Kampf gegen Overtourism

Venedig verlangt Eintritt von Touristen

Sehr viele Menschen sind bei Sonnenschein auf einem Platz in Venedig zu sehen.
Versuch gegen den Overtourismus in Venedig: Von April bis Juli mussten Tagestouristen an zunächst 29 Tagen fünf Euro zahlen. Ab 2025 soll das Tagesticket dann generell eingeführt werden. © picture alliance / CHROMORANGE / Viennaslide
23.07.2024
Als erste Stadt der Welt verlangt Venedig jetzt Eintritt. Nach einer Testphase soll die Gebühr für Touristen bleiben und an besuchsstarken Tagen sogar aufs Doppelte steigen. Das eigentliche Ziel wurde bislang jedoch nicht erreicht.
Seit Jahren steigt die Zahl der Touristen in Venedig. Allein im vergangenen Jahr kamen nach Schätzungen 15 Millionen Menschen in die Lagunenstadt an der italienischen Adria. Jahre hat auch die Stadt darüber gestritten, wie man mit den vielen Menschen umgehen soll. Denn von einem romantischen Schlendern durch die venezianischen Gassen kann schon lange keine Rede mehr sein. Vielmehr ist es ein Geschiebe und Gedränge.
An manchen Tagen kommen mehr als 100.000 Menschen, um Markusplatz und Rialtobrücke zu sehen. Dabei leben nicht einmal mehr 50.000 Einwohner in der Altstadt, die zusehends verfällt.
Im vergangenen Jahr beschloss der Stadtrat deshalb eine Tourismusgebühr. Nach einer vierwöchigen Testphase soll sie künftig dauerhaft bleiben und an Tagen mit großem Andrang teurer werden.
Aber bringt eine Gebühr tatsächlich etwas gegen den Touristenansturm?

Wie funktioniert das "Venedig-Ticket"?

In Venedig soll eine Gebühr Menschen von einer Reise dorthin abhalten und für Entlastung sorgen.
Das Ticket wurde vom 25. April bis 14. Juli für insgesamt 29 Tage getestet. Tagesbesucher, die sich von 8.30 Uhr bis 16 Uhr in der Stadt aufhielten, mussten jeweils fünf Euro zahlen. Für Einheimische, Pendler und Kinder unter 14 Jahren galt die Gebühr nicht.
Auf der Internetseite „Contributo di Accesso“ besorgte man sich einen QR-Code und lud diesen aufs Handy. Bei Verstößen drohte eine Strafe zwischen 50 und 300 Euro. Tatsächlich bezahlen musste laut Deutscher Presse-Agentur allerdings niemand so viel. Kontrolliert wurde vor allem am Bahnhof und an den wichtigsten Anlegestellen der Boote wie dem Markusplatz.
Venedig nahm mit der Gebühr mehr als zwei Millionen Euro ein. Doch das Ziel, den Tourismus zu begrenzen, wurde nicht erreicht: An manchen Tagen wurden mehr als 25.000 zahlende Gäste gezählt. Im Jahr 2025 soll die Gebühr an "kritischen Tagen" auf zehn Euro erhöht werden, so der für die Finanzen zuständige Stadtrat Michele Zuin in der Lokalzeitung "Il Gazzettino". An anderen Tagen solle ein "Grundtarif" gelten, dessen Höhe der Politiker noch offen ließ.

Welche Kritik gibt es an dem Ticket?

Viele Experten sind hinsichtlich eines Erfolgs allerdings skeptisch. Warum sollten sich Menschen von fünf Euro abschrecken lassen, wenn allein schon ein Cappuccino am Markusplatz zwölf Euro kostet? Die Zeitung "Corriere della Sera" hat zudem errechnet, dass die erwarteten Einnahmen gerade einmal ausreichen, um die nötige Infrastruktur und die Kontrollen zu finanzieren. Für eine zusätzliche Sanierung bliebe also gar nichts übrig.
Auch der Tourismusforscher Pascal Mandelartz hält eine Eintrittsgebühr in Venedig für „problematisch, (...) weil die sogenannte Disneyfizierung hier extrem weit vorangeschritten ist. Eigentlich hat man hier überhaupt keine Stadt mehr, in der Einheimische leben, sondern man hat ein touristisches Disneyland erstellt. Und da wird es sehr, sehr schwierig, diesen Prozess wieder komplett zurückzudrehen.“
Die Sprecherin der Bürgerinitiative Assemblea per la casa Venezia (Versammlung des Hauses Venedig), Federica Toninello, sagte dem Fernsehsender Rai zu den bisherigen Erfahrungen: "Das hat der Kommune Geld in die Kasse gebracht, aber es hat nicht funktioniert."

Was tut Venedig noch gegen Overtourism?

Venedig kämpft vor allem gegen sogenannte „Hit-and-run“-Touristen, also Tagesgäste, die zwar die Straßen füllen, jedoch kaum Geld in den Restaurants oder für eine Übernachtung in der Lagunenstadt lassen.
So machen Tagesgäste nach einem Bericht der "New York Times" zwar 73 Prozent der Besucher aus, sie sind jedoch nur für 18 Prozent der Tourismuseinnahmen verantwortlich. Dagegen sorgen die 14 Prozent der Gäste, die mindestens eine Nacht in Venedig selbst verbringen, für 48 Prozent der Einnahmen.
Viele dieser Tagesgäste kommen von den großen Kreuzfahrtschiffen. Die dürfen jedoch schon seit Mitte 2021 nicht mehr in die Lagune einlaufen. Die von ihnen verursachten Wellen schaden den Fundamenten des Weltkulturerbes Venedig und bedrohen das sensible ökologische Gleichgewicht in der Lagune.
Seither müssen die Schiffe weiter entfernt anlegen. Die Passagiere werden dann mit kleineren Booten in die Stadt gebracht. Dieser Umstand sorgte dafür, dass eine große norwegische Reederei Venedig schon für die kommenden beiden Jahre aus dem Programm gestrichen hat.
Seit dem 1. Juni 2024 hat der Gemeinderat außerdem die Größe der Reisegruppen beschränkt. Pro Führer dürfen sich nur noch 25 Personen durch die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten bewegen. Lautsprecher sind ebenfalls verboten.
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