteilung.
Wenger:: "Die neuen Produkte, die jetzt in Betrieb gehen werden, wie zum Beispiel A 320 neo, die mit neuen Triebwerken bestückt wird und die sicher einen Großteil der Flotte, die in Schönefeld ankommen wird, ausmachen wird, die werden auch deutlich leiser sein.
Sicherheit und Sauberkeit genießen in den Entwicklungs- und Montagehallen von Rolls Royce oberste Priorität. Die Fußböden sind blank geputzt, die einzelnen Arbeitsbereiche optisch klar voneinander getrennt. Unternehmenssprecher Andreas Wriege.
Wriege: ""Hier befindet sich jetzt die komplette Neumontage der Triebwerke. Das heißt, die über 500 Triebwerke, die wir im letzten Jahr gebaut haben, die kommen alle aus dieser Halle hier."
In Dahlewitz werden vor allem die Triebwerke für Mittelstrecken- und Business-Jets hergestellt.
Wenger: ""Die Business-Jets, die auch bei der Flugbereitschaft der Bundeswehr zum Einsatz kommen, also Frau Merkel fliegt gelegentlich mit Antrieb aus Dahlewitz."
Das Unternehmen produziert nicht nur die Triebwerke der Gegenwart, es erforscht und entwickelt auch schon die Triebwerke der Zukunft.
Wenger: "Zukunft des Triebwerks wird sein: mehr Schub bei geringerem Lärm und geringerem Verbrauch."
Die Luftfahrt boomt. Rolls Royce Dahlewitz hat rein rechnerisch genug Aufträge, um seine Mitarbeiter die nächsten fünf Jahre zu beschäftigen.
Zurück zum Gollenberg nach Stölln, dorthin, wo Luftfahrtpionier Lilienthal seine erfolgreichsten Gleitflüge absolvierte. Manchmal geht es hier zu wie auf einem Klassentreffen. Einer von Ottos Erben, Helmut Wernicke, flog 1996 mit einem Drachen vom Gollenberg. Erzählen tut er davon, als sei es gestern gewesen.
Wernicke: "Also: laufen gegen den Wind, ich habe an dem Drachen einen Wollfaden dran, da sehe ich, wo kommt der Wind her, kann ich die Maschine noch ausrichten? Wenn man schräg zum Wind weg startet, kann man Pech haben, geguckt und voll Tempo laufen, irgendwann hängen die Beine in der Luft, merkt es gar nicht, und dann fliegt man. Und dann haben wir, meine Frau war mit bei: wir müssen mal messen, wie weit sind wir denn überhaupt gekommen? Und haben festgestellt: etwas über 300 Meter sind wir gekommen in meinem ersten Flug nach Lilienthal, und das war dann genau 100 Jahre nach Otto Lilienthals erstem Flug."
Seine Frau hat ihm das Drachenfliegen mittlerweile verboten. Die freie Zeit nutzt er, um Modellflugzeuge zu bauen. Einen Original-Flugapparat nach den Entwürfen Otto Lilienthals hat er dem Museum in Stölln als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.
"Wir trinken erstmal einen Schluck auf die Ausstellung und auf die Interflugleute, dass sie alle so zahlreich erschienen sind. Freut mich. Also erstmal zum Wohl."
Stölln, ein kleiner Ort im brandenburgischen Havelland, westlich von Berlin. 80 Gäste stoßen stilecht an mit einem Glas "Rotkäppchen halbtrocken" auf die Eröffnung einer kleinen Ausstellung über die Geschichte der Interflug, der staatlichen Fluggesellschaft der DDR. Sie sitzen im Heck einer Iljuschin 62, des ersten Langstreckenjets der Sowjetunion, den die Interflug seit 1970 einsetzte.
Schwenzer: "Stölln hat ja immer historischen Boden gehabt, wir haben den ersten Flieger, wir haben dieses Flugzeug hier, dass gelandet ist, steht im Guiness-Buch der Rekorde, wir haben den ältesten Flugplatz der Welt, ..."
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Horst Schwenzer Erster Vorsitzender des Otto-Lilienthal-Vereins in Stölln. Die Attraktionen des Flugwesens, die seine kleine Gemeinde zu bieten hat, lassen ihn immer wieder schwärmen. Doch der Reihe nach.
Schwenzer: "Wir, sagen wir mal, wahren das Vermächtnis Otto Lilienthals in Stölln."
Otto Lilienthal, der große deutsche Luftfahrtpionier, der es als erster Mensch schaffte, mit seinen Flugapparaten tatsächlich zu fliegen. Einen Großteil seiner Gleitflüge absolvierte er in Brandenburg. 1891 begann er in Derwitz bei Potsdam, da ihm der dortige Hügel für den Start seiner Flüge zu niedrig wurde, wechselte er 1893 auf den Gollenberg bei Stölln.
Schwenzer: "Ja, der Gollenberg war früher unbewaldet. Und Lilienthal hat Berge gesucht, wo er fliegen konnte. Sein Ziel war ja: vom Stand über den Lauf zum Sprung und Flug. Und da brauchte er eine Bruchkante. Und da hat er den Gollenberg gefunden. Und hier konnte er nach allen Richtungen fliegen, weil er rund war und völlig unbewaldet."
Regelmäßig am Wochenende fuhr Lilienthal von Berlin nach Stölln, seine Hängegleiter hatte er längst in einer hiesigen Scheune deponiert. Dann begab er sich nach oben auf den Berg, nahm sieben Schritte Anlauf, sprang in die Tiefe … und flog.
Grenzdörfer: "Lilienthal hat hier am Gollenberg immer in der Größenordnung von 20, 25 Sekunden lang werdende Flüge absolviert und hat immer Flugweiten zwischen 200 und 300 Metern erreicht."
Bis zum 9. August 1896.
Lilienthals letzter Flug – und "wagemutige" Nachfahren
Grenzdörfer: "Das war ein sehr schöner, hochsommerlicher Augusttag, dieser 9. August 1896, …"
Joachim Grenzdörfer, er hat etliche Artikel zu Lilienthal geschrieben und ist regelmäßiger Gast in Stölln.
Grenzdörfer: "… die Sonneneinstrahlung war sehr intensiv, sodass sich eine Thermik bilden konnte, die bildet sich eben, wenn es im Tal ein bisschen kühl ist und durch die intensive Sonneneinstrahlung eine sogenannte Sonnen-Bö entsteht, das ist eine aufwärts gerichtete Thermik, die Lilienthal nicht aussteuern konnte, obwohl er schon an die tausend Flüge von diesem Gollenberg absolviert hatte."
In einer historischen Aufnahme aus den 70er-Jahren erinnert sich Paul Beilich, 1896 Lilienthals Monteur und einziger Augenzeuge des Unglücks, an den Absturz.
Beilich: "Und wie er ein Stück geflogen war, steht er oben in der Luft vollständig still, und dann sehe ich, dass er mit dem Bein so schlenkert, um den Apparat in die Wiege zu bringen. Mit einem Mal kriegt der Apparat die Neigung nach vorne und saust runter. Schlägt auf und das Unglück war passiert. Wie er abgestürzt war, ich gleich hinterher, gleich runter, und dann lag er unterm Apparat. Äußere Verletzungen hat er nicht gehabt. Über Schmerzen hat er nicht geklagt, aber er sagte: ‚lass mich ausruhen, und dann machen wir weiter’. Ich sage: ‚das geht nicht, der Apparat ist kaputt’."
Einen Tag später stirbt Otto Lilienthal. Der dritte Halswirbel ist gebrochen, vielleicht ist aber auch eine Hirnblutung die Todesursache gewesen. Ein Gedenkstein erinnert an den Ort des Unglücks, der Flugapparat kann als Nachbau in Originalgröße im Museum von Stölln bestaunt werden.
TV-Ausschnitt: "Kapitän Kallbach, was sagt denn Ihre Frau zu diesem Unternehmen? – Na, was soll sie sagen? Sie findet, dass es ein bisschen wagemutig und verrückt ist."
Ein Spektakel der besonderen Art erlebt der mittlerweile bewaldete Gollenberg im Oktober 1989, fast 100 Jahre nach dem Absturz Otto Lilienthals.
Zum Andenken an ihn schenkt die Interflug der kleinen Gemeinde eine Iljuschin 62. Flugkapitän Heinz-Dieter Kallbach ist auserkoren, die Maschine von Schönefeld nach Stölln zu überführen.
Kallbach: "Es gab selbst unter meinen Kollegen Zweifler, die gesagt haben, das funktioniert nicht, das muss in der Katastrophe enden, und wir haben aber dementsprechend gründlich die Sache vorbereitet."
Berechtigte Zweifel: Normalerweise benötigt die IL-62 eine Landebahn von 2500 Metern Länge, auf dem Segelflugplatz am Fuße des Gollenbergs stehen gerade mal 900 Meter zur Verfügung – unbefestigte Piste.
Kallbach: "Wir hatten von der Waldkante bis zum Aufsetzpunkt nur drei Sekunden Zeit. Wir mussten aus 20 Meter Höhe in den drei Sekunden runter kommen."
Schwenzer: "Also die Maschine setzte auf, sie hob vorne die Nase hoch, wo uns schon allen nicht wohl war, dann ging sie aber wieder runter, dann setzte die Bremskraft ein und dann war eine, weil es ja trocken war, eine Staubwolke, wir haben also kein Flugzeug mehr gesehen, …"
Kallbach: "… Wir hatten kein Licht im Cockpit, wir saßen plötzlich, als uns die Staubwolke überrollt hat, total im Dunkeln. Wir konnten kein Gerät mehr ablesen, hätte aber sowieso nichts mehr genutzt, denn als wir aufgesetzt hatten und die Maschine rollte, der Acker ist ja unwahrscheinlich uneben, holprig gewesen, und die Instrumente haben so vibriert, dass man nichts mehr ablesen konnte."
Schwenzer: "Und als sich die Staubwolke dann verzog, da haben wir alle, na, man war eigentlich mehr als erleichtert."
Kallbach: "Na, wir waren überglücklich. Meine Frau hat anfangs zwar gewusst, dass ich hier eine Überführung mache, hat aber angenommen, zu einem normalen Flugplatz. Der Film, der damals gemacht wurde vom Fernsehfunk der DDR, der bringt die Emotionen ja sehr gut rüber, und es bewegt mich immer wieder unwahrscheinlich, wenn ich sehe, wie sie da stand und gezittert hat und so, da rührt es mich schon immer, wenn ich den Film sehe."
Stölln ist seit Kapitän Kallbachs Husarenstück um eine Attraktion reicher. Und die Iljuschin 62, die über der Ortschaft auf einem Hügel thront, ein gern besuchtes Ausflugsziel. Die in ihr eröffnete Dauerausstellung zur Interflug präsentiert originale Flugtickets und Gepäckanhänger, Orden und Münzen – viele kleine Kostbarkeiten aus den Zeiten, als der ‚Zentralflughafen Berlin-Schönefeld’ nach dem Selbstverständnis der DDR das Fenster zur Welt war.
TV-Ausschnitt: "Möge die Anzahl der guten Starts mit denen der Landung immer übereinstimmen. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise. – Ich danke Ihnen. – Vielen Dank. …"
Von der zivilen zur militärischen Luftfahrt
Die Geschichte des Flugwesens in Brandenburg ist nicht nur eine Geschichte Lilienthals, der Interflug und der zivilen Luftfahrt. Sehr früh schon entwickelt sich das Umland von Berlin auch zu einem bedeutenden Standort der militärischen Luftfahrt. In Potsdam werden ab 1912 Luftschiffe für den Ersten Weltkrieg gebaut, die später Bomben über europäischen Großstädten abwerfen. 1917 wird die Produktion der Luftschiffe eingestellt. Und in Schönefeld errichtet die Firma Henschel 1935 das in den Augen der Nazis modernste Flugzeug-Werk der Welt. Bis 1945 werden darin etwa 14.000 Flugzeuge gebaut – vor allem Bomber und Lenkflugkörper für die deutsche Luftwaffe.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges zerschlagen die Sowjets Flugzeugwerke dieser Art. Von der Luftfahrtindustrie in Brandenburg bleibt nicht viel übrig. Außer den Flugplätzen. Die nutzen die Sowjets für ihre Zwecke und bauen neue dazu. Auch der Flugplatz Eberswalde-Finow, nordöstlich von Berlin gelegen, gehört dazu.
Kobbe: "Es ist also ein typischer Militärflugplatz der Sowjets gewesen, das war ja überall so, dass die Sowjets an die Frontfläche, an der Berührungsstelle zwischen Warschauer Vertrag und NATO natürlich ihr bestes Flugmaterial und ihre am besten ausgebildeten Piloten herbrachten, um hier gewappnet zu sein. Man ging ja immer davon aus, dass der böse Westen den Erstschlag vollzieht und dann musste man entsprechend reagieren. Deshalb wurden auch hier so genannte Führungsbunker errichtet, wir haben auch so einen, das war der Punkt, von dem aus der so genannte Gegenschlag geführt werden sollte."
Klaus-Peter Kobbe zeigt auf ein Foto mit einem Abfangjäger vom Typ MIG 25. Die schickten die Sowjets los, wenn sich amerikanische Aufklärungsflugzeuge dem Eisernen Vorhang näherten. Einige Male, erzählt Kobbe, sei der ‚kalte’ fast zu einem ‚heißen Krieg’ geworden.
Kobbe: "Wir haben ja mit einem Piloten gesprochen, der damals geflogen ist, und er berichtete uns von einer wahnsinnigen emotionalen und auch nervlichen Belastung bei diesen Flügen, weil sie immer davon ausgingen, dass irgendeine Seite die Nerven verliert und dann doch etwas macht, vielleicht sich sogar verfliegt, also die amerikanischen Maschinen, und er dann gezwungen wäre, so hat er uns das dann geschildert, den roten Knopf zu drücken, und sie hätten es gemacht, hat er mir gesagt."
Am westlichen Zipfel des alten Militärflugplatzes bauen Klaus-Peter Kobbe und seine Mitstreiter kurz nach dem Mauerfall ein Luftfahrtmuseum auf. Anfangs dürfen ausschließlich die Museumsleute das Areal betreten, seit 1994 besuchen vor allem Schulkinder die Luftfahrthistorische Sammlung.
Führung: "… Hier drüben seht ihr einen Hubschrauber. Das ist einer der größten Kranhubschrauber, die je gebaut wurden."
Auf dem Freigelände und in den Shelters, den getarnten Unterständen für die Kampfflugzeuge, stehen etliche Originalmaschinen aus der Zeit der DDR, nicht nur Militärflugzeuge.
Bis zum Abzug der sowjetischen Streitkräfte 1994 ist der Flugplatz strengstens abgeschirmt. Ein einziges Mal, im August 1991, spielen die Sowjets ‚Glasnost’ und veranstalten zusammen mit den Museumsleuten einen Tag der Offenen Tür. Das Interesse ist riesig, die Zufahrtsstraßen schnell verstopft. Etwa 100.000 Menschen flanieren an jenem Tag über das Gelände, dabei ist das eigentliche Spektakel gar nicht genehmigt worden: ein Kunstflug der MIG 29.
Kobbe: "Na, da waren wir natürlich alle enttäuscht, und dann sagte mir der Oberst Duz, ‚ach sei nicht traurig, wir machen das anders’, das werde ich nie vergessen, wie er dann mit blinzelnden Auges, das ist so ein kleiner Kerl gewesen, mir dann sagte: ‚das machen wir ganz anders, pass auf: ich hole hier eine MIG 29 raus, dann fahre ich hier langsam vor, und dann machen wir hier einen Startversuch, einen abgebrochenen Startversuch. Mit Nachbrenner starten wir, und dann bremsen wir hier ab, und dann mit Fallschirm raus, was meinst du, was das für eine Show ist’. ‚Da oben sieht man sowieso nichts’. Weil schlechtes Wetter war. Und so hat er es gemacht. Das hat er alle Stunde gemacht, und die Leute waren begeistert, und wir haben dann MIG 29 mit abgebrochenem Start hier vorgeführt. Alle, die das erlebt haben, werden das nie wieder vergessen. Dieser Riesenvogel mit dieser unbändigen Kraft der beiden großen Stahlturbinen, war fantastisch."
Anekdoten dieser Art kann Klaus-Dieter Kobbe stundenlang erzählen. Mit der Gründung des Luftfahrtmuseums in Finow hat er sich einen lang gehegten Traum erfüllt. Schon zu DDR-Zeiten hatte er sich regelmäßig mit Gleichgesinnten getroffen. Im Kulturhaus von Schönefeld.
Der Bau des Zentralflughafens in Schönefeld geht auf eine Anordnung der sowjetischen Militäradministration zurück. Für die Verbindung nach Moskau ist Schönefeld ein geeigneter Standort. Zudem sind die drei Betonpisten der Henschel Flugzeugwerke noch erhalten. Bis 1969 fertigt man in Schönefeld eine Million Passagiere ab.
Eine Kindheit im Schatten des Zentralflughafens
Axel Giebel ist zu dem Zeitpunkt zehn Jahre alt. Er verbringt seine Kindheit im Schatten des Zentralflughafens der DDR: in Schulzendorf, fünf Kilometer Luftlinie entfernt von Start- und Landebahn.
Giebel: "Wenn die dort Bremsproben gemacht haben, dann war es viehisch laut, dann haben die angebremste Flugzeuge die Triebwerke auf Maximalleistung gefahren, zum Test, das hat man immer sehr deutlich gehört, und auch die Warteschleife hat man mitgekriegt, wenn die gekreist sind überm Ort, und für uns war das natürlich immer interessant, der Flughafen. Da sind wir dann ooch mit den Fahrrädern hin gefahren und haben so am Zaun gestanden wie heute die so genannten Spotter, die Flugzeuge fotografieren, so haben wir Flugzeuge geguckt als Jugendlicher, man hatte ja irgendwie nüscht anderet."
Und dann entdecken Axel und sein Kumpel dieses Loch im Zaun.
Giebel: "Sind wir da heimlich druff und haben in den alten Ersatzteilen, die da abgelagert waren, so von russischen Maschinen oder so, haben wir uns Kabel besorgt und Drähte und haben damit gebastelt und gefummelt und haben das, na ja, als Abenteuer betrachtet. So Drahtfiguren haben wir gebaut. Wir haben dort aber auch – heute würde man Diebstahl dazu sagen – haben wir Aluminium und so was requiriert, um es zum Schotthändler zu bringen, also Geld zu kriegen. Da hat man dann mal drei Mark gekriegt für zwei Kilo Aluminium. Es war ja eigentlich ein Hochsicherheitstrakt, der Flughafen, und dort eben so illegal druff zu sein, war irgendwie auch spannend, wie so eine Mutprobe."
Fortan lässt ihn der Flughafen nicht mehr los. Während der Schulzeit arbeitet er einmal im Monat in der Flugzeugwerft – ‚Unterrichtstag in der Produktion’ heißt das in der DDR.
Giebel: "Selbst Außenreinigung haben wir manchmal gemacht, und ich fand diesen Beruf interessant, wenn man schon die ganzen Älteren gesehen hat, wie sie rum geschraubt haben an so komplizierten Dingen wie so einem Triebwerk, hat mich interessiert. Und ich wollte ooch Flugzeugmechaniker werden mit meinem Schulkumpel zusammen. Aber: die haben mich da nicht genommen. Leistung 1, Betragen 4. Flugzeugmechaniker ist ein ganz verantwortungsvoller Beruf, und wenn da einer ist, der sagen wir mal nicht ganz so diszipliniert ist, da haben die wahrscheinlich auch vermutet, dass der unter Umständen nicht diszipliniert mit seinem Werkzeug umgeht. Und das war so die Begründung dafür. Habe ich hinterher dann erfahren."
Heute arbeitet Axel Giebel als Kameramann beim MDR und lebt in Dresden. Regelmäßig besucht er seine Mutter in Berlin.
Giebel: "Jedes Mal, wenn ich auf der Autobahn da vorbeifahre, gucke ich immer nach links rüber und gucke auf den Flughafen. Da sind so ein paar Erinnerungen dran. Wehmut. Ja ooch, weil es eine schöne Zeit war. Am Flughafen zu sein."
"Frau Merkel fliegt gelegentlich mit Antrieb aus Dahlewitz"
Etwa acht Kilometer Luftlinie entfernt vom neuen Flughafenterminal, in Dahlewitz, baut die Firma Rolls Royce 1992 ein Werk. Anfangs etwa 500 Mitarbeiter, mittlerweile 2200 Angestellte entwickeln, testen, warten und montieren hier Flugzeugtriebwerke. Doch in Dahlewitz wird das Geräuschproblem des Flugverkehrs nicht nur erzeugt, hier arbeiten sie auch an dessen Lösung. Sagt Ulrich Wenger, Leiter der Entwicklungs- und Forschungsabteilung.
Wenger:: "Die neuen Produkte, die jetzt in Betrieb gehen werden, wie zum Beispiel A 320 neo, die mit neuen Triebwerken bestückt wird und die sicher einen Großteil der Flotte, die in Schönefeld ankommen wird, ausmachen wird, die werden auch deutlich leiser sein.
Sicherheit und Sauberkeit genießen in den Entwicklungs- und Montagehallen von Rolls Royce oberste Priorität. Die Fußböden sind blank geputzt, die einzelnen Arbeitsbereiche optisch klar voneinander getrennt. Unternehmenssprecher Andreas Wriege.
Wriege: ""Hier befindet sich jetzt die komplette Neumontage der Triebwerke. Das heißt, die über 500 Triebwerke, die wir im letzten Jahr gebaut haben, die kommen alle aus dieser Halle hier."
In Dahlewitz werden vor allem die Triebwerke für Mittelstrecken- und Business-Jets hergestellt.
Wenger: ""Die Business-Jets, die auch bei der Flugbereitschaft der Bundeswehr zum Einsatz kommen, also Frau Merkel fliegt gelegentlich mit Antrieb aus Dahlewitz."
Das Unternehmen produziert nicht nur die Triebwerke der Gegenwart, es erforscht und entwickelt auch schon die Triebwerke der Zukunft.
Wenger: "Zukunft des Triebwerks wird sein: mehr Schub bei geringerem Lärm und geringerem Verbrauch."
Die Luftfahrt boomt. Rolls Royce Dahlewitz hat rein rechnerisch genug Aufträge, um seine Mitarbeiter die nächsten fünf Jahre zu beschäftigen.
Zurück zum Gollenberg nach Stölln, dorthin, wo Luftfahrtpionier Lilienthal seine erfolgreichsten Gleitflüge absolvierte. Manchmal geht es hier zu wie auf einem Klassentreffen. Einer von Ottos Erben, Helmut Wernicke, flog 1996 mit einem Drachen vom Gollenberg. Erzählen tut er davon, als sei es gestern gewesen.
Wernicke: "Also: laufen gegen den Wind, ich habe an dem Drachen einen Wollfaden dran, da sehe ich, wo kommt der Wind her, kann ich die Maschine noch ausrichten? Wenn man schräg zum Wind weg startet, kann man Pech haben, geguckt und voll Tempo laufen, irgendwann hängen die Beine in der Luft, merkt es gar nicht, und dann fliegt man. Und dann haben wir, meine Frau war mit bei: wir müssen mal messen, wie weit sind wir denn überhaupt gekommen? Und haben festgestellt: etwas über 300 Meter sind wir gekommen in meinem ersten Flug nach Lilienthal, und das war dann genau 100 Jahre nach Otto Lilienthals erstem Flug."
Seine Frau hat ihm das Drachenfliegen mittlerweile verboten. Die freie Zeit nutzt er, um Modellflugzeuge zu bauen. Einen Original-Flugapparat nach den Entwürfen Otto Lilienthals hat er dem Museum in Stölln als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.