Oyinkan Braithwaite: "Meine Schwester, die Serienmörderin"
Aus dem Englischen von Yasmin Dinçer
Blumenbar im Aufbau Verlag, Berlin 2020
239 Seiten, 20 Euro
Makabere Rituale zweier Rivalinnen
05:52 Minuten
Die eine Schwester ermordet ihre Verehrer, die andere entsorgt sie. Darum geht es in "Meine Schwester, die Serienmörderin" von Oyinkan Braithwaite. Dahinter steckt ein Familiengeheimnis. Doch dann werben die beiden um denselben Mann.
Ironisch, witzig und rotzfrech kommt Oyinkan Braithwaite mit ihrem Debüt daher, das es im letzten Jahr auf die Longlist des Booker Preises schaffte. Die nigerianische Schriftstellerin erzählt die Geschichte der zwei ungleichen Schwestern Ayoola und Korede im heutigen Lagos. Korede, die ältere, ist Krankenschwester. Sie ist gilt als umsichtig, verantwortungsbewusst und korrekt bei der Arbeit. Die jüngere, Ayoola hingegen ist lebenslustig, eher oberflächlich und dabei von umwerfender Schönheit. Doch mit ihrem großen Erfolg bei Männern beginnt das Problem, denn wenn ihre Verehrer Ayoola zu nahe kommen, wehrt sie sich auf sehr eigene Weise: mit einem Messer.
Launige Tipps zur Beseitigung von Blutflecken
Sobald sie einen Mann ermordet hat, ruft sie ihre Schwester zu Hilfe, so auch als der attraktive Femi ihr Opfer geworden ist. Wie immer putzt die praktische Korede nicht nur den Tatort blütenrein, sondern entsorgt mit ihrem Auto auch Femis Leiche. Doch diesmal plagt Korede das schlechte Gewissen. Waren Ayoolas ersten beiden Opfer ihr unsympathisch, weiß sie nicht, was ihre Schwester an Femi auszusetzen hatte. Es gibt niemanden, bei dem sie Rat und Hilfe suchen kann. Lediglich einem im Koma liegenden Patienten erzählt sie ihre ganze Geschichte. Als dieser überraschend wieder aufwacht, muss sie sich fragen, ob sie nun einen Mitwisser hat.
Zum äußersten kommt es als Ayoola sie in der Klinik besucht und dabei den attraktiven Arzt Tade trifft, den Korede heimlich liebt. Natürlich ist auch Tade sofort von Ayoola entzückt. Wie soll sich Korede nun verhalten? Die Ich-Erzählerin gerät in einen kaum lösbaren Gewissenskonflikt.
In kurzen Kapiteln erzählt Oyinkan Braithwaite rasant ihre schwarzhumorige Geschichte. Die Ich-Erzählerin berichtet lakonisch distanziert und in schnörkellosen Sätzen von den Morden. Dazwischen gibt sie launige Tipps zur Beseitigung von Blutflecken. In ironischen Dialogen des Krankenhauspersonals zeigt die Autorin den allgegenwärtigen Schlendrian.
Rivalisierende Schwestern
Der Roman gibt tiefe Einblicke in das Geschlechterverhältnis im heutigen Nigeria. Aus feministischer Perspektive schaut Oyinkan Braithwaite auf das Phänomen der weiblichen Schönheit. Gesellschaftskritisch beleuchtet sie die Rolle der korrupten Polizei. In Rückblenden erschließt sich das ganze Drama der Familie – ein herrschsüchtiger, brutaler Vater, eine schwache Mutter und die rivalisierenden Schwestern. Dazu die tief in der Gesellschaft verwurzelte Norm, dass die Ältere immer auf die Jüngere aufzupassen hat, für sie verantwortlich ist. Mit einem unheimlichen Sog entwickelt die Autorin ihre Geschichte, die weit über einen Krimi hinausgeht.